Rüstung "alla Romana" Erzherzog Ferdinand II. von Tirol

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Die Rüstung "alla Romana" Erzherzog Ferdinand II. von Tirol ist eine italienische Rüstung für Mann und Ross, die von Giovanni Paolo Negroli um 1545-1550 für Ferdinand II. gefertigt wurde.

Beschreibung[Bearbeiten]

Die Rüstung "alla Romana" Erzherzog Ferdinand II. von Tirol besteht aus einer Rüstung für Reiter und einem Rossharnisch. Der Harnisch bei Reiter und Pferd besteht aus einer Mischung von Ketten- und Plattenrüstung.

Der Harnisch des Reiters besteht aus einer getriebenen Sturmhaube, einem Kettenhemd, Schulterpanzer (Achseln) aus Plattenpanzer, Kniepanzer aus Plattenpanzerung, hohe Stiefel aus Kettengewebe und Zehenkappen aus Plattenpanzer. Der Rossharnisch besteht ebenfalls aus Kettenpanzerung, dazu gehört ein mit Platten gepanzerter Sattel und ein ebenfalls aus Plattenpanzerung bestehende Rossstirn. Die Rüstungsgarnitur wird durch einen Säbel und ein Paar Sporen sowie das Zaumzeug ergänzt.

Die Bestandteile der ausgetriebenen Plattenpanzerteile sind in unterschiedlicher Qualität gearbeitet, warum ist nicht sicher belegt. Der Helm ist aus einem Stück getrieben und mit einem angesetzten Augenschild versehen. Die Wangenklappen sind mit einem Scharnier angesetzt und mit der Helmkalotte verbunden. Am Hinterkopf ist eine Hülse die als Helmbuschhalter dient angesetzt und durch drei Nieten befestigt. Die Oberfläche ist mit ausgetriebenen Verzierungen versehen. Alle erhobenen Dekorationen sind vergoldet, der Hintergrund ist schwarz eingefärbt. Der Rand des Helmes ist umgeschlagen und in Seilform gearbeitet (geseilt). Der Helm ist am vorderen- und hinteren Ende spitz zulaufend und vom Augenschirm zum Hinterkopf hin stufenförmig. Der Helmkamm ist in der Form eines Krebspanzers geformt und stellt den Körper einer Fantasiefigur dar, der weiter vorn ohne Kopf endet. Der Kopf der Figur war an die Helmkalotte angenietet wie zwei Nietlöcher zeigen und ist heute nicht mehr erhalten. An beiden Seiten des Körpers der Figur sind Blattornamente angebracht. Die Wangenklappen sind mit Blätterranken verziert. Auf der Helmvorderseite ist eine große, von Blattornamenten umrahmte Maske mit einem ausdruckstarken Gesicht einer Fantasiefigur angenietet. Die Zähne der abgebildeten Figur sind versilbert, Augen, Nüstern, Zunge und Mund zeigen Reste einer roten, durchscheinenden Lackierung. Der Rand des Augenschirmes ist umlaufend seilförmig gestaltet.

Das Kettenhemd ist in der Art einer antikisierten römischen Rüstung gestaltet. Die Ärmel sind separat angesetzt und reichen bis zu den Ellbogen. Am vorderen- und hinteren, unteren Ende sind zwei Reihen römischer Pteryges angebracht. Der Verschluß des Kettenhemdes ist auf der linken Körperseite angebracht. Das Hemd ist an der ganzen Seite und an der Schulter offen und kann dort mit Lederbändern verschlossen werden. Das Ringeflecht der Panzerung ist mit sehr feinen Ringen ausgeführt, bei der jeder Ring einen Durchmesser von nur 3mm hat. Ein Teil der Ringe ist möglicherweise verzinnt, um einen farblichen Kontrast für die als Musterung eingesetzten Messingringe zu dienen, die überwiegend als Guilloche-Ornament gestaltet sind. Ein Teil der Messingringe bildet ein eigenständiges, quadratisches Muster um die Halsöffnung auf der Vorder- und Rückseite. Eine Eigenheit die an nachgeahmten, klassischen Rüstungen oft zu finden ist.

Die Schulterpanzer sind an das Kettenhemd angeschnürt und als barttragende Masken ausgetrieben. Die Zähne des Oberkiefers bilden den unteren Rand der Achseln. Die Augen und Nüstern sind wie beim Helm mit roter Farbe lackiert, die Zähne versilbert. Am unteren Rand sind wieder Pteryges angebracht.

Die Kniepanzer waren ursprünglich auf einer enganliegenden Stoffhose aufgenäht, die zur Ausstellung im Museum nachgearbeitet wurde und im Orginal nicht erhalten ist. Der linke Kniepanzer ist eine Rekonstruktion, die im 19. Jahrhundert erstellt wurde und im Orginal nicht mehr erhalten ist. Die Kniepanzer sind verhältnismäßig klein und ohne Kacheln gearbeitet. Auf der Vorderseite sind die Gesichter von Löwen und Blätterrollen ausgetrieben und vergoldet. Augen und Mund sind rot lackiert, der Hintergrund ist geschwärzt und die Ränder vergoldet und seilförmig.

Die Kettenpanzerstiefel sind in der gleichen Art gearbeitet wie das Kettenhemd, wobei auch das Muster aus den Messingringen beibehalten wurde. Am oberen Stiefelrand sind dreieckige Fransen ausgearbeitet und die Stiefel sind mit einer Sohle aus Leder versehen. Die Zehenkappen sind in der Form menschlicher Zehen ausgetrieben, was dem Erscheinungsbild der römischen Sandalen (Caligae) nahekommen sollte.

