Lohnsklaverei

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Lohnsklaverei (Kompositum aus „Lohn“ und „Sklaverei“) ist eine marxistische Metapher für degenerierte, atavistische Arbeitsverhältnisse, wie sie in frühkapitalistischen Industriestaaten bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts üblich waren und auch heute noch auf der Welt vorkommen.

Ausbeutung und Rechtlosigkeit[Bearbeiten]

Lohnsklaverei setzt schlecht entlohnte, prekäre Arbeit mit Sklaverei gleich, wobei die Gemeinsamkeit in der Ausbeutung und Rechtlosigkeit der im Arbeitsregime unterworfenen und gefangenen Menschen besteht.

Lohnsklaverei ist gekennzeichnet durch weitgehende Rechtlosigkeit der Arbeitnehmer gegenüber der willkürlichen Ausbeutung durch die über alle Macht verfügenden Arbeitgeber. Ein Indikator für Lohnsklaverei ist u.a. die Höhe des Arbeitslohns, der bei vollständiger Verausgabung der Arbeitskraft den davon abhängigen Menschen bzw. Familien nur ein Leben am Rande des Existenzminimums ermöglicht. Typisch ist auch, dass Arbeitnehmer in der Lohnsklaverei ihren Arbeitslohn teilweise oder sogar gänzlich in Form von Naturalien erhalten. Ohne eigenes Geld bleibt dem zur Arbeit gezwungenen Menschen nur seine Arbeitskraft, die er als Tauschmittel zu Markte trägt, wo er sich den marktbeherrschenden Akteuren sklavisch andient und unterwerfen muss, um irgend eine Lohnarbeit zu erhalten. Nach Erkenntnissen der Volkswirtschaftslehre bemisst sich in der kapitalistischen Marktwirtschaft das Arbeitsentgelt in erster Linie nach dem ökonomischen Nutzen, den die Kapitalisten fordern, und weniger am Arbeitsaufwand und den überlebensnotwendigen Reproduktionsanforderungen der lohnabhängigen Arbeitskräfte. Der Tauschwert der Ware Arbeitskraft hängt im Kapitalismus nicht vom überlebensnotwendigen Reproduktionsaufwand der Arbeiter ab, was ethisch fragwürdig erscheint, aber der inhumanen ökonomischen Marktpraxis entspricht.

Schuldknechtschaft[Bearbeiten]

Lohnsklaverei in Verbindung mit Schuldknechtschaft entsteht, wenn mittellose Arbeitnehmer vor der Arbeitsaufnahme die Kosten zur Ausstattung des Arbeitsplatzes und damit verbundenener Verträge und Versicherungen per Arbeitgeberkredit übernehmen. Während des Arbeitsverhältnisses können Arbeitnehmer damit gezwungen werden, ihre Unterkunft sowie Arbeits- und Lebensmittel als Schuldner vom Arbeitgeber zu beziehen. Dafür wird Arbeitslohn vom Arbeitgeber einbehalten (Company Store System) und das Unternehmen okkupiert die Arbeitskraft der betroffenen Beschäftigten für die Dauer des Schuldverhältnisses vollständig.

Überwindung der Lohnsklaverei[Bearbeiten]

In Preußen wurde die Entlohnung der Arbeit mit Naturalien 1849 verboten, in den 1860er Jahren gab es Fabrikinspektionen, um dieses Verbot durchzusetzen.[1] Gemäß § 107 Gewerbeordnung war es unzulässig, dass ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Waren gegen Ratenzahlung verkauft und die Raten dann vom Arbeitsentgelt abzieht.
Im Industriezeitalter wurden durch gewerkschaftliche und parteipolitische Vereinigungen der Arbeiterklasse Organisationsformen entwickelt und in der Arbeits- und Sozialgesetzgebung Rechte durchgesetzt, die die Verteilung der Arbeitsressourcen und -resultate in institutionalisierten Arbeitskämpfen sozial gerechter und ökonomisch effektiver gestalten. Die Geschichte der Arbeitskämpfe zeigt, dass mit sozial ausgewogenen, rechtsverbindlichen „Arbeitstarifen“ und „beschäftigungsorientierten Arbeitszeitmodellen“[2] Arbeitszeitreduzierungen[3] möglich sind, was zu weniger Arbeitslosigkeit, gerechter Umverteilung der Erwerbsarbeit und humaneren Arbeitsverhältnissen beiträgt.

Literatur (Auswahl)[Bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Hochspringen Wolfram Siemann: Vom Staatenbund zum Nationalstaat: Deutschland 1806–1871 (= Neue Geschichte 7). C.H.Beck, München, 1995, ISBN 3-406-30819-8, S. 183.
    Hermann Beck: The Origins of the Authoritarian Welfare State in Prussia: Conservatives, Bureaucracy, and the Social Question, 1815–70. University of Michigan Press, 1997, ISBN 0-472-08428-3, S. 212.
  2. Hochspringen Eberhard Ulich: Arbeitspsychologie. Stuttgart 2011, S. 640ff.
  3. Hochspringen Oskar Negt: Wozu noch Gewerkschaften? Eine Streitschrift. Steidl Verlag, 2004, ISBN 3-86521-165-8 und Lebendige Arbeit, enteignete Zeit. Politische und kulturelle Dimensionen des Kampfes um die Arbeitszeit. Frankfurt a. M./New York 1984
  4. Hochspringen Vgl. Barbara Ehrenreich: Arbeit poor. Unterwegs in der Dienstleistungsgesellschaft. (Übersetzung Niels Kadritzke), Verlag Antje Kunstmann, München 2001, ISBN 978-3-88897-283-6.


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