Bonner Modell der Hochschulevaluation
Das Bonner Modell der Hochschulevaluation ist ein Instrument zum Qualitätsmanagement an Hochschulen. Es wird als standardisiertes, modulares Verfahren zur Evaluation von Lehre, Forschung, Chancengleichheit und Nachwuchsförderung gemäß § 6 Hochschulrahmengesetz (HRG) angewendet. Die Entwicklung des Modells am Zentrum für Evaluation und Methoden (ZEM) der Universität Bonn geht zurück auf die Anforderungen des durch das Ministerium für Schule, Forschung und Wissenschaft (MSFW NRW) geförderten Projektes „Studienreform 2000+“.
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[Verbergen]Überblick[Bearbeiten]
Das Bonner Modell der Hochschulevaluation wurde an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Regelverfahren implementiert und steht auch anderen Hochschulen zur Verfügung. Beispielsweise kommt das Bonner Modell an der Universität Leipzig flächendeckend zum Einsatz. Das Verfahren beruht auf der Integration mehrerer verschiedener Datenquellen. Für die Datenerhebung werden vorwiegend webbasierte Fragebögen verwendet. Die Durchführung der Erhebungen erfolgt durch das Umfragezentrum des ZEM unter Berücksichtigung hoher Datenschutz- und Datensicherheitsstandards. Die Vorteile der Realisierung als Onlineverfahren liegen u.a. in seiner flexiblen Gestaltbarkeit (adaptive Fragebögen) und der schnellen Auswertbarkeit. Darüber hinaus gewährleistet dies eine kostengünstige und aufwandsarme Durchführung. Um die Leistungsbereiche einer Hochschule aus verschiedenen Perspektiven analysieren zu können, setzt sich das Verfahren aus verschiedenen Befragungsmodulen zusammen:
- Modul- und Lehrveranstaltungsevaluation,
- allgemeine Studierendenbefragung,
- Absolventenbefragung,
- Mitarbeiterbefragung.
Das Bonner Modell ermöglicht dadurch die Ableitung qualitätsverbessernder Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen:
- Gesamthochschule,
- Fakultät bzw. Fachbereich,
- Lehreinheit,
- Studiengang,
- Modul,
- Lehrveranstaltung.
Datenquellen[Bearbeiten]
Das Bonner Modell berücksichtigt mehrere Datenquellen, welche für die verschiedenen Befragungsmodule genutzt werden. Die Auswertung der Daten kann auf verschiedenen Aggregationsniveaus erfolgen. Entsprechend den Anforderungen des Gender Mainstreamings werden die Daten – soweit möglich – auch geschlechtsspezifisch ausgewertet. Die Datenquellen sind im Einzelnen:
Lehrveranstaltungsevaluation[Bearbeiten]
Die Lehrveranstaltungsevaluation dient der Qualitätssicherung und -entwicklung auf der Ebene einzelner Lehrveranstaltungen. Relevante Aspekte sind dabei beispielsweise die didaktische und inhaltliche Gestaltung durch die Lehrenden sowie eine Gesamtbewertung der Lehrveranstaltung durch die teilnehmenden Studierenden. Zusätzlich werden auch institutionelle Parameter wie z.B. die Qualität der Ausstattung der jeweiligen Veranstaltungsräume erfasst. In Veranstaltungen aus modularisierten Studiengängen können modulkorrespondierende Veranstaltungsziele durch die verantwortlichen Lehrenden formuliert werden. Die Ergänzung eigener Fragen ist den Lehrenden ebenfalls möglich.
Modulevaluation[Bearbeiten]
Die Modulevaluation ist ein wesentliches Element für die Analyse modularisierter Studiengänge und damit auch ein wichtiger Baustein für die Reakkreditierung eines Studienganges. Zu diesem Zwecke werden konzeptionelle Aspekte einzelner Module beleuchtet. Dazu gehören bspw. die inhaltliche Abstimmung der Lehre bzw. der Lehrveranstaltungen innerhalb eines Moduls sowie die Erfassung des konkreten Workloads der Studierenden. Weiterhin wird die Erreichung der jeweiligen Modulziele abgefragt.
