Elektromagnetische Puls-Technologie

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Die Elektromagnetische Puls Technologie (EMPT) bietet berührungslose Verfahren zum Schweißen, Fügen, Crimpen, Hochgeschwindigkeitsumformen, Präzisionsschneiden von Metallen sowie zum pulvermetallurgischen Pressen.

Verfahrensbeschreibung[Bearbeiten]

Die EMPT nutzt elektromagnetische Kräfte für die Metallverarbeitung, um entweder den Durchmesser von Rohren durch Kompression oder Expansion zu ändern oder Bleche umzuformen. Dabei werden elektromagnetische Spulen mit einem sehr kurzen Strompuls mit sehr hoher Leistung beaufschlagt, der von einem Pulsgenerator bereitgestellt wird. Nichtmagnetische Metalle wie Aluminium oder Kupfer können auch bearbeitet werden, weil kurzzeitig ein Wirbelstrom im Werkstück induziert wird. Nichtsymmetrische Querschnitte können erweitert oder verkleinert werden, was einen Formschluss, eine Schweißnaht in der feste Phase oder einfach nur eine Geometrieänderung zulässt. Besonders hervorzuheben ist neben der Möglichkeit einer atomaren Verbindung (z.B. zwischen Aluminium und Stahl) auch die Tatsache, dass keine Wärmeeinflusszone durch den kalten Prozess resultiert.[1]

Anlagentechnik[Bearbeiten]

Die EMPT-Anlagentethnik besteht aus einer Spule, gegebenenfalls einem Feldformer und dem zur Bereitstellung der hohen Ströme notwendigen Pulsgenerator: Es gibt weltwit etwa 400-500 EMPT Anlagen in den verschiedensten Industriesektoren. Die Anzahl der EMPT Anlagen steigt zur Zeit sehr stark an, da es inzwischen sehr zuverlässige und langlebige industriell genutzte Anlagen gibt.

Spulen und Feldformer[Bearbeiten]

Stromdurchflossene Leiter erzeugen ein magnetisches Feld und erfahren in einem Magnetfeld eine Kraft, die nach ihrem Entdecker Lorentzkraft genannt wird. Zwei parallele, stromführende Leiter stoßen sich deshalb voneinander ab, wenn die Stromflussrichtung in beiden gegenläufig ist.

Spulen und Feldformer dienen zum Aufbringen des magnetischen Drucks auf das elektrisch leitfähige Werkstück. Die Spule besteht aus einer oder mehreren Windungen eines hochfesten und leitfähigen Werkstoffs und die Spulenleiterquerschnitte betragen aufgrund der hohen Ströme in der Regel mehrere 100 Quadratmillimeter.

Der Feldformer ist mit mindestens einem radialen Schlitz versehen sowie gegen Spule und Werkstück elektrisch isoliert. Feldformer und Spule weisen an ihrer Wirkfuge die gleiche Länge auf. Die Spule induziert im Außenmantel des Feldformers einen Strom, der aufgrund des radialen Schlitzes auf die Innenbohrung des Feldformers geleitet wird. Der Innenbohrungsdurchmesser entspricht nahezu dem Werkstückdurchmesser. Die Länge der Innenbohrung ist jedoch in der Regel kleiner als die der Spule und bildet somit die so genannte Schneide. Dies bewirkt zweierlei: Zum einen wird das ungleichmäßige magnetische Feld der mehrwindigen Spule homogenisiert, zum anderen werden die magnetischen Feldlinien auf den Schneidenbereich konzentriert

Hierdurch ist der auf die Spule wirkende magnetische Druck geringer als der auf das Werkstück lastende. Die Standzeit der Spule ist somit beim Einsatz eines Feldformers erheblich höher als die einer direkt wirkenden Spule und führt zu einer erhöhten Spulenstandzeit und Wirtschaftlichkeit. Moderne Spulen von PSTproducts GmbH sind so ausgelegt, dass eine Spulenstandzeit von bis zu 2.000.000 Pulsen gewährleistet ist.

