Staatspolizeistelle Litzmannstadt

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Die Staatspolizeistelle Litzmannstadt (Stapo Litzmannstadt) war von 1939 bis Anfang 1945 eine Dienststelle der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in Polen. Die Angehörigen der Dienststelle, die mit den Angelegenheiten des Ghettos von Lodz verwickelt waren, beteiligte sich an der Deportation der Gefangenen und Verschleppten und begingen zahlreiche Verbrechen.

Besetzung der Stadt Lodz[Bearbeiten]

Am 1. September 1939 überfiel die Wehrmacht Polen. Am 8. September 1939 besetzten Einheiten der 8. Armee die zweitgrößte Stadt in Polen[1]. Am 9. September 1939[2] zog die nachfolgende Einsatzgruppe III (EG III) unter dem Kommando von Dr. Hans Fischer[3] mit dem Einsatzkommando 2 (EK 2) mit dem kommandierenden Fritz Liphardt[4] in Lodz ein. Am 23. September folgte das EK 1 der EG III unter dem Kommando von Dr. Wilhelm Scharpwinkel[5]. Im Zuge der Umwandlung der städtischen Verhältnisse wurde der Name „Lodz“ in „Lodsch“ umbenannt und am 12. April 1940 wurde der neue amtliche Name „Litzmannstadt“[6] bekannt gemacht.

Einrichtung der Stapo Litzmannstadt[Bearbeiten]

Im November 1939 folgte das EK 1 der EG VI, das zukünftig das Stammpersonal für die Gestapo in der Verwaltungseinheit Kalisch[7] bilden sollte. Der Kommandoführer der EK 1 der EG VI SS-Sturmbannführer Gerhard Flesch[8] wurde der erste Leiter der neuen Stapostelle in Lodsch[9]. Die Dienststelle richtete sich in dem beschlagnahmten Gebäudekomplex in der Anstadt Allee 1–7 (Gardestraße 1–7) ein. Offiziell erfolgte die Einsetzung der Dienststelle der Stapo Litzmannstadt und anderer Dienststellen durch eine Verfügung von Heinrich Himmler am 9. November 1939. Im Frühjahr 1940 erreichte die Mannschaftsstärke der Dienststelle etwa 200 Mitarbeiter/innen ohne V-Leute und andere Kollaborateure. Das Personal setzte sich aus Verwaltungs- und Vollzugsbeamten zusammen. Der Führungsstab wurde durch Verwaltungsbeamte gebildet, die Vollzugsbeamten bildeten das ausführende Personal. Das Hilfspersonal leistete die notwendigen Hilfsdienste der Dienstelle: Angestellte des Kriminaldienstes, Personal der Fernschreibstelle, Büropersonal, Kraftfahrer und Handwerker. In der Gruppe des Büropersonals wurden hauptsächlich weibliche Hilfskräfte eingesetzt: Schreibkräfte und Telefonistinnen.

Karl Gans wurde erster kommissarischer Leiter[10] der Stapo Litzmannstadt, wobei er die ausführende Funktion der Einrichtung des Ghettos in Litzmannstadt übernahm.[11] Mit einem Erlass vom 28. November 1939 wurde SS-Hauptsturmführer Dr. Robert Schefe[12] neuer Leiter der Stapo Lodsch, da im Spätherbst 1939 Gerhard Flesch nach Erfurt abkommandiert wurde. Schefe hatte vorher das EK 2 der EG V kommandiert. Schefe wurde Ende Januar 1942 zum Reichssicherheitshauptamt (RSHA) versetzt. Da sich die Neubesetzung des Leiters der Stapostelle verzögerte, führte der bisherige Stellvertreter von Schefe, SS-Sturmbannführer (SS-Nr. 320543) Herbert Weygandt (* 21. Juli 1906 in Berlin) die Dienststelle von Oktober 1941 bis 26. April 1942.[13]

Dann übernahm SS-Sturmbannführer Dr. Otto Badfisch[14] die Leitung in Litzmannstadt bis Anfang Januar 1945. Die Dienststelle der Stapo Litzmannstadt beendete mit der Flucht der Angehörigen am 16. Januar 1945 ihr Bestehen.