Der Rossharnisch besteht im gesamten aus Kettenpanzerung. Er ist in zwei Teilen gearbeitet, das erste Teil besteht aus dem Crinet und dem Fürbug, die zusammenhängend sind, der zweite Teil besteht aus den Seitenpanzern und dem Krupper. Der hintere Teil ist mit dem gleichen Eisen/Messingmuster versehen wie die Rüstung des Reiters. Am unteren Rand sind wiederum dreieckige Fransen ausgearbeitet, die um den gesamten unteren Rand des Rossharnischs laufen. Die Satteldecke besteht ebenfalls aus Kettengeflecht und ist passend zu den anderen Teilen in dem verschiedenen Metallen ausgeführt und mit dem Guilloche-Muster verziert. An den hinteren, unteren Ecken ist das Wappen Österreichs, das sogenannte Bindenschild eingearbeitet. Der Crinèt ist an der Unterseite, an den Rändern so gearbeitet, das er einer Pferdemähne gleicht. Die Plattenpanzer des Sattels sind mit Blattornamenten, Masken und Tierfiguren graviert und zum Teil vergoldet. Am Vordersattel sind drei dieser Platten angebracht, am hinteren zwei. Die Rossstirn besteht aus zehn Einzelplatten, die zur Panzerstirn zusammengefügt sind. Auf dem mittleren Teil ist ein Gesicht einer Fantasiekreatur ausgetrieben, ähnlich der Darstellung auf dem Helm. Das Maul ist aufgerissen und über und unterhalb des Gesichtes sind Blattornamente ausgearbeitet. Auf der Stirn des Gesichtes ist ein Stachel angebracht, der eine modernere Fertigung ist. Wann er angefügt wurde ist nicht bekannt. Die Ohren des Gesichtes bilden die Augenschutzvorsprünge der Rossstirn. Die erhobenen Teile des Reliefs sind vergoldet, der Hintergrund wieder geschwärzt.

Der zugehörende kurze Säbel ist mit eisernem Knauf und Parierstange versehen, die beide graviert und vergoldet sind. Vom Typ her kommt der Säbel eher einem englischen Falchion (ital. auch "Coltelaccio" oder "Storte") gleich. Die Scheide und das Bandelier sind keine Orginale sondern rekonstruierte Nachbauten. Die Wahl des Säbels war genaugenommen ein stilistischer Fehler, da zu den romanisierten Rüstungen eigentlich Klingen verwendet wurden, die den römischen Gladius (mehrzahl "Gladii") nachbildet waren. Die Sporen bestehen aus Eisen und sind ebenfalls graviert und vergoldet.

In der Kienbusch-Sammlung des Philadelphia Museum of Art befindet sich ein Schweifschutz, der diesem Rossharnisch eindeutig zugeordnet werden konnte. Diese Rüstung ist die einzig noch existierende Rüstung für Mann und Ross im "all Antika" oder "all Romana"-Stil die im Orginal noch erhalten ist. Das Ferdinand II. der Eigentümer war ist durch die Unterlagen auf Schloss Ambras in Österreich unzweifelhaft nachweisbar, in denen er 1583 zum ersten mal erwähnt wird. Ebenso das die Rüstung bei mehreren Anlässen von ihm getragen wurde, als er noch Gouverneur von Böhmen war. In diesen Aufzeichnungen, bei denen es sich unter anderem um das Inventarverzeichnis handelt, werden noch andere Rüstteile erwähnt, die aber wohl nicht mehr existieren. Dabei handelt es sich um zwei Paar weitere Panzerstiefel, wovon eines als ein Paar Kettenstiefel, ähnlich dem hier erwähntem, ein anderes als aus Eisen mit angesetzten Sporen, also aus Plattenpanzerung gefertigt beschrieben wird[1].

Inzwischen sind Zweifel aufgekommen, das die Rüstung von Giovanni Paolo Negroli gefertigt wurde. Da vergleichende Arbeiten Negrolis zur Verfügung stehen, wird nach Art der handwerklichen Ausführungen vermutet das verschiedene Mitarbeiter in den Werkstätten Negrolis die Arbeiten ausführten, zumal, wie schon erwähnt, die Ausführung der Rüstungsteile unterschiedlicher Qualität sind[2].

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Stuart W. Pyhrr, Heroic Armor of the Italian Renaissance: Filippo Negroli and his contemporaries, Illustriert von Filippo Negroli, Verlag Metropolitan Museum of Art, 1998, Seite 272-277, ISBN 978-0-87099-872-0
  2. Stuart W. Pyhrr, Heroic Armor of the Italian Renaissance: Filippo Negroli and his contemporaries, Illustriert von Filippo Negroli, Verlag Metropolitan Museum of Art, 1998, Seite 277, ISBN 978-0-87099-872-0

Literatur[Bearbeiten]

  • Bruno Thomas and Ortwin Gamber, “L'arte milanese dell'armatura”, In Storia di Milano: XI. 11 declino spagnolo (1630-1706), pp. 697- 841. Milan: Fondazione Treccani degli Alfieri per la Storia di Milano, 1958
  • Christian Beaufort, Ortwin Gamber, Kunsthistorisches Museum (Wien): Katalog der Leibrüstkammer: Der Zeitraum von 1530-1560, Teil 2,Band 39 von Führer durch das Kunsthistorische Museum, Kunsthistorisches Museum (Wien), Band 2 von Katalog der Leibrüstkammer. Kunsthistorisches Museum, 1990.
  • Roberto Capucci, Christian Beaufort-Spontin, Kunsthistorisches Museum Wien: Roben wie Rüstungen. Das Bundesministerium, 1990, ISBN 978-3-900926-07-6, S.58

Weblinks[Bearbeiten]

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