Experimente zur Veränderung von Gruppenstrukturen

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Das Bavelas-Experiment [1] (auch Experiment zur Veränderung von Gruppenstrukturen) beschreibt ein Phänomen, dass Menschen geneigt sind, einer komplexen Erklärung mehr Glauben zu schenken, auch wenn diese falsch ist, als einer simplen geradlinigen Erklärung, die aber eher stimmt. Komplexe Strukturen wirken also auf Menschen offenbar glaubwürdiger, weil sie durch ihren unüberblickbaren Schwierigkeitsgrad und ihre Elaboriertheit beeindrucken. Die Experimente wurden von den Psychologen Alex Bavelas und Harold Leavittin den 1950er Jahren durchgeführt.[2]

Versuchsanordnung[Bearbeiten]

Zwei Gruppen von Probanden - alles medizinische Laien - werden Fotos von histologischen Schnitten biologischer Zellkulturen gezeigt. Nun sollen beide Gruppen durch einen Lernprozess mittels Trial und Error herausfinden, wie man gesunde von tumorös entarteten Zellen unterscheiden könne. Die eine Gruppe erhält nach jedem ihrer Tipps das korrekte Feedback, ob deren Antwort richtig war oder nicht. So lernt sie relativ schnell, kranke Zellen von gesunden zu unterscheiden. Die andere Gruppe erhält kein korrektes Feedback, sondern eine rein zufallsabhängige, falsche Rückmeldung. Diese Gruppe entwickelt nun aufgrund ihrer Fehlinformation und Verwirrtheit ein immer komplexer werdendes Weltbild über die Unterscheidungskriterien von gesunden zu kranken Zellen.

Nach der ersten Versuchsphase werden nun beide Gruppen zusammengebracht, ihnen wird der Auftrag erteilt, sie mögen sich im gegenseitigen Gespräch über die Merkmale und Kriterien zur Erkennung von Krebszellen austauschen. Dabei entsteht der merkwürdige Effekt, dass jene Gruppe mit dem irrigen, falschen Lernerfolg, die aber das komplexere Erklärungsmodell liefert, die andere Gruppe, die richtig lag, aber einem simpleren Erklärungsmodell anhängt, überzeugen kann und auf ihre Seite zieht.

Im nächsten Schritt werden nun beide Gruppen wieder getrennt und einem zweiten Durchgang der Bild-Beurteilung unterzogen.

Davor wird noch von beiden Probandenteams deren Selbsteinschätzung erfragt, was sie wohl meinten, welche der beiden Gruppen im nun folgenden zweiten Durchgang erfolgreicher sein würde. Hierbei äußerte sich die "komplexe" Gruppe auch in ihrer Selbsteinschätzung viel selbstbewusster und siegesgewisser als die Anhänger der "simplen" Thesen-Gruppe.[3]

Schlussfolgerung[Bearbeiten]

Dieses Experiment beweist, dass Menschen komplexen Erklärungen unabhängig vom tatsächlichen Wahrheitsgehalt mehr Glauben schenken als einfachen Erklärungen. Die Tatsache, dass ein eigenes Verständnis der Erklärung nicht zwingend notwendig ist, hat zur Folge, dass Menschen auch von falschen Thesen überzeugt werden können. Diese Theorie lässt sich auf die Wissenschaftsgläubigkeit der Gesellschaft im 20. und 21. Jahrhundert anwenden. Der Glaube an die Naturwissenschaften und ihre Universalität auch in Bezug auf eine Existenzerklärung löst den Glauben an eine Religion ab. Obwohl man davon ausgehen kann, dass die wenigsten zu einer eigenen Urteilsfindung fähig sind, wirkt die Komplexität wissenschaftlicher Theorien überzeugend. Die Werbung nutzt diesen Effekt beispielsweise aus, indem sie mit wissenschaftlich anmutende Erklärung auf Kosmetikprodukten, Lebensmittel oder Ähnlichem wirbt.

Siehe auch[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

Siehe auch Beschreibung in Paul Watzlawik: Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Wahn, Täuschung, Verstehen. Piper 2005, S. 61

Weblinks[Bearbeiten]

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