Konzept Lebensqualität

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Das Konzept Lebensqualität ist ein Qualitätsmanagementsystem, welches für den Sozial- und Gesundheitsbereich entwickelt wurde und die Lebensqualität zum Ziel hat. Theoretischer Hintergrund von kLQ sind die Forschungen zur Lebensqualität, zur Selbstbestimmungstheorie der Motivation, zum Sinn und zur Kybernetik.

Geschichte[Bearbeiten]

Anlass für die Entwicklung von kLQ bildete das Interreg IIIa-Projekt "Interregionales Lernen in der Altenarbeit", welches von der österreichischen proEval GmbH gemeinsam mit dem Bundesland Vorarlberg sowie mit drei Institutionen der Altersarbeit im Bodenseeraum Deutschlands, Österreichs und der Schweiz in den Jahren 2004 bis 2006 durchgeführt wurde. Eine wichtige Erkenntnis dieses Projektes war, dass die klassischen QM-Systeme den Institutionen zwar geholfen haben, ihre betriebswirtschaftliche Effizienz zu erhöhen, dass sie aber im Hinblick auf volkswirtschaftliche und pflegerische Qualitätsaspekte nicht fördernd wirkten. Im Rahmen des Projektes kristallisierte sich klar heraus, dass der Bezugspunkt "Lebensqualität" dieses Defizit beheben könnte. Diese Erkenntnisse wurden in der deutschen[1], österreichischen[2] und schweizerischen[3] Pflege-Fachwelt interessiert aufgenommen. An den volkswirtschaftlichen Qualitätsaspekten zeigten sich sowohl sozialpolitische [4] als auch wirtschaftspolitische Experten[5] interessiert.

Die Anerkennung als Qualitätsmanagementsystem[Bearbeiten]

Nach mehrjähriger Entwicklungsarbeit wurde von proEval im Jahre 2008 das Konzept Lebensqualität (kLQ) bei der Schweizerischen Vereinigung für Qualitäts- und Managementsysteme (SQS) zur Begutachtung eingereicht und von dieser als zertifizierungswürdiges Qualitätsmanagementsystem in ihr Programm aufgenommen.[6] Zuerst wurde kLQ für die Altersarbeit entwickelt[7], bald folgte dann eine Version für die Gesundheitsförderung[8], dann für die Arbeit mit Menschen mit Behinderung.[9] Angewendet wurde kLQ zuerst in der Schweiz, welche unbürokratisch und traditionell offen für Neues ist.

Das Verhältnis zu anderen QM-Systemen[Bearbeiten]

kLQ bietet eine sinnvolle Ergänzung und Aufgabenteilung zu den klassischen QM-Systemen (z.B. ISO und EFQM). Während die klassischen betriebswirtschaftlich ausgerichteten QM-Systeme eher auf die sachliche Herausforderung (Effizienz, Gewinn) abzielen, richtet sich kLQ auf die menschliche Herausforderung und vermittelt dadurch eine fruchtbare Balance zwischen diesen beiden - scheinbar widersprüchlichen - Herausforderungen. So erkannte z.B. eine Schweizer Einrichtung durch kLQ, dass mit ISO in bestimmten pflegerischen Bereichen die Prozesse zu eng definiert wurden. Das Öffnen der Prozesse brachte den Mitarbeitern infolge größerer Autonomie und verbesserter Kompetenzwahrnehmung in der sozialen Arbeit eine höhere Worklife Quality und den Bewohnern eine höhere Lebensqualität.[10] In den Worten des bekannten Managementtheoretikers Peter Drucker könnte man das Verhältnis der QM-Systeme zueinander folgendermaßen formulieren: kLQ hilft arbeitenden Menschen die richtigen Dinge zu tun, während die klassischen QM-Systeme dazu beitragen, die Dinge richtig zu tun. Diese pragmatische Aussage hat auch ihre wissenschaftliche Richtigkeit, denn amerikanische Studien belegen, dass durch die Konzentration auf die richtigen Dinge auch die Kosteneffizienz der sozialen Dienstleistungen gesteigert werden konnte.[11]

Grundlagen von kLQ[Bearbeiten]

Inhaltlich basiert kLQ auf den vier Basisbedürfnissen der Autonomie, Kompetenz, Partizipation (sozialer Eingebundenheit) und des Sinnes. Die Wahrnehmung und Befriedigung der Bedürfnisse erfolgt mit der Lernhelix.

Die vier Basisbedürfnisse[Bearbeiten]

Der menschlichen Herausforderung und damit der Schaffung von Lebensqualität wird vor allem dadurch entsprochen, inwieweit es einer Organisation gelingt, Rahmenbedingungen zu schaffen, um die menschlichen Basisbedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz,Partizipation und Sinn zu stillen. Autonomie bedeutet, dass eine motivierte Handlung als frei gewählt erlebt wird.[12] Das Kompetenzerleben bezeichnet "das Gefühl, dass man mit seinem eigenen Verhalten etwas bewirken kann" und die Partizipation "bezieht sich auf das Bedürfnis, mit anderen Personen verbunden zu sein bzw. einer Gruppe von Personen anzugehören, die einem persönlich wichtig sind".[13] Sinn bezeichnet das Bedürfnis nach Realisierung der wertvollsten Möglichkeit in einer konkreten Situation.[14]

Diese vier Bedürfnisse sind angeboren und daher universal[15], d.h. sie gelten im speziellen Falle einer Sozialorganisation nicht nur für die Zielgruppe (ältere Menschen, Menschen mit Behinderung), sondern auch für die Menschen, die sie betreut. Aus der gemeinsamen Wahrnehmung und Beachtung dieser Bedürfnisse entsteht Lebensqualität für die Zielgruppe und Worklife-Quality für die betreuenden Mitarbeiter. Da kLQ an den Basisbedürfnissen ansetzt, ist es prinzipiell überall, auch im Profit-Bereich, einsetzbar.