Der Feldformer dient in erster Linie zur Homogenisierung des magnetischen Feldes mehrwindiger Spulen, zur Konzentration der Feldlinien auf den Umformbereich und zur mechanischen Entlastung der Spule. Darüber hinaus kann mit einem Feldformerwechsel die Spule mit geringem Aufwand an neue Werkstückdurchmesser oder -geometrien angepasst werden. Ein Feldformerwechsel dauert weniger als zwei Minuten. So ist unter Voraussetzung einer entsprechend dimensionierten Spule in Kombination mit einem geeigneten Pulsgenerator die Fertigung verschiedenster Bauteile mit geringem Werkzeugaufwand möglich.[2]

Pulsgenerator[Bearbeiten]

Die zur Umformung metallischer Werkstoffe notwendigen magnetischen Drücke liegen im Bereich von bis zu einigen 100 N/mm². Zur Erzeugung dieser Drücke ist es erforderlich, gepulste Ströme im Bereich von 100 kA bis weit über 1500 kA bereitzustellen. Der Pulsgenerator besteht aus einer Kondensatorbatterie, einer Kondensatorladeeinheit und einer entsprechenden Verschaltung. Der Pulsgenerator bildet mit der Arbeitsspule des EMPT Systems einen elektrischen Schwingkreis.

Arbeitsablauf[Bearbeiten]

Nachdem das Werkstück in der Spule positioniert ist, wird bei geöffnetem Hochstromschalter der Ladeschalter geschlossen. Der Schwingkreis ist somit zunächst unterbrochen, die Kondensatorspannung nähert sich im Zeitraum von normalerweise weniger als 8 Sekunden der gewählten Ladespannung. Sobald die Ladespannung erreicht ist, wird der Ladeschalter geöffnet und der Hochstromschalter geschlossen. Die im Kondensator gespeicherte Energie wird nun freigesetzt und bedingt einen sinusförmigen Stromverlauf in der Arbeitsspule, der jedoch nach wenigen Schwingungszyklen abgeklingt. Die Entladefrequenz industriell eingesetzter EMPT Anlagen liegt im Bereich zwischen 6 und 60 kHz.

Die Lebensdauer der Kondensatoren liegt bei BlueWave Pulsgeneratoren von PSTproducts bei mehr als 2 Millionen Pulsen, Wartungsintervalle liegen bei ca. 500.000 Pulsen, die Entladeströme, je nach Modell, zwischen 100 kA und 2000 kA.

Bei der Prozessüberwachung wird der Stromverlauf eines jeden Pulses analysiert und gespeichert. Darauf basierende Regelalgorithmen gewährleisten, dass sich der Entladestrom auch bei Änderung der Umgebungsbedingungen innerhalb eines spezifizierten Prozessfensters bewegt. Die Steuerungstechnik erlaubt auch die Einbindung dieser Pulsgeneratoren in vollautomatisierte Produktionslinien.

Verfahrensvarianten[Bearbeiten]

EMPT Systeme werden für folgende Verfahrensvarianten industriell eingesetzt:

Schweißen[Bearbeiten]

Die EMPT wird insbesondere verwendet, um unterschiedliche Werkstoffe zu verbinden, z. B. für Hybrid-Verbindungen zwischen Aluminium und hochfestem Stahl, oder das Fügen von eloxierten oder pulverbeschichteten Strangpressprofilen. Das elektromagnetische Pulsschweißen kann Werkstoffmischverbindungen, aber auch artgleiche Werkstoffe ohne Wärme, berührungslos in weniger als 35μs verbinden. Durch die hohe Verfahrensgeschwindigkeit kommt es wie beim Sprengschweißen zu einer stoffschlüssigen Verbindung. Schweißlängen von bis zu 3m mit einem Puls sind möglich. Es können Bleche und Rohre verschweißt werden.

Die EMPT bietet ein Verfahren zur Verschweißen von Aluminiumblechen mit Stahl-, Aluminium oder Kupferbauteilen. Ein gepulstes elektromagnetisches Feld beschleunigt eines der beiden zu fügenden Bleche über eine Distanz von 0,3-1,0 mm auf Geschwindigkeiten über 200 m/s. Beim Aufprall dieses Blechs auf ein stationäres Gegenblech werden im Aufschlagbereich die auf beiden Oberflächen haftenden Oxidschichten gelöst und durch die sich zwischen den Blechen befindliche Luft ausgeblasen. Die so erzeugten reinen Oberflächen sind hoch reaktiv und stehen unter extremem Kontaktdruck. Dies bewirkt die Bildung einer heliumdichten metallischen Bindung durch Elektronenaustausch.