Der Stapo Litzmannstadt gehörten seit April 1943 noch die Außenstellen (Ast) Kalisch, Lentschütz[15], Ostrow[16] und Schieratz[17] an. Weiterhin waren das Grenzpolizei-Kommissariat Welungen (GPK Welungen)[18] und der Grenzpolizeiposten Litzmannstadt unterstellt.

Die Stapo Litzmannstadt verwaltete seit Anfang Dezember 1942 weiterhin das Jugendlager in der Przemyslowa-Straße 72 und das Arbeitserziehungslager (AEL) für Erwachsene[19] seit dem 12. März 1943.

Die Stapo Litzmannstadt selber wurde dem Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD (IdS) im Warthegau[20] SS-Standartenführer Ernst Damzog[21] unterstellt, der in der Staatspolizeileitstelle Posen[22] seine Dienststelle hatte.

Im Oktober 1943 wurde die Staatspolizeistelle Hohensalza[23] aufgelöst und der Zuständigkeit der Stapo Litzmannstadt zugeordnet. Dadurch erweiterte sich die Außenstellen (Ast) der Stapo Litzmannstadt noch um die Ast Leslau[24] und die Ast Konin[25]. Damit erreichte die Mannschaftsstärke im Frühjahr 1944 der Ast der Stapo Litzmannstadt etwa die gleiche Zahl wie in der Zentrale in Litzmannstadt.

Gliederung der Stapo Litzmannstadt[Bearbeiten]

Miroslaw Cyganski fand bei seinen Recherchen zur Stapo Litzmannstadt im Zentralarchiv des polnischen Innenministeriums in Warschau Akten zum blatt von 1941 - 1944 der Stapo Kitzmannstadt und den Geschäftsverteilungsplan.[26] Die Gliederung richtete sich nach den der anderen NS-Behörden und bestand aus vier Abteilungen, die hier aber nicht vollständig angeführt werden:

  • Abteilung I: Personal
    • Referat I A1: allgemeine Personal- und Organisationsfragen
    • Referat I A2a: Ernennungen, Beförderungen und Entlassungen der Angehörigen
    • Referat I A2b: Personalfragen der unteren Angestellten
    • Referat I A5: Sicherheitsdienst
    • Referat I A6: Versorgung der Beamten und Angestellten
    • Referat I B: Erziehung und Schulung des Personals
  • Abteilung II: Haushalt und Wirtschaft
    • Referat II A1: Rechnungswesen und Haushalt
    • Referat II A2: Besoldung und Versorgung des Personals
    • Referat II B1: Gebäude- und Wohnungsfragen sowie Luftschutz
    • Referat II B2: Uniformen und Ausrüstung des Personals
    • Referat II C1: Versorgung mit Geräten für die Polizei und des Gefängnisses
    • Referat II C2: Telefon und Fernschreiber
    • Referat II C3: Transportmittel
    • Referat II C4: Waffen
  • Abteilung III: Innere Angelegenheiten der besetzen Gebiete
    • Referat III A: Justiz und Verwaltung
    • Referat III B: Volkssturm
    • Referat III C: Kultur
    • Referat III D: Wirtschaft
  • Abteilung IV: Abteilung Gegner – Ermittlung und Bekämpfung
    Diese Abteilung befasste sich mit dem Kampf gegen die Widerstandsbewegung, Kirchen- und Bekenntnisfragen sowie Angelegenheiten des Ghettos in Litzmannstadt[27].
    • Referat IV A 1: Widerstandsbewegung
      • Sektion II A (vorher II K): Kampf gegen kommunistische und linke Widerstandsgruppen
    • Referat IV 1b: rechte Widerstandsgruppen
    • Referat IV 1c: Fremdarbeiter
    • Referat IV 2: Kampf gegen Sabotage
      • Sektionen: Schutz vor Anschlägen und Gegenaktionen
    • Referat IV 3: Spionage-Abwehr
      • Sektion IV 3a: eigentliche Abwehr
      • Sektion IV 3b: Schutz der Industriebetriebe
      • Sektion IV 3b: Grenzangelegenheiten
    • Refearat IV: Weltanschauung der Gegner
      • Sektion IV 4a: Angelegenheiten der Kirchen
      • Sektion IV 4b: jüdischen Angelegenheiten
    • Referat IV 5: Sonderaufträge (Deutsche Volksliste[28], Nationalitätsfragen, Fragen des Bürgerrechts, Aufsicht über Stellen der NSDAP und der Presse)
    • Referat IV 6: Kartei- und Aktenführung und Arrestfragen der Häftlinge der Gestapo in der Zentrale in der Anstadtstraße
    • Referat IV N: Nachrichtensammelstelle

