Motivationsgewinne in Gruppenkonstellationen

Aus MARJORIE-WIKI
Wechseln zu: Navigation, Suche

Unter einem Motivationsgewinn (Motivation; Substantiv, feminin und Gewinn; Substantiv, maskulin) versteht man die Zunahme eines menschlichen Antriebs, welcher auf die Erreichung eines bestimmten Ziels gerichtet ist. Die Motivationssteigerung kann einerseits durch innere Faktoren (intrinsische Motivation) beeinflusst oder ausgelöst werden, wie zum Beispiel dem Spaß an der Sache, persönlicher Weiterentwicklung oder Handlungen um ihrer selbst willen.[1] Auf der anderen Seite kann die Triebkraft durch äußere Faktoren (extrinsische Motivation) beeinflusst werden. Einflussreiche Faktoren hierfür können zum Beispiel das Einkommen oder andere materielle Belohnungen sein.[1]

Allgemein[Bearbeiten]

Studien und Experimente über die Auswirkungen von Teamarbeit auf die Leistungsbereitschaft des Einzelnen gehören zu den ersten Forschungsgebieten der experimentellen Psychologie. Üblicherweise wurde die Leistungsmessung anhand von Sportaufgaben durchgeführt. Dabei beobachtete man den Einfluss auf die Motivation anhand von Leistungsveränderungen unter verschiedenen Bedingungen während der Interaktion zwischen Gruppen und Individuen.

Die Ausprägungen von Motivationsgewinnen sind abhängig vom Kontext in welchem sich solche Vorgänge abspielen. Dabei kann man zum einen das Motivationsverhalten eines Individuums bzw. die Einzelarbeit einer Person oder die Arbeit des Menschen in Gruppen betrachten. Dabei wurde beobachtet, dass die Arbeitsmotivation in Gruppenarbeit höher ist als bei Einzelarbeit. Ein Grund dafür ist, dass das Verhalten einer Person stark von ihrem sozialen Gefüge beeinflusst wird.[2] Durch die Arbeit in Gruppen und Teams werden grundlegende menschliche Bedürfnisse angesprochen und befriedigt. Dies können soziale Anerkennung, persönliche Identifikation, Selbstverwirklichung aber soziale Verantwortung sein. Allerdings gibt es auch eine Kehrseite. Der Einfluss von Gruppen kann auch destruktive und leistungshemmende Auswirkungen haben.[3]

Die Arbeit in einer Gruppe oder einem Team kann unterschiedliche Effekte in Bezug auf die eigene Motivation erzeugen. Der Köhler-Effekt beschreibt rein leistungssteigernde Wirkungen auf eine Person.[4] Beim Sozialen Wettbewerb kann sowohl ein leistungssteigernder, als auch ein leistungs-hemmender Effekt festgestellt werden.[5] Ein weiterer beeinflussender Faktor ist die soziale Kompensation, bei der ebenfalls eine reine Leistungssteigerung beobachtet wurde.[6]

Grundlage von Motivationgewinnen[Bearbeiten]

Der Köhler-Effekt[Bearbeiten]

Der Köhler-Effekt ist ein auftretender Motivationsgewinn bei Gruppenarbeiten, der von der relativen Leistungsstärke der Gruppenmitglieder abhängt. Er wird vor allem bei motorischen Gruppenaufgaben, wie zum Beispiel Gewichtheben o. ä, und relativen kleinen (2-3 Personen) Gruppen beobachtet.[7]

Köhler hat in seinen Experimenten herausgefunden, dass bei bestimmten vorherrschenden Leistungsunterschieden bzw. Kräfteverhältnissen zwischen zwei Gruppenmitgliedern die Gruppe mehr Kraft aufwenden kann, als bei Betrachtung der maximalen Einzelergebnisse der Gruppenmitglieder im Vorhinein zu erwarten ist. Der vermeintlich Leistungsschwächere der Gruppe wird durch die Leistung des Stärkeren angetrieben und möchte dieser Leistung nacheifern. Durch diesen Effekt der Leistungssteigerung beim Schwächeren wird auch der Stärkere zu einer höheren Leistung angetrieben.[4]

Des Weiteren kommt dieser Effekt nur zustande, wenn die Leistungsunterschiede zwischen dem Stärkeren und Schwächeren Gruppenmitglied nicht zu weit auseinander liegen und sich die Gruppenmitglieder dessen bewusst sind, da sonst der Leistungsschwächere keinen Anreiz sieht, sich mehr anzustrengen, weil er die Leistungsdiskrepanz zum Stärkeren nicht reduzieren kann. Köhler kommt zu dem Schluss, dass der Starke den Schwachen um mehr als ein Drittel über die Leistung bei einer Einzelarbeit hinaus treibt und der Eifer des Zweiten auf den Ersten so stark zurück wirkt, dass auch dieser seine Einzelarbeit erheblich überbietet.[4]