Allgemeine Studierendenbefragung[Bearbeiten]
Einmal im Jahr werden die Studierenden gebeten, entsprechend ihrer persönlichen Wahrnehmung, Lehre und Studium, Chancengleichheit sowie Nachwuchsförderung an ihrer Hochschule zu bewerten und zu kommentieren. Als zeitlicher Bezugsrahmen gelten dabei jeweils die letzten beiden Semester. Der inhaltliche Fokus der allgemeinen Studierendenbefragung liegt auf der Beurteilung der allgemeinen Studienbedingungen sowie der Identifikation von Stärken und Schwächen der Studiensituation an der jeweiligen Hochschule. Im Einzelnen werden die Studierenden um die Bewertung folgender Aspekte gebeten:
- Lehre und Studium in einem der studierten Fächer (bspw. Beratungs- und Betreuungsangebote, Studien- und Prüfungsordnung, Ausstattung von Bibliotheken und Computerräumen sowie das generelle Lehrveranstaltungsangebot),
- Rahmenbedingungen des Studiums (bspw. Fachschaften und AStA, Universitätsbibliothek, zentrale IT-Services),
- Nachwuchsförderung und Image der Universität.
Erstsemester- und Studienortwechslerbefragung[Bearbeiten]
Die Erstsemester- und Studienortwechslerbefragung wird als Bestandteil der allgemeinen Studierendenbefragung durchgeführt und stellt die Beratung und Betreuung für Studienanfänger und Studienortwechsler in den Vordergrund. Der Befragungsfokus richtet sich deshalb insbesondere auf fach- und hochschulspezifische Orientierungsangebote.
Absolventenbefragung[Bearbeiten]
Die Absolventinnen und Absolventen der Hochschule werden ein Jahr, fünf und zehn Jahre nach ihrem ersten berufsqualifizierenden Abschluss an der Hochschule zu ihrem Einstieg in den Beruf befragt und um eine rückblickende Bewertung ihres Studiums gebeten. Die rückblickende Bewertung des Studiums dient der Ermittlung wichtiger berufsrelevanter Qualifikationen, um welche die universitäre Ausbildung gegebenenfalls ergänzt werden könnte. Fragen nach dem Image der Hochschule liefern weitere Anhaltspunkte für eine bessere Positionierung der Hochschule in der bestehenden Wettbewerbssituation. Der Schwerpunkt der Befragung zum ersten Erhebungszeitpunkt gilt dem Übergang in das Berufsleben. Die Absolventinnen und Absolventen werden weiter gebeten, ihre momentane bzw. erste berufliche Tätigkeit nach dem Studienabschluss zu beschreiben. Diejenigen Absolventinnen und Absolventen, die noch keinen Eingang ins Berufsleben gefunden haben, werden nach den Gründen dafür gefragt. Ein weiterer wichtiger Themenblock der Befragung zum ersten Erhebungszeitpunkt widmet sich etwaigen nach dem Hochschulabschluss erfolgten Aus- und Weiterbildungen. Ziel ist die Identifikation eines möglicherweise generell bestehenden universitären oder außeruniversitären Weiterbildungsbedarfs über den jeweiligen Studienabschluss hinaus. Die weiteren Erhebungen fünf und zehn Jahre nach dem Studienabschluss dienen insbesondere der Erfassung der weiteren beruflichen Laufbahn der Absolventinnen und Absolventen.
Befragung des wissenschaftlichen Personals[Bearbeiten]
Das zentrale Element dieser Befragung ist die Erfassung der Arbeitsbedingungen und -inhalte des wissenschaftlichen Personals. Wichtige Teilaspekte sind dabei die Serviceangebote der Bibliotheken und Rechenzentren sowie die Verfügbarkeit benötigter Materialien. Den besonderen Anforderungen des wissenschaftlichen Nachwuchses wird durch Fragen hinsichtlich der Vorbereitung und generellen Unterstützung in Bezug auf ihre jeweiligen Aufgabenbereiche Rechnung getragen.