Das Standgericht der Stapo Litzmannstadt wurde vom Leiter der Dienststelle als Vorsitzenden des Gerichts und zwei vom Vorsitzenden ernannten Beisitzern gebildet.

Mit dem Erlass des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD vom 17. August 1944 wurden die Dienststellen der Gestapo und der Kriminalpolizei (Kripo) auf Anordnung von Heinrich Himmler zusammengelegt und die neue Dienststelle wurde die Abteilung IV Kommandantur der Sicherheitspolizei Litzmannstadt genannt. Die Kripo behielt allerdings ihren Sitz in Litzmannstadt in der Kilinski-Straße 152 bei und damit faktisch ihre organisatorische Selbständigkeit. Operativ arbeitete die Kripo allerdings von Anfang an mit der Gestapo zusammen. Leiter der gemeinsamen Kommandantur war demgemäß der Leiter der Gestapo Bradfisch.

Weiteres Personal des Führungsstabs[Bearbeiten]

Stellvertreter von Robert Schefe[29][Bearbeiten]

  • SS-Obersturmbannführer Hermann Ebert (SS-Nr. 122469)[30] (* 13. Dezember 1911 in Leipzig)
  • SS-Hauptsturmführer Eduard Bornes[31], Leiter der Abteilung I 1939–1943
  • SS-Sturmbannführer (SS-Nr. 353240) Albrecht-Joachim Kuke (* 24. März 1908 in Kolberg), Leiter der Abteilung IV 1943-1944. Vertrat Bradfisch von Oktober/November 1943 bis Januar 1945[32]
  • SS-Sturmbannführer Dr. Alfons Rosse (* 14. Juni 1905 in Cilli/Steiermark), vertrat Bradfisch von September 1942 bis November 1943[33]
  • Hans Schäfer (* 30. Juli 1913), Kriminalkommissar, 1943 im Referat politische Opposition, 1944 im Refarat IV 5 für Sonderfälle
  • Helmut Laue, Kriminalkommissar, Mitarbeiter von Jürgen von Tesmar
  • Eduard Bayer, Kriminalsekretär, im Referat IV N von 1943 bis 1844

Verschiedene Angehörige der Stapo-Stelle[Bearbeiten]