Das Verfahren beruht - wie auch das damit verwandte Sprengschweißen - darauf, dass die Atome zweier metallisch reiner Kontaktpartner unter hohem Druck einander genähert werden, bis sich ein metallischer Verbund durch Elektronenaustausch aufbaut. Während des Prozesses „rollt“ der druckbelastete Kontaktpartner auf dem anderen ab, und es schließt sich ein zunächst V-förmiger Spalt. Im Grund des V-förmigen Spaltes treten Kontaktnormalspannungen in der Größenordung einiger 1000 N/mm² und erhebliche Dehnraten auf. Hierdurch entsteht vor dem Kontaktpunkt eine sich fortlaufend neu bildende Bugwelle in beiden Kontaktpartnern, deren Wellenlänge im Bereich einiger 10 µm liegt. Die dadurch hervorgerufenen oberflächennahen, erheblichen plastischen Deformationen der Wirkfuge führen zu einem Aufbrechen der Oxidschichten beider Kontaktpartner.

Finite Elemente Berechnungen zeigen Verformungsgeschwindigkeiten, die zum Teil oberhalb der Schallgeschwindigkeit in Luft, jedoch weit unterhalb der Schallgeschwindigkeit üblicher Metalle liegen. Die im Wirkspalt befindliche Luft wird dadurch stark komprimiert und aus dem Spalt heraus beschleunigt. Der entstehende so genannte Jet trägt Schmutz und gelöste Oxidteilchen aus dem Fügebereich heraus.

Die Vorteile stoffschlüssiger EMPT Fügungen sind zum einen durch die hohe Festigkeit der Verbindung begründet. Schwer schweißbare Edelstähle sind mit dieser Technik stoffschlüssig miteinander fügbar. Zum anderen besteht die Möglichkeit zur Erzeugung heliumdichter Verbindungen unterschiedlicher metallischer Werkstoffe ohne thermische Gefügebeeinflussung. Bei Mischverbindungen entspricht die Fügestellenfestigkeit der Festigkeit des weicheren Kontaktpartners z.B. bei Aluminium-Stahl oder Alumium-Kupfer Werkstoffpaarungen.

Die Schweißmethode bringt keine Wärme in die Bauteile ein. Daher ist es möglich, metallische Werkstoffe mit stark unterschiedlichen Schmelzpunkten zu verschweißen. Zudem kommt es weder zu Gefügebeeinflussungen noch zu Wärmeverzug. Dies bedeutet, dass hiermit stoffschlüssige Verbindungen im Blechbereich zwischen Aluminiumlegierungen und höchstfesten Stählen ohne negative Einflüsse auf die Werkstofffestigkeit hergestellt werden können.

Fügen[Bearbeiten]

Die EMPT wird heute industriell eingesetzt, um unterschiedliche Werkstoffe zu verbinden, z. B. für Hybrid-Verbindungen zwischen Aluminium und hochfestem Stahl. Formschlüssiges Fügen mit Hilfe der EMPT repräsentiert eine sowohl technologische als auch wirtschaftliche Alternative zu mechanischen Crimp-Prozessen. Aufgrund der berührungslosen Druckaufbringung bei der EMPT werden Werkstücke über den gesamten Umfang gleichmäßig umgeformt. Auch koaxiale Positionierungsfehler der Fügepartner können beim EMPT-Fügen ausgeglichen werden. Darüber hinaus, weist die EMPT eine ausgezeichnete Wiederholbarkeit und eine sehr gute Regelungsmöglichkeit des magnetischen Druckes auf. Da keine Hilfsstoffe notwendig sind, kann das EMPT Fügen auch unter sterilen Bedingungen durchgeführt werden zum Beispiel für mit Hilfe der Pulsumformtechnik verschlossene Medikamentenflaschen aus Glas.

Das Fügen mit Hilfe elektromagnetischer Puls Technologie beschränkt sich nicht nur auf Strukturen niedriger Festigkeit. Vielmehr ist auch die Umformung - und somit auch das Fügen - höherfester Stahlbauteile möglich.