Monitoringdaten der Hochschulverwaltung[Bearbeiten]
Neben den aus den o.g. Befragungen gewonnen wichtigen subjektiven Daten sieht das Bonner Modell der Hochschulevaluation auch objektive Kennzahlen aus der Hochschulverwaltung als wesentliches Element eines global angelegten Qualitätsmanagementsystems einer Hochschule vor. Zu diesen Kennzahlen gehört bspw. die Anzahl der Studierenden bzw. Absolventinnen und Absolventen in den jeweiligen Studiengängen. Weitere Kennzahlen beschreiben die personelle Ausstattung sowie die Verfügbarkeit von Lehrmitteln. Informationen über Studiendauer und Abschlussnoten der Absolventinnen und Absolventen ergänzen das Datenmaterial. Dank elektronischer Prüfungsverwaltungssysteme können auch Modulabschlussnoten mit geringem Aufwand für Auswertungen zur Qualitätsverbesserung verwendet werden. Dieses Datenmaterial liefert einen wichtigen Baustein für eine umfassende Beschreibung der Rahmenbedingungen der Lehre an der Hochschule. Für eine Betrachtung auf globaler Ebene können bspw. auch die Mittel für zentrale Einrichtungen einbezogen werden. Als Indikator für anwendungsbezogene Forschung wird die Zahl der Kooperationen mit externen Organisationen gewertet. Das Engagement der Hochschule bei der Nachwuchsförderung wird anhand der Aufbaustudiengänge, Graduiertenkollegs und Sonderforschungsbereiche betrachtet. Zur Analyse der Internationalität der Hochschule wird bspw. die Anzahl ausländischer Studierender, Promovendinnen/Promovenden, Stipendiatinnen/Stipendiaten sowie der Erasmusstudierenden betrachtet. Weiterhin werden bestehende internationale Kooperationen in die Gesamtschau einbezogen.
Panelerhebungen[Bearbeiten]
Zur unregelmäßigen Durchführung kurzer Befragungen zu aktuellen Themen unter den Studierenden, Absolventinnen und Absolventen sowie dem wissenschaftlichen Personal bieten sich Online-Panels an. Die Befragungsteilnehmer werden mittels der übrigen Befragungen nach dem Bonner Modell gewonnen. Die Fragestellungen solcher „Ad-hoc-Befragungen“ können auf das universitäre ebenso, wie auf das städtische Leben eines Studienstandortes abzielen. Die Befragungsergebnisse ermöglichen Beschreibungen aktueller Veränderungsprozesse und können für Fragestellungen außerhalb der regulären Hochschulevaluation genutzt werden.
Unterschiede zu anderen universitären Qualitätssicherungssystemen[Bearbeiten]
Im Unterschied zu sog. zweistufigen Evaluationsverfahren (interne und externe Evaluation/niederländisches Modell) bzw. zu reinen Lehrveranstaltungsbefragungen bietet das Bonner Modell verschiedene Vorteile:
- Vergleichbarkeit von Lehrveranstaltungen, Modulen, Studiengängen und Fächern,
- Maßnahmenwirkungsanalysen,
- Kombination verschiedener Analyseperspektiven,
- Identifikation geeigneter Kennzahlen,
- weitgehende Standardisierung unter Berücksichtigung erforderlicher Spezifizierungen,
- kostengünstige und aufwandsarme Anwendbarkeit,
- kurzfristige Aktualisierung und Anpassung der Befragungen.
Literatur[Bearbeiten]
- Costa, R. (2009). Das Bonner Modell der Hochschulevaluation: Erste Erfahrungen mit der Implementierung einer webbasierten Modul- und Lehrveranstaltungsevaluation. In: G. Rudinger, K. Hörsch & T. Krüger (Hrsg.), Forschung und Beratung – Das Zentrum für Evaluation und Methoden (S. 49-54). Göttingen: V&R unipress. ISBN 978-3-89971-761-7.
- Heidemann, K., Rietz, C., Krahn, B., Riek, S. & Rudinger, G. (2005). Das Bonner Modell der Hochschulevaluation: Ein universitätsweites Verfahren zur Bewertung von Hochschulleistungen. Zeitschrift für Evaluation, 2/2005, 195-219. ISSN 1619-5515.
- Hörsch, K. & Rudinger, G. (2009). Qualitätssicherung von Lehre und Studium an Hochschulen: Von Evaluationsergebnissen zu Maßnahmen – aktuelle Entwicklungen an der Universität Bonn. In: G. Rudinger, K. Hörsch & T. Krüger (Hrsg.), Forschung und Beratung – Das Zentrum für Evaluation und Methoden (S. 39-47). Göttingen: V&R unipress. ISBN 978-3-89971-761-7.
- Rudinger, G. (2009). Hochschulautonomie als Change Prozess: Der Weg zum umfassenden Qualitätsmanagement. In: G. Rudinger, K. Hörsch & T. Krüger (Hrsg.), Forschung und Beratung – Das Zentrum für Evaluation und Methoden (S. 25-37). Göttingen: V&R unipress. ISBN 978-3-89971-761-7.
Weblinks[Bearbeiten]
Website des Zentrums für Evaluation und Methoden (ZEM) der Universität Bonn