Strafurteil wegen des Unterlassens des Hitlergrußes im NS-Regime

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Das Strafurteil wegen des Unterlassens des Hitlergrußes im NS-Regime durch das Amtsgericht Karlsruhe (AG Karlsruhe) vom 19. Mai 1933 stellte heraus, dass der Hitlergruß[1] bei öffentlichen Veranstaltungen eine Verkehrssitte sei. Ein Unterlassen des Hitlergrißes unter den gegebenen Umständen sei deshalb grober Unfug und damit strafbar gewesen. Der Generalstaatsanwalt von Dresden, Dr. Alfred Weber[2], stimmte in einer Anmerkung diesem Urteil zu[3]

Tathergang[Bearbeiten]

Am 8. Mai 1933 wurde in Karlsruhe vor dem Staatsministerium der Reichsstatthalter Robert Wagner in einem öffentlichen Festakt in sein Amt eingeführt. Längs der angrenzenden Straße hatte sich die SA als Abgrenzung aufgestellt. Hinter der SA hatten sich die Bewohner von Karlsruhe versammelt. Am Ende des Festaktes wurde das Deutschland- und danach das Horst-Wessel-Lied[4] gesungen. Beim Absingen des Deutschlandliedes erhoben die Teilnehmer der Versammlung die Hand zum Hitlergruß, nur nicht der Angeklagte.

Mehrere anwesende Personen forderten den Angeklagten auf, die rechte Hand zu erheben. Der Angeklagte weigerte sich nach dem Schriftsatz der Angeklageschrift und meinte: er habe keine Arneit damit. Er soll darauf hin aufgefordert worden sein, wegzugehen. Ein Zeuge der Verhandlung erklärte, er habe dem Angeklagten einen Tritt gegeben. Auch habe er den Angeklagten aufgefordert, die Hand zu heben. Der Angeklagte sei aber dieser Aufforderung nicht nachgekommen.

Damit habe aber bestand nach dem Schriftsatz der Anklage die Gefahr, dass der Angeklagte geschlagen werde. Er wurde daher in Schutzhaft genommen.

Urteil[Bearbeiten]

Nach Auffassung des Gerichts diente die Vorschrift des § 360 Ziffer 11 des Strafgesetzbuches (StGB) dem Schutze der öffentlichen Ordnung: sie sei vielmehr die allgemeine Verkehrssitte, nach der sich die äußeren Beziehungen zu Personen regeln, die nach keiner Richtung einen geschlossenen Kreis bilden. Das Gericht wollte nun prüfen, ob das Nichtmitsinmgen des Deutschland- und Horst-Wessel-Liedes und die Nichterhebung der Hand beim Absingen dieser Lieder ein grober Unfug im Sinne des § 360 Ziff. 11 des StGB war.

In Punkt 1 der Begründung des Urteils kam das Gericht zu der Auffassung:

Grober Unfug ist ein Handeln, das gegen die allgemeine Verkehrssitte in einer Art verstößt, dass es geeignet ist, die Allgemeinheit unmittelbar physisch oder psychisch erheblich zu belöstigen und gleichzeitig den äußeren Bestand der öffentlichen Ordnung zu stören oder zu gefährden.

Als Rechtsargument fürhrte das AG Karlsruhe das Urteil des Bayerischen Oberlandesgerichts vom 3. Januar 1930 an (HöchstRRspr. 1930 Ziffer 1414). Das AG Karlsruhe schränkte allerdings ein, dass es eine allgemeine Formel hierüber sich allerdings nicht aufstellen lasse: Es kommt jeweils auf die Umstände des einzelnen Falles an.

In Punkt 2 der Begründung widemete sich das AG Karlsruhe der Frage, ob es eine verbindliche Verkehrssitte gab, beim Absingen des Deutschland- und des Horst-Wessel-Liedes die rechte Hand zu heben. Dabei kam das Gericht zu zwei Begründungen (es folgt der Originaltext der Veröffentlichung):

a) Es besteht von jeher die Verkehrssitte, bei feierlichen Anlässen das Deutschlandlied mitzusingen. Das Nichtmitsingen wird aber in der Regel nicht als Gefährdung der öffentlichen Ordnung angesehen, das das Nichtmitsingen allgemein verschiedene Gründe haben kann und somit nicht ohne weiteres als ablehnende Haltung gewertet wird.

