Lebensbezogener Ansatz
Der lebensbezogene Ansatz ist eine Form der Pädagogik und Didaktik für den Kindergarten mit dem Ziel, jedem Kind die Möglichkeit eines gelingenden Lebens zu eröffnen. Dieser pädagogische Ansatz wurde in den 1990er Jahren von Norbert Huppertz als Gegenposition zum Situationsansatz begründet. Diese eigenständige und alternative Pädagogik wird in mehreren hundert Einrichtungen praktiziert, wie Kindertagesstätten und Kindergärten angeben.
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[Verbergen]Leitbild[Bearbeiten]
Der lebensbezogene Ansatz setzt bei den anthropologischen Bedürfnissen des Kindes an, besonders bei der individuellen und sozialen Bindung, der charakterlichen und geistigen Bildung sowie weiteren Primärbedürfnissen, und baut darauf konsequent seine Pädagogik auf. Im Vordergrund steht die Werteorientierung: Frieden, Natur und Gerechtigkeit gelten als die obersten Erziehungsziele und Werte. Durch Bildung und Erziehung sollen Kinder so mit pädagogischer Arbeit und durch gemeinsames Spielen zu Weltbürgern werden. Das heißt unter anderem Vermeidung von Fremdenhass, Ausländerfeindlichkeit und Chauvinismus und die Entwicklung einer positiven Sicht auf Andersartigkeit, die in ihrer Heterogenität als Reichtum begriffen wird. Grundlage des lebensbezogenen Ansatzes bildet die partial-holistische Denk- und Forschungsposition, bei der immer ein zu erfassendes Teil mit Blick auf sein Ganzes zu betrachten und zu erforschen ist.[1]. Jedes einzelne Kind, aber auch alles aus seiner engeren und weiteren Umgebung, z.B. Bildungspläne für den Elementarbereich, wird demnach partial-holistisch gesehen [2]
Methodik[Bearbeiten]
Huppertz betont die Bedeutung des originären, echten und unmittelbaren „Er-lebens“ [3] der Kinder, statt einer bloßen „Vermittlung“ von Inhalten, so dass aktivierende Methoden (z. B. Projektarbeit) eine besondere Bedeutung haben. Ein partnerschaftlicher Erziehungsstil und die Planung der Bildungsangebote im Sinne eines offenen Curriculums sind dabei wichtig. Bildungsangebote in diesem Ansatz beginnen möglichst immer „im Leben“, das Thema „Gesunde Ernährung“ z. B. auf dem Biobauernhof. Wird ein Projekt zum Thema „Müllvermeidung“ durchgeführt, so erfolgt der Einstieg auf der Müllkippe. So verfügt jedes Kind über den gleichen Kenntnisstand und kann das Seinige zum Thema beitragen.
Lebensbezogene Sprachbildung[Bearbeiten]
Wichtiger Bestandteil des lebensbezogenen Ansatzes ist die Sprachbildung, besonders mit Blick auf Chancengleichheit und kompensatorische Erziehung. Es soll so das Problem vermieden werden, dass jedes Jahr bis zu 10% der schulpflichtigen Kinder in der Bundesrepublik Deutschland vom Eintritt in die Grundschule zurückgestellt werden („Stolperkinder“ [4])[5]. Diese Kinder scheitern fast immer an mangelhaften Sprachkompetenzen. Lebensbezogene Sprachbildung versteht sich im Gegensatz zu sonstigen teilweise als unwirksam erwiesenen „Sprachförderprogrammen“ [6] als ganzheitliches und kindorientiertes Modell für den Elementarbereich. Es geht um alltagsintegrierte Sprachbildung[7]. Außerdem erfolgt Sprachbildung durch spezifische Angebote, z.B. über didaktische Rollenspiele. Lebensbezogene Sprachbildung bedarf keiner Sprachförderfachkräfte von außen, sondern geschieht durch die professionellen Erzieherinnen und Erzieher selber.
Literaturauswahl zum lebensbezogenen Ansatz[Bearbeiten]
- Pousset, R. (Hrsg.) (2007): Handwörterbuch für Erzieherinnen und Erzieher. Mannheim: Cornelsen Scriptor, S. 244-246
- Gebhard, K. & Meurer, M. (2010): Lebensbezogene Pädagogik und Partial-Holismus. Bildung und Forschung für ein gelingendes Leben. Oberried: PAIS-Verlag.
- Huppertz, N. (1992): Erleben und Bilden im Kindergarten. Der lebensbezogene Ansatz als Modell für die Planung der Arbeit. Freiburg/ Basel/ Wien: Herder.
- Huppertz, N. (Hrsg.) (1998): Konzepte des Kindergartens (Lebensbezogener Ansatz, Situationsansatz, Sozialistische Pädagogik, Reggio-Pädagogik). Oberried: PAIS-Verlag.
- Huppertz, N. (2003): Der Lebensbezogene Ansatz im Kindergarten. Reihe: Profile für Kitas und Kindergärten. Freiburg: Herder.
- Huppertz, N. (2009): Besser sprechen – mehr Schulfähigkeit. Bögen für: Beobachtung, Dokumentation, Förderung im Kindergarten. Oberried: PAIS-Verlag.
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- Hochspringen ↑ Gebhard, K. & Meurer, M. (2010): Lebensbezogene Pädagogik und Partial-Holismus. Bildung und Forschung für ein gelingendes Leben. Oberried: PAIS-Verlag, S. 121
- Hochspringen ↑ vgl. dazu U. Tolksdorf: Partial-Holismus – der Teil und das Ganze müssen bei Theorie und Praxis gesehen werden. In: N. Huppertz (Hrsg.) (1998): Theorie und Forschung in der Sozialen Arbeit. Neuwied: Luchterhand Verlag, S. 137-150
- Hochspringen ↑ Norbert Huppertz: Erleben und Bilden im Kindergarten. Der lebensbezogene Ansatz als Modell für die Planung der Arbeit. Herder, Freiburg, Basel & Wien 1992, S. 48
- Hochspringen ↑ Huppertz, N. (2009): Besser sprechen – mehr Schulfähigkeit. Bögen für: Beobachtung, Dokumentation, Förderung im Kindergarten. Oberried: PAIS-Verlag, S. 3
- Hochspringen ↑ vgl. Statistiken der Bundesländer, zusammengetragen in Kruijer, N. & Weyand, J. (2010): Der Erfolg und Misserfolg von Kindern beim Schuleintritt – ein nationaler und internationaler Vergleich. Diplomarbeit, Freiburg.
- Hochspringen ↑ vgl. Hofmann, N., Polotzek, S., Roos, J. & Schöler, H.: Sprachförderung im Vorschulalter. Evaluation dreier Sprachförderkonzepte. In: Diskurs Kindheits- und Jugendforschung, 3/2008, S. 291-300
- Hochspringen ↑ , Huppertz, N. (2009): Besser sprechen – mehr Schulfähigkeit. Bögen für: Beobachtung, Dokumentation, Förderung im Kindergarten. Oberried: PAIS-Verlag, S. 19