  • Kurt Lenk (* 27. November 1899 in Freiburg), vorher bei Staatspolizeistelle Reichenberg
  • Edwin Thiel (* 28. Juni 1907 in Altfelde), in Abteilung I als Chef, vorher Staatspolizeistelle Königsberg, ein Chef der Personalabteilung
  • Fritz Ergezinger (* 18. August 1910 in Halle), Inspektor, vorher Staatspolizeileitstelle München
  • Franz Tormann (* 14. November 1910 in Olkenbach), Kriminalkommissar und SS-Obersturmführer (SS-Nr. 290924), Referatsleiter in Abteilung IV: Kampf gegen Sabotage, vorher bei der Staatspolizeistelle Köln
  • Kriminalrat Jürgen von Tesmar (* 7. August 1907 in Borkow; 1945 verschollen), Leiter der Abteilung III, im Jahre 1944 Leiter des Referats Kampf gegen Sabotage (Abteilung IV).[34], Nachfolger von Oskar Hein.
  • Erwin Kautter (* 6. August 1899 in Dürweiler), SS-Hauptsturmführer (SS-Nr. 34621) und Kriminalkommissar, vorher bei der Staatspolizeistelle Neustadt/ Weinstraße, Referatsleiter in Abteilung IV: Kampf gegen die Opposition
  • Günter Fuchs (SS-Mitglied) (* 23. Juni 1911 in Breslau), SS-Hauptsturmführer (SS-Nr. 459844) und Kriminalkommissar, vorher bei der Staatspolizeileitstelle Berlin, Referatsleiter IV 4b: jüdische Angelegenheiten
  • Gerhard Müller (* 1. August 1910 in Greiffenhagen/Pormmern; am 16. Januar 1957 für tot erklärt), Kriminalkommissar, ab Januar 1944 Nachfolger von Günter Fuchs im Referat Judenangelegenheiten[35][36]
  • Inspektor Wilhelm Becker, Leiter des Arbeitslagers in Sikawa von Oktober 1943 bis 1945
  • Inspektor Otto Grunow, Leiter des Jugendverwahrlagers in Lodz während der ganzen Besatzungszeit, vorher bei der Gestapo Warschau
  • Albert Richter (24. Oktober 1897 in Reudnitz/ Kreis Graz; gestorben nach 1975), Kriminal-Oberassistent, Stellvertreter von Günter Fuchs und Leiter der Stapo im Ghetto Litzmannstadt[37]
  • Franz Walden (* 28. April 1904 in Usch/Colmar), SS-Scharführer und Kriminal-Obersekretär, Stellvertreter von Günter Fuchs[38]
  • Hans Gerloff, SS-Oberscharführer, Angehöriger des Referats IV B 4
  • Wilhelm Wiessner, Angehöriger des Referats IV B 4[39]
  • Walter Rossbach, Angehöriger des Referats IV B 4[39]
  • Alfred Schmidt, Angehöriger des Referats IV B 4[39]
  • Wilhelm Schwan, Angehöriger des Referats IV B 4[39]
  • Ludwig Neumann, Kriminalkommissar im Referat Kampf gegen die Opposition, Sektion Kampf gegen den Kommunismus
  • Karl Schmidt (* 5. Januar 1907 in Sitzmannsdorf/Kreis Ohlau bei Breslau; 1960 durch das Amtsgericht Hameln für tot erklärt), Kriminalsekretär und Angehöriger eines Sonderkommandos
  • Alfred Stromberg (* 25. September 1908 in Janhowitz/Ratibor), SS-Hauptscharführer und Krimnalassistent, Mitarbeiter im Referat von Günter Fuchs, im Jahre 1941 noch mit Name Alfred Stromberg Strzybny genannt.
  • Walter Karel (* 22. September 1905 in Wien), Kriminalassistent im Referat IV B 4 - Judenangelegenheiten
