Karl Heller (Gestapo, 1908)

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Karl Heller (* 3. Juni 1908 in Hintermühlen bei Langenhahn im Westerwald) war als SS-Obersturmführer (SS Nr. 383971) und Kriminalkommissar Angehöriger des Sicherheitsdienstes (SD) der SS und der Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Im 2. Weltkrieg leitete er ein Sonderkommando des Reichssichheitshauptamtes (RSHA) in Polen und in Frankreich. Nach 1945 wurde er Angehöriger der Polizei in Fulda und Lehrer an der Hessischen Polizeischule.

Werdegang[Bearbeiten]

Über den Lebensweg bis 1938 liegen in den öffentlich zugänglichen Quellen keine näheren Angaben vor. Am 1. Mai 1938 wurde er Mitgied der NSDAP. Seit dem Jahr 1940 gehörte er der SS an. Die Beförderung zum Kriminalkommissar und Beamten auf Lebenszeit erfolgte am 17. Dezember 1940.[1]

Referatsleiter im RSHA[Bearbeiten]

Im RSHA leitete er das Referet IV E 5., das sich mit Angelegenheiten der Abwehr Ost (Spionageabwehr Osteuropa) befasste. In Berlin führten seine Ermittlungen zur Festnahem von fünf Polen, die einem Spionagering angehörten. Im Sommer 1943 wurde er nach Warschau versetzt.[2][3]

Sonderkommando in Warschau[Bearbeiten]

In einem Runderlass des RSHA vom 6. Juni 1943 wurde das Referat IV E S errichtet. Als Leiter des Referats wurde der Kriminalkommissar Karl Heller ernannt. Die Einheit IV ES hatte mit ihrer Verlegung nach Warschau dort ihren Sitz. Das Referat IV ES wurde der Sektion des RSHA IV E 5 direkt unterstellt. Das Personal von Hellers Sonderkommando rekrutierte sich aus Angehörigen des RSHA, der Staatspolizeileitstelle Wien und der Dienststellen der Sicherheitspolizei aus den damaligen deutsch-polnischen Grenzgebieten. Die Personalstärke des Sonderkommandos schwankte zwischen 10 und 28 Personen.

Das Operationsgebiet erstreckte sich auf das ganze Gebiet des Generalgouvernements und manchmal auch dessen Grenze überschreitend. Die Aufgabe des Sonderkommandos war die Bekämpfung der Spionage und des Verbindungswesens der Widerstandsgruppen der polnischen Heimatarmee. Das Sonderkommando war zur Zusammenarbeit mit der Gestapo des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD Warschu (KdS Wrschau) nicht verpflichtet. Vielmehr hatte der KdS Warschau „Amtshilfe“ zu leisten. Es bestand auch keine Berichtspflicht zur Meldung des Sonderkommandos an den KdS Warschau. Andererseits waren alle Gestapo-Stellen im Reichsgebiet verpflichtet, Meldungen an das Sonderkommando IV ES zu erstatten, wenn irgendwelche Beziehungen zur polnischen Widerstandsbewegung in den jeweiligen Amtsgebieten der Gestapo-Stellen erfasst wurden.[4]

Zu Beginn des Monats April 1943 wurde in Wien der Vertreter des Geheimdienstes der polnischen Heimatarmee Jan Mrozek verhaftet. In Warschau zeigte er den Angehörigen des Sonderkommandos IV ES reihenweise die Kontaktpunkte der Abteilung II der polnischen Untergrundbewegung.[5]

Die Ermittlungen des Sonderkommandos führten zu Festnahmen im Zeitraum von Dezember 1943 bis März 1944 von 140 bis 160 Polen. Diese Personen wurden entweder dem Kriegsgericht in Berlin oder der den entsprechenden Dienststellen der Gestapo überstellt. Nach nicht bestätigte Meldungen sollen alle hingerichtet worden sein.[6]

Damit war die Aufgabe des Sonderkomamndos IV ES abgeschlossen. Im April 1944 wurde Heller nach Lyon versetzt. Das Sonderkommando trug jetzt den Decknamen „Jerzy - Fichte“.[7]

Einsatz in Frankreich: Lyon[Bearbeiten]

Aus deutschen Quellen ist bisher nicht nachweisbar, warum Heller mit seinen Leuten nach Lyon verlegt wurde. Aus polnischen Quellen geht hervor, dass durch Lyon die wichtigste Kommunikationslinie der Abteilung II der Hauptkommandantur der polnischen Heimatarmee verlief.[7] Am 13. Juli 1944 führte das Sonderkommando eine Operation in Lyon, Chambery und Grenoble gegen den polnischen Nachrichtendienst durch.

Personal des Sonderkommandos IV ES waren auch an Exekutionen auf dem Flughafen Bron von Lyon beteiligt. Nicht geklärt wurden bzw. es wurde unterlassen, Hinweise auf Exekutionen im Bereich des SD Lyon nachzugehen, die zu Exekutionen im Montluc-Gefängnis von Lyon berichtet wurden.[8]

Belobigungen von Heinrich Himmler und dem RSHA[Bearbeiten]

Die Erfolge der Ermittlungen des Sonderkommandos in Warschau waren auch bis Heinrich Himmler vorgedrungen, was ihn im Befehlsblatt der Sicherheitspolizei und des SD zu der Aussage führte, dass Heller für „fachliche Leistungen und persönliche Leistungsbereitschaft“ belobigt wurde.[9]

In der Personalakte über Karl Heller gab es es eine Beurteilung vom 4. April 1944, als er noch in Warschau war:

„Der SS-Obersturmführer Krim.-Komm. Karl Heller, z. Zt. Führer des Sonderkommandos IV ES des RSHA beim Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Warschau, besitzt eine gute Allgemeinbildung und ebenso gute fachliche Kenntnisse. Das Sonderkommando hat er mit großer Umsicht und persönlicher Einsatzfreude geführt, sodass die diesen gestellte, z. T. mit Gefahren für Leib oder Leben verbundene, sehr kriegswichtige Aufgabe mit großem Erfolg gelöst werden konnte. Er hat sich hierbei als guter Kamerad und Führerpersönlichkeit erwiesen. Heller ist ein offener, ehrlicher Charakter mit soldatischer Haltung. Nachteiliges ist über ihn weder dienstlich noch außerdienstlich bekannt geworden[10]

Nachkriegszeit[Bearbeiten]

Nach der Kapitulation am 8. Mai 1945 tauchte Heller mit dem Namen „Kurt Hanz“ unter. Anfang der 1950er-Jahre verdiente er seinen Unterhalt mit dem Handel von Obst und Gemüse in Frankfurt am Main. Als er Paul Dickopf[11] traf, bat er ihn um eine Vermittlung in den Polizeidienst.[6] So konnte Heller am 1. November 1952 bei der Kriminalpolizei in Fulda wieder im Polizeidienst tätig werden. Es folgte seine Beförderung zum Kriminalrat und Anfang der 1960er-Jahre die Berufung zum Lehrer an die Hessische Polizeischule, wo er als Abteilungsleiter der Sparte Kriminalpolizei angehende Kriminalkommissare ausbildete.

In den 1960er-Jahren kam es zu ersten Ermittlungen gegen ihn wegen der Exekutionen in Lyon. Er verteidigte sich damit, dass er keine Befehle erteilt habe. Vielmehr sei es der SS-Obersturmbannführer und Kommandeur der Sicherheitspolizei in Lyon Dr. Werner Knab[12] gewesen, der die Befehle erteilt habe. Das Landgericht Wiesbaden setzte die Ermittlungen gegen Heller im Mai 1967 aus. Nach seinem Tod kam es 1981 noch einmal zu Ermittlungen wegen der Erschießungen in Lyon.[13]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Dieter Schenk: Auf dem rechten Auge blind: die braunen Wurzeln des BKA. Kiepenheuer und Witsch, Köln 2001, ISBN 3-462-03034-5, S. 346 FN 712 (371 S.).
  2. Dieter Schenk: Auf dem rechten Auge blind: die braunen Wurzeln des BKA. Kiepenheuer und Witsch, Köln 2001, ISBN 3-462-03034-5, S. 28 (371 S.).
  3. Die Gestapo durfte nur im Reichsgebiet tätig werden, während der SD im Ausland tätig wurde. Es gab zwar Agenten der Gestapo im Ausland, aber keine Gestapo-Einheiten. Deshalb war das Sonderkommando IV ES des RSHA auch nicht dem KdS Warschau unterstellt, sondern der Abteilung des RSHA. In den angegliederten Ostgebieten gab es Staatspolizeistellen. Die Abteilung IV bei den KdS wurde zwar als Gestapo bezeichnet, war aber nur eine Dienststelle des KdS.
  4. Włodzimierz Borodziej: Terror und Politik: die deutsche Polizei und die polnische Widerstandsbewegung im Generalgouvernement 1939–1944. von Zabern, Mainz 1999, ISBN 3-8053-1197-4, S. 46–47 (302 S., polnisch: Terror i polityka: policja niemiecka a polski ruch oporu w GG 1939–1944. Warschau 1985.).
  5. Włodzimierz Borodziej: Terror und Politik: die deutsche Polizei und die polnische Widerstandsbewegung im Generalgouvernement 1939–1944. von Zabern, Mainz 1999, ISBN 3-8053-1197-4, S. 182 (302 S., polnisch: Terror i polityka: policja niemiecka a polski ruch oporu w GG 1939–1944. Warschau 1985.).
  6. 6,0 6,1 Dieter Schenk: Auf dem rechten Auge blind: die braunen Wurzeln des BKA. Kiepenheuer und Witsch, Köln 2001, ISBN 3-462-03034-5, S. 258 (371 S.).
  7. 7,0 7,1 Włodzimierz Borodziej: Terror und Politik: die deutsche Polizei und die polnische Widerstandsbewegung im Generalgouvernement 1939–1944. von Zabern, Mainz 1999, ISBN 3-8053-1197-4, S. 183 (302 S., polnisch: Terror i polityka: policja niemiecka a polski ruch oporu w GG 1939–1944. Warschau 1985.).
  8. Ahlrich Meyer: Täter im Verhör: die „Endlösung der Judenfrage“ in Frankreich 1940–1944. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, ISBN 978-3-534-17564-2, S. 218–219 (470 S.).
  9. Befehlsblatt Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Nr. 34 / 1944, S. 189; zitiert in {{BibISBN|3462030345|Seiten=256
  10. Dieter Schenk: Auf dem rechten Auge blind: die braunen Wurzeln des BKA. Kiepenheuer und Witsch, Köln 2001, ISBN 3-462-03034-5, S. 258–259 (371 S.).
  11. Paul Dickopf in der deutschsprachigen Wikipedia
  12. Werner Knab in der deutschsprachigen Wikipedia
  13. Dieter Schenk: Auf dem rechten Auge blind: die braunen Wurzeln des BKA. Kiepenheuer und Witsch, Köln 2001, ISBN 3-462-03034-5, S. 259 (371 S.).
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