Formschlüssiges Fügen elektrischer Kontakte mittels der EMPT weist gegenüber mechanischen Verfahren eine höhere und gleichmäßigere Verpressung auf. Die elektrischen Übergangswiderstände EMPT gecrimpter Kabelanschlüsse sind teilweise 50% niedriger als die durch mechanisches Crimpen hergestellter Anschlüsse. Formschlüssiges Fügen ist in der industriellen Anwendung weit verbreitet. Unter Zuhilfenahme von Dichtelementen kann hierbei auch eine Gasdichtheit geschlossener Behälter gewährleistet werden.

Umformen[Bearbeiten]

Beim Umformen besteht die Möglichkeit, rohrförmige Strukturen zu komprimieren bzw. zu expandieren. Dabei können bei Raumtemperatur größere Umformgrade als mit konventionellen Methoden erreicht werden. Freiumformungen sind generell möglich, jedoch ist zur Gewährleistung geometrischer Toleranzen sowohl bei Kompression als auch bei Expansion der Einsatz von Dornen bzw. Gesenken notwendig. Oftmals ist es erforderlich, diese Stützelemente teilbar vorzusehen, so dass eine Ausformung des gefertigten Bauteils möglich ist.

Die Anwendungsmöglichkeiten des EMPT-Umformens beschränken sich nicht nur auf tubulare Produkte wie sie oft in Wärmetauschern eingesetzt werden. Auch das Umformen ebener Strukturen (Bleche) ist durch die Auslegung geeigneter Spulen möglich.

Schneiden[Bearbeiten]

Mit der EMPT lassen sich auch Bleche bis etwa 3mm Dicke schneiden. Diese müssen aus einem elektrisch leitenden Metall sein, z.B. Aluminium, Kupfer, Magnesium, Stahl oder hochfestem Stahl. Edelstahl ist aufgrund des höheren elektrischen Widerstands weniger dafür geeignet. Aber durch den Einsatz eines so genannten Treibers ist auch das Schneiden von Edelstahl oder Nichtleitern möglich.

In den meisten Fällen wird eine Schneidmatrize eingesetzt. Das kann im einfachsten Fall eine horizontale Stahlplatte sein, in die ein Loch gebohrt wurde. Über das Loch der Matrize wird das Blech gelegt. Über dem Blech wird eine elektromagnetische Spule installiert und fest verankert. Das Magnetfeld erzeugt in der Oberfläche des zu schneidenden Bauteils einen Wirbelstrom. Dieser wird vom Strom der Spule abgestoßen, da er nach der Lenzschen Regel in der Gegenrichtung zum Spulenstrom fließt. Die Abstoßung ist so stark, dass das Blech mit hoher Kraft auf die Schneidkanten der Matrize gepresst wird, und - ohne einen Stempel zu verwenden - z.B. ein Loch gratfrei ausgestanzt wird.

Um Löcher in Rohre zu schneiden, oder um Rohre in Stücke zu schneiden, wird ein Schneiddorn in das in einer Spule eingelegte Rohr gelegt. Wenn die Spule mit einem Strom beaufschlagt wird, verringert sich der Durchmesser des Rohres schlagartig, so dass es durch das Aufpressen auf den Schneiddorn zu einem Schnitt kommt.

Bei Rohren kommt es auf das Durchmesser zu Wandstärkenverhältnis an, z.B. 75mm Durchmesser und 2mm Wandstärke bei Aluminiumrohren. Die Schnittkanten sind generell gratfrei, was einer der Hauptvorteile des elektromagnetischen Puls Schneidens ist.[3]

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Stephan Kallee, Ralph Schäfer und Pablo Pasquale: Einsatz der Elektromagnetischen Puls Technologie (EMPT) – Anwendungsmöglichkeiten im Anlagen- und Behälterbau
  2. Ralph Schäfer und Pablo Pasquale: Die Elektromagnetische Puls Technologie im industriellen Einsatz
  3. Verena Käusel (IWU, Chemnitz), Dr. Ralph, Schäfer (PSTproducts) und Lars Engelbrecht (IWU, Chemnitz): Gepulste elektromagnetische Felder schneiden hochfeste Bleche
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