  • Rudolf Kaufmann (* 14. August 1912 in Neustadt/Weinstraße - August 1945 in Halle), SS-Scharführer
  • Willi Schönrogge (* 6. Juni 1897 in Schleswig), SS-Obersturmführer und Leiter der Stapo-Ast Kalisch
  • Heinrich Nolte (* 20. Juni 1906 in Rheine; Hinrichtung am 15. März 1948) Kriminal-Obersekretär und Vertreter von Schönrogge in Kalisch[40]
  • Albrecht Giebelhausen, Kriminalpolizeisekretär in Abteilung IV der Stapo Litzmannstadt
  • Wilhelm Kondritz, Kriminalpolizeiassistent in der Abteilung IV der Stapo Litzmannstadt
  • Hans Tamm, Kriminalpolzeiassistent in der Abteilung IV der Stapo Litzmannstatdt
  • Helmut Georg Krizons (* 11. März 1910 in Schalen/Tilsit), SS-Oberscharführer und Kriminalassistent, Mitarbeiter von Günter Fuchs im Ghetto Litzmannstadt[41]
  • Walter Karel (* 22. September 1905 in Wien), Kriminalangestellter, Mitarbeiter von Günter Fuschs im Getto Litzmannstadt[42]
  • Eberhard Fehling (* 20. Januar 1907 in Schweidnitz), SS-Oberscharführer und Kriminalassistent in der Abteilung II B der Stapo Litzmannstadt
  • Alfred Grossmann (* 10. September 1899 in Zarkau / Kreis Klokau), SS-Untersturmführer und Kriminalassistent, Leiter der Außenstelle (Ast) Welungen bis 1943
  • Robert Bach (* 28. Januar 1910 in Frankfurt/Main), Gestapo der Ast Welungen
  • Hermann Werner (* 7. März 1899 in Heringen[43]; verschollen Februar 1945); SS-Untersturmführer (SS-Nr. 44926), in der Ast Lentschütz
  • Albert Plate (* 31. Dezember 1903 in Rüstringen; gefallen am 4. Oktober 1944), SS-Untersturmführer[44], kommandiert zum "Sonderkommando Kulmhof"[45]
  • Herbert Hieke-Richter, SS-Scharführer und Kriminalassistent, kommandiert zum „Sonderkommando Kulmhof“
  • Oskar Hein, Kriminalkommissar und SS-Hauptsturmführer (SS-Nr. 375230) von September 1939 bis April 1940
  • Paul Blobel, SS-Standartenführer (SS-Nr. 29100). Anfang Februar 1943 bei der Stapo Litzmannstadt[46]
  • Karl Stier, Angehöriger der Stapo Litzmannstadt
  • Glöckner, Angehöriger der Stapo Litzmannstadt
  • Willy Zukriegel, Angehöriger der Stapo Litzmannstadt
  • Erwin Russ (Reiss), Mitarbeiter von Günter Fuchs[47][39]
  • Gustav Schultz, Inspektor, Leiter der III. Abteilung 1943
  • Reinhold Leskow, stellvertretender Inspektor in der Personalabtelung von 1943 bis 1944
  • Alfred Settelmeier, Polizeirat, Leiter der Personal- und Wirtschaftsabteilung von 1943 bis 1944[48]
  • Heinrich Iborg, Inspekor, Abteilung Personal 1943 - 1944
  • Bernhard Johann Eickmayer, Angehöriger der Stapo Litzmannstadt
  • Ludwig Sievers, SS-Hauptsturmführer, Angehöriger der Stapo Litzmannstadt
  • Erwin Gerhard Stabenau, SS-Hauptsturmführer, Angehöriger der Stapo Litzmannstadt
  • Wlhelm Mathes (* 18. Dezember 1888 in Kiel), Kriminalsekretär, Angehöriger der Stapo Litzmannstadt
  • Gerhard Hinz (* 12. April 1907 in Kiel), Kriminalsekretär, Angehöriger der Stapo Litzmannstadt
  • Fritz Jentsch, Angehöriger der Stapo Litzmannstadt