Der Köhler-Effekt tritt vor allem bei konjunktiven Aufgaben auf, da bei diesem Aufgabentyp das Gruppenergebnis durch die erhöhten Anstrengungen des Schwächsten positiv beeinflusst werden kann und dieser ansonsten für eine schwache Leistung verantwortlich gemacht werden könnte.[8]

Soziale Kompensation[Bearbeiten]

Ein Effekt, bei dem sich ein Mitglied bei einer Gruppenaufgabe besonders stark anstrengt, wenn andere Mitglieder einen geringen oder unzureichenden Beitrag zu Gruppenerfolg erbringen. Dieser Effekt gilt als Soziale Kompensation, da ein Gruppenmitglied versucht, die Schwächen anderer Mitglieder durch die eigene Anstrengung zu kompensieren.[9]

In der Literatur wird dieses Phänomen auch als „sich für eine schlechte Gruppe aufopfern“ bezeichnet und geht insbesondere von leistungsfähigeren Gruppenmitgliedern aus, die dazu bereit sind, zusätzliche Aufgaben zu erledigen, um den Gruppenerfolg sicher zu stellen.[10]

Laut Studien tritt das Phänomen der Sozialen Kompensation bei Personen auf, die erfahren oder erwarten, dass andere Gruppenmitglieder ungenügende Leistungen erbringen werden und somit keinen wesentlichen Beitrag zum Gruppenergebnis oder Gruppenerfolg beitragen werden. Unter Umständen fühlen sich diese Personen dann gezwungen, die suboptimale Leistung dieser Gruppenmitglieder ausgleichen zu müssen. Ein möglicher Grund hierfür könnte mangelndes Vertrauen in die Zuverlässigkeit der anderen Gruppenmitglieder oder Wissen über die zu geringen Fähigkeiten sein.[9]

Sozialer Wettbewerb[Bearbeiten]

In Situationen, in denen die Individualleistung von Gruppenmitgliedern mess- und vergleichbar ist, kommt es vor allem unter Gruppenmitgliedern mit ähnlichem Leistungspotential zu einem Sozialen Wettbewerb untereinander, mit dem Ziel, die anderen Mitglieder in der gezeigten Leistung zu übertreffen.[11] Durch diese Situation sind die Mitglieder nicht nur motivierter, sondern im Grundsatz auch zufriedener mit ihrer Arbeit und können tatsächlich zumeist ein erhöhtes Leistungspotential abrufen, da die entstehenden Motivationseffekte direkt genutzt werden, um die gezeigte Leistung zu optimieren mit dem Ziel, bessere Ergebnisse als die Konkurrenz zu erzielen.[12]

Dieser Effekt tritt vor allem bei männlichen Gruppenmitgliedern auf, welche mit anderen männlichen Mitglieder zusammenarbeiten. Dies kann vor allem damit in Zusammenhang gebracht werden, dass männliche Personen in ihrer sozialen Einstellung eher wettbewerbsorientierter ausgerichtet sind, als weibliche Personen und den direkten Vergleich mit ihren Geschlechtsgenossen suchen.[13]

Neben den positiven Effekten, können durch die Wettbewerbssituation auch negative Effekte in Erscheinung treten. Um die eigene Leistung besser wirken zu lassen, kann es zu Sabotagehandlungen kommen, mit dem Ziel, dass die Konkurrenten nicht mehr konkurrenzfähig sind.[12] Auf dieser Basis wird ein Großteil der Motivations- und Leistungssteigerungen, die durch den sozialen Wettbewerb erzielt wurden, wieder rückgängig gemacht.

Literatur[Bearbeiten]