Das Horst-Wessel-Lied war früher ein Parteikampflied. Mit dem Sieg der nationalen Revolution ist es neben dem Deutschlandlied zum repräsentativen Lied des neuen Staates geworden und hat somit die gleiche Bedeutung gewonnen wie die Hakenkreuzfahne neben Schwarz-Weiß-Rot (siehe Erlass des Reichspräsidenten vom 12. März 1933). Daher muss es jetzt als der Verkehrssitte entsprechend erachtet werden, bei feierlichen Anlässen das Horst-Wessel-Lied mitzusingen. Das Nichtmitsingen ist aber aus den oben angegebenen Gründen im allgemeinen keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung.

b) Das Erheben der Hand zum Hitlergruß war bis vor kurzem ein rein parteimäßiges äußeres Bekenntnis. Nach dem 12. März 1933, an dem wohl die nationale Revolution in Deutschland sich durchgesetzt hatte, ist der Hitlergruß mehr und mehr über die Grenzen der NSDAP hinaus von der deutschen Bevölkerung verschiedenartigster politischer Färbung aufgenommen worden als ein Bekenntnis zum neuen Staat. Er bedeutet jetzt nicht mehr die ZUgehörigkeit zu einer Partei, sondern die Erklärung, die durch die Führung der NSDAP geänderte politische Lage anzuerkennen, zu bejahen und an dem neuen Staate mitzuarbeiten.

In diesem Sinne haben am 1. Mai 1933 vielerorts in Deutchland, so auch in Karlsruhe, alle Schichten der Bevölkerung ohne Rücksicht auf ihre Parteizugehörigkeit vor der Regierung und ihren Vertretern die Hand zum Hitlergruß erhoben. Man hegt daher nicht zu weit, wenn man sagt, dass der Hitlergruß schon einige Wochen nach dem Sieg der nationalen Revolution die repräsentative Form der Bekundung und des Bekenntnisses festlich versammelter Massen zum neuen Staate geworden ist.

Nur insoweit kann man heute schon von einer verbindlichen Verkehrssitte, die Hand zum Hitlergruß zu erheben, sprechen. Nicht immer und überall ist also diese Verkehrssitte zu bejahen, sondern nur bei repräsentativen Anlsässen, Staatsakten und Veranstaltungen, die auf Kundgebung und Bekenntnis zum neuen Staat und seinen Führern angelegt sind. Wer an Veranstaltungen solcher Art teilnimmt, sich aber an der gemeinsamen Kundgebung nicht beteiligt, stört die Einhelligkeit und den Charakter der Veranstaltung. Daraus ergibt sich, dass jeder Teilnehmer verpflichtet ist, in gleicher Weise wie die anderen sich dem gemeinsamen Willen der Versammelten zu unterwerfen oder - wenn er dies nicht zu tun gedenkt - sich zu entfernen.

Schuldspruch des Gerichts[Bearbeiten]

Der Schuldspruch der Veröffentlichung, der durch einen Beitrag des Landgerichtsrats Dr. Schuster beim AG Karlsruhe durch das Urteil (Az: AG C IV Karlsruhe, Urteil vom 19. Mai 1933, 4 SF 84/33) erklärt wurde, lautete:

Der Angeklagte war sich bewußt, dass er durch seine Haltung die Gefühle der anwesenden Personen verletzte. Durch diese Verletzung kam es zur Empörung und zur Unruhe. Er hat daher die Allgemeinheit unmittelbar belästigt und so den äußeren Bestand der öffentlichen Ordnung in erheblicher Weise gefährdet. Ob er sich auch dieser Gefährdung bewußt war, ist belanglos, da er nach allgemeiner Rechtsprechung nur bezüglich der Handlung Vorsatz gefordert wird, dieser braucht also den Erfolg der Handlung nicht zu umfassen. Insoweit genügt Fahrlässigkeit. Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte bei einiger Sorgfalt hätte erkennen können, dass seine Handlung geeignet war, Unruhe hervorzurufen. Daher hat er sich des groben Unfugs im Sinne des § 360 Ziff. 11 StGB schuldig gemacht.

Ein Urteil der bedingungslosen Anpassung an das NS-Regime[Bearbeiten]

Dieses Urteil eines Amtsgerichts nur vier Monate nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten vom 31. Januar 1933 und noch vor dem Parteienverbot der anderen Parteien wie der SPD zeigt, wie der Justizapparat schon die bedingungslose Anpassung an die Verkehrsformen der NSDAP forderte und deren Nichtbeachtung bestrafte. Besondere Bedeutung kommte daher auch die der Veröffentlichung beifgefügte Zustimmung zu dem Urteil durch den Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht Dresden Dr. Alfred Weber zu. Er schrieb am Ende seiner Zustimmung: Diese Rechtsauffassung erscheint allethalben zutreffend; das Verhalten des Angeklagten war in der Tat unter den festgestellten näheren Umständen g r o b u n g e b ü h r l i c h (Hervorhebung im Originaltext).

siehe auch:

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. der Hitlergruß bedeutete, die rechte Hand gestreckt und angewinkelt zum Körper zu erheben
  2. Alfred Weber als Generalstaatsanwalt in Dresden
  3. in: Juristische Wochenschrift, 1933, Heft 29/30, S. 1675-1676
  4. Horst-Wessel-Lied
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