Dienststelle der Stapo Litzmannstadt[Bearbeiten]

Am 26. Oktober 1939 wurde der Reichsgau Posen[49], der am 29. Januar 1940[50] in Reichsgau Wartheland umbenannt wurde gem. (RGBl. I 1940, S. 251), in dem Litzmannstadt lag, vom Deutschen Reich völkerrechtswidrig annektiert. Das Wartheland sollte entsprechend der NS-Politik in einen „Mustergau“ verwandelt werden. Die Zeitschrift „Der Deutsche Volkswirt“ berichtete in seiner Ausgabe vom 31. Oktober 1941 unter dem Titel „Deutschlands jüngste Großstadt“:

„Durch die Eingliederung des Warthelandes erhielt Deutschland in Litzmannstadt, dem ehemaligen Lodz, seine jüngste Großstadt. Mit 700 000 Einwohnern stellt diese Siedlung nicht nur eine bedeutende Menschenansammlung dar, sondern auch einen Wirtschaftsfaktor ersten Ranges für den Ostgau wie überhaupt für den weiteren Osten. Was übernommen wurde, war eine Großstadt mit stark jüdischem Einschlag und ganz anders gearteten politischen, rassischen, kuturellen und wirtschaftlichen Gegebenheiten, als sie in Mittel- und Westeuropa zu finden sind. …

Das neue Litzmannstadt soll dagegen nicht nur nach dem Westen und Osten, sondern auch nach dem Süden gegen Breslau und nach dem Norden gegen Danzig und nach dem Südosten gegen Odessa durch Reichsautobahnen verbunden sein, die sich am Rande der Stadt kreuzen werden. Damit gedenkt man Litzmannstadt zum wichtigsten Ausfalltor des Reichs nach dem neuen Osten zu machen.“[51]