  • Berthel, J.; Becker, F., 2010: Personal-Management: Grundzüge für Konzeptionen betrieblicher Personalarbeit, 9., vollst. überarb. Aufl. Stuttgart: Schäfer-Poeschel.
  • Forsyth, D.R. (2010). Group Dynamics. 5. Auflage. Wadsworth: Cengage Learning.
  • Hertel, G., Kerr, N. L. & Messé, L. A. (2000). Motivation Gains in Performance Groups: Paradig-matic and Theoretical Developments on the Köhler Effect. Journal of Personality and Social Psychology, 79.
  • Köhler, O. (1927). Über den Gruppenwirkungsgrad der menschlichen Körperarbeit und die Bedin-gung optimaler Kollektivkraftreaktion. Industrielle Psychotechnik, 4.
  • Nerdinger, F.W. et al., Arbeits- und Organisationspsychologie. 2. Aufl. 2011. Heidelberg: Springer Medizin Verlag.
  • Schulz-Hardt, S. & Brodbeck, F. (2007). Gruppenleistung und Führung. In K. Jonas, W. Stroebe & M. R. C. Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (S. 443-486). 5. Auflage. Berlin: Springer.
  • Stroebe, W., Diehl, M., & Abakoumkin, G. (1996). Social compensation and the Köhler effect: To-ward a theoretical explanation of motivation gains in group productivity. In E. Witte & J. Davis (Hrsg.), Understanding group behavior: Consensual action by small groups, 2. Mahwah, NJ: Erlbaum.
  • Weber, B., Wittchen, M. & Hertel, G. (2011). Dispositionale Einflüsse auf Motivationsgewinne von schwächeren Gruppenmitgliedern. Frühjahrskonferenz der Gesellschaft für Arbeitswissen-schaft, Chemnitz, 23-25. März.
  • Wegge, J.(2004). Führung von Arbeitsgruppen. In: Lehrbuch der Personalpsychologie / Schuler, H. 2. Aufl. 2005. Göttingen : Hogrefe.
  • Williams, K. D. & Karau, S. J. (1991). Social Loafing and Social Compensation: The Effects of Expectations of Co-Worker Performance. Journal of Personality and Social Psychology, 61 (4).

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 Berthel, J.; Becker, F., 2010: Personal-Management: Grundzüge für Konzeptionen betrieblicher Personalarbeit, 9., vollst. überarb. Aufl. Stuttgart: Schäfer-Poeschel, S.79.
  2. Wegge, J.(2004). Führung von Arbeitsgruppen. In: Lehrbuch der Personalpsychologie / Schuler, H. 2. Aufl. 2005. Göttingen : Hogrefe. S. 60ff.
  3. Nerdinger, F.W. et al., Arbeits- und Organisationspsychologie. 2. Aufl. 2011. Heidelberg: Springer Medizin Verlag, S.99.
  4. 4,0 4,1 4,2 Köhler, O. (1927). Über den Gruppenwirkungsgrad der menschlichen Körperarbeit und die Bedingung optimaler Kollektivkraftreaktion. Industrielle Psychotechnik, 4, S. 317.
  5. Stroebe, W., Diehl, M., & Abakoumkin, G. (1996). Social compensation and the Köhler effect: To-ward a theoretical explanation of motivation gains in group productivity. In E. Witte & J. Davis (Hrsg.), Understanding group behavior: Consensual action by small groups, 2. Mahwah, NJ: Erlbaum. S.37ff.
  6. Williams, K. D. & Karau, S. J. (1991). Social Loafing and Social Compensation: The Effects of Expectations of Co-Worker Performance. Journal of Personality and Social Psychology, 61 (4), S. 570-581.
  7. Wegge, J.(2004). Führung von Arbeitsgruppen. In: Lehrbuch der Personalpsychologie / Schuler, H. 2. Aufl. 2005. Göttingen : Hogrefe. S. 499.
  8. Hertel, G., Kerr, N. L. & Messé, L. A. (2000). Motivation Gains in Performance Groups: Paradig-matic and Theoretical Developments on the Köhler Effect. Journal of Personality and Social Psychology, 79, S. 584.
  9. 9,0 9,1 Williams, K. D. & Karau, S. J. (1991). Social Loafing and Social Compensation: The Effects of Expectations of Co-Worker Performance. Journal of Personality and Social Psychology, 61 (4), S. 571.
  10. Wegge, J.(2004). Führung von Arbeitsgruppen. In: Lehrbuch der Personalpsychologie / Schuler, H. 2. Aufl. 2005. Göttingen : Hogrefe. S. 62.
  11. Schulz-Hardt, S. & Brodbeck, F. (2007). Gruppenleistung und Führung. In K. Jonas, W. Stroebe & M. R. C. Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie (S. 443-486). 5. Auflage. Berlin: Springer, S. 454.
  12. 12,0 12,1 Forsyth, D.R. (2010). Group Dynamics. 5. Auflage. Wadsworth: Cengage Learning, S.382.
  13. Weber, B., Wittchen, M. & Hertel, G. (2011). Dispositionale Einflüsse auf Motivationsgewinne von schwächeren Gruppenmitgliedern. Frühjahrskonferenz der Gesellschaft für Arbeitswissen-schaft, Chemnitz, 23-25. März, S. 474.
Info Sign.svg Dieser Wikipedia-Artikel wurde, gemäß GFDL, CC-by-sa mit der kompletten History importiert.