Die Lernhelix[Bearbeiten]

Das Erkennen und Leben dieser Basisbedürfnisse in einer Organisation ist eine Aufgabe mit einem hohen Komplexitätsgrad. Für eine solche Aufgabe eignet sich - kybernetisch gesprochen - nicht eine Lösung erster Ordnung[16] wie sie beispielsweise das EFQM-Modell mit seinem PDCA-Zyklus vorsieht. Komplexe Aufgaben sind mit Wandel, Veränderung und Lernen verbunden und bedürfen daher einer Lösung zweiter Ordnung. Diese Herausforderung kann mit der Lernhelix, einer Weiterentwicklung des erfahrungsbasierten Lernzyklus, gemeistert werden.[17] Sie bildet neben den vier Basisbedürfnissen den zweiten Grundpfeiler von kLQ.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Hochspringen Richard Hennessey & Roland Mangold (2006): Lebensqualität statt Qualitätskontrolle, in: Heim + Pflege, Heft 12, 2006, S. 314 - 316 PDF 3,95 MB
  2. Hochspringen Richard Hennessey & Roland Mangold (2007): Lebensqualität statt Qualitätskontrolle, in: Österreichische Pflegezeitschrift, Heft 3/4, S. 17 - 22 PDF 731 KB
  3. Hochspringen Richard Hennessey & Roland Mangold (2007): Das Richtige tun für echte Lebensqualität, in: Krankenpflege, Heft 8, S. 16 - 19 PDF 207 KB
  4. Hochspringen Richard Hennessey & Roland Mangold (2006): Von der Wohlfahrt zur Lebensqualität älterer Menschen - Plädoyer für einen Paradigmenwechsel, in: Soziale Sicherheit, Heft 11, S. 465 - 470) PDF 534 KB
  5. Hochspringen Richard Hennessey & Roland Mangold (2009): Mit Lebensqualität gegen die Wirtschaftskrise, in: Wirtschaftspolitische Blätter, Heft 2, S. 269 - 282 PDF 180 KB
  6. Hochspringen Schweizerische Vereinigung für Qualitäts- und Managementsysteme (Hrsg.): Qualitätsmanagement in Alterszentren, Leitfaden für den Aufbau prozessorientierter Führungssysteme, Zollikofen 2010.
  7. Hochspringen Richard Hennessey & Roland Mangold (2008). Der Qualität Leben geben In: NOVA, Das Fachmagazin für Pflege und Betreuung, S 44-45. PDF 1,08 MB
  8. Hochspringen Richard Hennessey & Roland Mangold (2009): Die Gesundheitsförderung wirksamer machen, in: Soziale Sicherheit, Heft 11, S. 12 - 15 PDF 2,32 MB
  9. Hochspringen Richard Hennessey & Roland Mangold (2012): Das Konzept Lebensqualität, Der Arbeit mit Menschen mit Behinderung Leben geben, in: Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, Heft 3, S 27 - 33 PDF 2,44 MB
  10. Hochspringen Richard Hennessey & Roland Mangold (2012): Wie wir in der Residenz die Qualität beleben. In: Residenz Zeitung, Heft 6, Biel.
  11. Hochspringen Ralph Wittenberg (2006): Finanzierungsstrategien und deren Auswirkungen auf Gleichberechtigung, Wahlmöglichkeiten, Effektivität und Nachhaltigkeit, in: Zeitschrift behinderte Menschen, Heft 3/4, S. 47
  12. Hochspringen Edward Deci & Richard Ryan (1993): Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. In: Zeitschrift für Pädagogik,Heft 2, S. 235
  13. Hochspringen Andreas Krapp & Richard Ryan (2002): Selbstwirksamkeit und Lernmotivation. Eine kritische Betrachtung der Theorie von Bandura aus der Sicht der Selbstbestimmungstheorie und das pädagogisch-psychologischen Interessentheorie. In: Jerusalem, M. & Hopf, D. (Hrsg.): Zeitschrift für Pädagogik, 44. Beiheft. Selbstwirksamkeit und Motivationsprozesse in Bildungsinstitutionen, Weinheim - Basel, S. 71
  14. Hochspringen Viktor Frankl (1996): Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn. München - Zürich
  15. Hochspringen Edward Deci & Richard Ryan (Eds.): Handbook of Self-Determination Theory, Rochester 2004, S. 7
  16. Hochspringen Berta Schrems (2003): Der Prozess des Diagnostizierens in der Pflege, Wien, S. 77
  17. Hochspringen Martin Kaufmann & Roland Mangold (2009): Spannungsfeld Strategie und Umsetzung. In: Lernende Organisation. Zeitschrift für systemisches Management (51), S. 35 f.
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