Als erste Maßnahme, Litzmannstadt in eine Stadt nach NS-Vorstellungen zu verwandeln, wurde mit einer Polizeiverordnung vom 12. Februar 1940 in den Armenvierteln der Stadt ein Ghetto eingerichtet, wo auf einer Fläche von 4,13 Quadratkilometern etwa 160.000 Menschen zusammengepfercht wurden. Damit wollte man die jüdische Bevölkerung aus dem Stadtbild entfernen[52]. Das Ghetto sollte vorerst ein Provosorium werden, blieb aber bis Herbst 1944 bestehen. Die Stapo Litzmannstatdt bestimmte durch Befehl die Grenzen und Verkehrsbestimmungen zum Ghetto. Aus dem Provisorium wurde ein Dauerzustand mit immer größerem Elend für die Ghettoinsassen, denn vom 15. Oktober bis 11. November kamen in 20 Zügen weitere deportierte Juden aus dem Reichsgebiet ins Ghetto von Litzmannstadt. Weiterhin wurden in fünf Zügen „Zigeuner“ in ein Nebenlager zum Ghetto gebracht.[53]

Neben der deutschen Kriminalpolizei, der jüdischen Polizei und einem jüdischen Ordnungsdienst gab es einen Posten der Stapo Litzmannstat im Ghetto. Die Stapo war für alle politischen Delikte im Ghetto zuständig. Diese Annahme wurde aber von den Umständen im Ghetto nicht eingehalten. Im Herbst 1940 wurde von der Ghettoverwaltung in Einvernahme mit anderen Stellen beschlossen, die Ghettobewohner auf dem Niveau einer „Gefängniskost“ zu ernähren, wobei allerdings noch weitere Bedingungen erfüllt sein mussten.[54] So sollten die Juden durch Abgabe ihrer Wertsachen einen Teil der Kosten für die Ernährung aufbringen. Dafür wurde neben der Kriminalpolizei die Gestapo für die Einziehung der Wertsachen eingesetzt.

Auch die im großen Stil einsetzende Arbeit zum Zwecke der Industrialisierung des Ghettos konnte nicht hinreichend Nahrungsmittel für die Ghettobewohner bereit stellen. So setzte über die Grenzen des Ghettos ein Schmuggeln von Lebensmitteln in Ghetto ein. Als Ende Oktober 1942 zehn Frauen deshalb gefasst wurden, bestand die Gestapo darauf, sie nicht der Gerichtsbarkeit im Ghetto zu unterwerfen. Die Frauen mussten an die Gestapo ausgeliefert werden.[55] Die Gestapo entschied auch Fälle der Kriminalität, die nach der Ansicht der Gestapo nicht mehr durch die Gerichtsbarkeit im Ghetto verfolgt werden sollten. Die so ausgelieferten Bewohner wurden dann meistens in ein KZ deportiert.

Anfang März 1942 beschwerte sich der Gestapo-Referent Günter Fuchs bei dem Verwalter des Ghettos, Hans Biebow[56], dass die Bewohner des Ghettos „viel zu gut ernährt“ würden. Biebow antwortete Fuchs am 4. März 1942 in einer ausführlichen Entgegnung, u.a.:

„Die Ansicht, dass die Ghettobevölkerung besser ernährt wird als vertretbar, muss als abwegig und irrig bezeichnet werden. Im Jahr 1940 wurde Verpflegung in Höhe von Gefängnissätzen für rund 200 000 Juden gegeben.

Die Ernährung liegt seit über einem Jahr unter den an sich zugebilligten Sätzen für Strafgefangene. Niemand kann die Behauptung aufstellen, dass die Ghettobewohner von den ihnen zugewiesenen Lebensmitteln auf die Dauer arbeitseinsatzfähig bleiben. Und zwar deshalb sinkt der Gesundheitszustand der Juden täglich weiter ab.“[57]

Als Otto Bradfisch die Leitung der Stapo Litzmannstadt im April 1942 übernahm, hatte er mit den Einsatzkommandos in den besetzten Gebieten der Sowjetunion die Brutalität gegen Zivilisten ausgeübt. In Litzmannstadt verschärfte er mit seinem Amtsantritt die Maßnahmen vor allem für den Zugangsverkehr zum Ghetto. Dieser Diensteifer war wohl auch der Grund, weshalb er im Juni 1943 zum kommissarischen Oberbürgermeister von Litzmannstadt ernannt wurde. Aber der in April bis Mai 1943 stattgefundene Aufstand im Warschauer Ghetto[58] kann einen Einfluss ausgeübt haben, Bradfisch zu ernennen. Unter seinem Kommando fanden auch 1944 die Deportationen aus dem Ghetto in das Vernichtungslager Kulmhof[59] statt.

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Klaus-Michael Mallmann: „…Durch ein schnell wirkendes Mittel zu erledigen“ - Die Stapo-Stelle Litzmannstadt und die Shoa im Warthegau. In: Jacek Andrzej Młynarczyk, Jochen Böhler (Hrsg.): Der Judenmord in den eingegliederten polnischen Gebieten 1939–1945 (= Deutsches Historisches Institut Warschau: Einzelveröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Warschau. Nr. 21). Osnabrück 2010, ISBN 978-3-938400-51-7, S. 143–146.
  2. Miroslaw Cyganski gibt abweichende Angaben an. Demnach zogen am 11. September 1938 Einheiten der EG II und EG III in Lodz ein, siehe: Miroslaw Cyganski: Die Geheime Staatspolizeistelle in Lodz 1939-1944 und die hinterlassenden Akten. In: Archivmitteilungen. Heft 4 des Jg. XVII, 1967, ISSN 0004-038X, S. 149–155.
  3. Hans Fischer
  4. Fritz Liphardt
  5. Wilhelm Scharpwinkel
  6. Der Name leitet sich nach dem deutschen General Karl Litzmann (siehe Karl Litzmann in der deutschsprachigen Wikipedia) ab: siehe: Gerda Zorn: "Nach Ostland geht unser Ritt": Deutsche Eroberungspolitik und deren Folgen. Das Beispiel Lodz. 2. Auflage. Köln 1988, ISBN 978-3-87682-841-1, S. 62 (213 S.).
  7. Landkreis Kalisch
  8. Gerhard Flesch
  9. Klaus-Michael Mallmann: „…Durch ein schnell wirkendes Mittel zu erledigen“ - Die Stapo-Stelle Litzmannstadt und die Shoa im Warthegau. In: Jacek Andrzej Młynarczyk, Jochen Böhler (Hrsg.): Der Judenmord in den eingegliederten polnischen Gebieten 1939–1945 (= Deutsches Historisches Institut Warschau: Einzelveröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Warschau. Nr. 21). Osnabrück 2010, ISBN 978-3-938400-51-7, S. 146.
  10. Da in den bisherigen Quellen kein Zeitraum für seine Funktion als Leiter der neu errichteten Stapo zu finden ist, aber andererseits er am Aufbau des Ghettos von Lodz (Lodsch) beteiligt war, ist er wohl der Nachfolger von Gerhard Flesch gewesen
  11. Michael Alberti: Die Verfolgung und Vernichtung der Juden im Reichsgau Wartheland 1939-1945. Wiesbaden 2006, S. 149.
  12. Robert Schefe
  13. Adolf Diamant gibt an, dass Weygandt von September 1941 bis September 1942 die kommissarische Leitung der Stapo Litzmannstdt übernahm, in: Adolf Diamant: Getto Litzmannstadt: Bilanz eines nationalsozialistischen Verbrechens; mit Deportations- u. Totenlisten der aus dem Altreich stammenden Juden. Frankfurt 1986, S. 176 (411 S.).
  14. Otto Bradfisch
  15. Lentschütz
  16. Ostrowo
  17. Schieratz
  18. Welungen
  19. Arbeitserziehungslager Litzmannstatdt
  20. Warthegau
  21. Ernst Damzog
  22. Posen
  23. Hohensalza
  24. Leslau
  25. Konin
  26. Miroslaw Cyganski: Die Geheime Staatspolizeistelle in Lodz 1939-1944 und die hinterlassenden Akten. In: Archivmitteilungen. Heft 4 des Jg. XVII, 1967, ISSN 0004-038X, S. 149–155.
  27. Ghetto Litzmannstadt
  28. Deutsche Volksliste
  29. Miroslaw Cyganski: Die Geheime Staatspolizeistelle in Lodz 1939–1944 und die hinterlassenden Akten. In: Archivmitteilungen. Heft 4 des Jg. XVII, 1967, ISSN 0004-038X, S. 151.
  30. Hermann Ebert
  31. Eduard Bornes mit Bild
  32. Gerda Zorn: "Nach Ostland geht unser Ritt": Deutsche Eroberungspolitik und deren Folgen. Das Beispiel Lodz. 2. Auflage. Köln 1988, ISBN 978-3-87682-841-1, S. 208 (213 S.).
  33. Adolf Diamant: Getto Litzmannstadt: Bilanz eines nationalsozialistischen Verbrechens; mit Deportations- und Totenlisten der aus dem Altreich stammenden Juden. Frankfurt 1986, S. 174 (411 S.).
  34. Messing: Ist kein Haifisch. In: Der Spiegel. Nr. 35, 1950, S. 10–15, hier: S. 12 (online31. August 1950).
  35. Sascha Feuchert, Erwien Leibfried, Jörg Riecke (Hrsg.): Letzte Tage: die Łódzer Getto-Chronik Juni/Juli 1944. Wallstein-Verlag, Göttingen 2004, ISBN 978-3-89244-801-3, S. 205, FN 29.
  36. Miroslaw Cyganski schreibt Otto Müller; siehe Miroslaw Cyganski: Die Geheime Staatspolizeistelle in Lodz 1939-1944 und die hinterlassenden Akten. In: Archivmitteilungen. Heft 4 des Jg. XVII, 1967, ISSN 0004-038X, S. 152.
  37. Michael Alberti: Die Verfolgung und Vernichtung der Juden im Reichsgau Wartheland 1939-1945. Wiesbaden 2006, S. 176.
  38. Shmuel Krakowski: Das Todeslager Chełmno, Kulmhof: der Beginn der "Endlösung". Wallstein-Verlag, Göttingen 2007, ISBN 978-3-8353-0222-8, S. 52 (236 S.).
  39. 39,0 39,1 39,2 39,3 39,4 Shmuel Krakowski: Das Todeslager Chełmno, Kulmhof: der Beginn der "Endlösung". Wallstein-Verlag, Göttingen 2007, ISBN 978-3-8353-0222-8, S. 209 (236 S.).
  40. Heinrich Nolte
  41. Jüdisches Historisches Institut Warschau (Hrsg.): Faschismus, Getto, Massenmord: Dokumentation über Ausrottung und Widerstand der Juden in Polen während des 2. Weltkrieges. 2. Auflage. Berlin 1961, S. 288 (allerdings inkorrekt als „Krysson“).
  42. Peter Klein: Die "Gettoverwaltung Litzmannstadt" 1940 bis 1944: eine Dienststelle im Spannungsfeld von Kommunalbürokratie und staatlicher Verfolgungspolitik. Hamburger Edition, Hamburg 2009, ISBN 978-3-86854-203-5, S. 544 (683 S.).
  43. Heringen
  44. Chelmno
  45. Vernichtungslager Kulmhof
  46. Jüdisches Historisches Institut Warschau (Hrsg.): Faschismus, Getto, Massenmord: Dokumentation über Ausrottung und Widerstand der Juden in Polen während des 2. Weltkrieges. 2. Auflage. Berlin 1961, S. 283 (wo es sich um die Lieferung eines Dieselmotors für Zwecke des Sonderkommandos Kulmhof handelt).
  47. Gerda Zorn: "Nach Ostland geht unser Ritt": Deutsche Eroberungspolitik und deren Folgen. Das Beispiel Lodz. 2. Auflage. Köln 1988, ISBN 978-3-87682-841-1, S. 207 (213 S.).
  48. Miroslaw Cyganski: Die Geheime Staatspolizeistelle in Lodz 1939-1944 und die hinterlassenden Akten. In: Archivmitteilungen. Heft 4 des Jg. XVII, 1967, ISSN 0004-038X, S. 22.
  49. Reichsgau Wartheland in der deutschsprachigen Wikipedia
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