Aufgaben und Aufbau der Sicherheitspolizei im Dritten Reich
Aufgaben und Aufbau der Sicherheitspolizei im Dritten Reich war ein Beitrag des Chefs der Sicherheitspolizei (SiPo) Reinhard Heydrich zum 60. Geburtstag des Reichsinnenministers Wilhelm Frick zum 12. März 1937.
Inhaltsverzeichnis
Die Sicherheitspolizei als Kampfinstrument gegen innere und äußere Feinde[Bearbeiten]
Der Beitrag erschien zwei Jahre vor Beginn des Zweiten Weltkriegs und beschreibt und erklärt den nationalsozialistischen Sinn des (formalen) Zusammenschlusses von Kriminalpolizei und Geheimer Staatspolizei (Gestapo) zur Sicherheitspolizei. Der Tenor der Schrift zielt ganz auf den Kampf gegen innere und äußere Feinde. Es wird offen vom Kampf um die Existenz des NS-Regimes gesprochen, d. h. es ist eine Einstimmung auf den zukünftigen Krieg, der zwei Jahre später begann.
Dieser Krieg wird von der Basis politisch aus geführt werden und es fehlt nicht der Bezug zum Vokabular des Nationalsozialismus. Zum Feindbild gehört der „Untermensch“[1], der hier noch im Innern des Landes ausgemacht wurde, aber dann im Krieg gegen die Völker der Sowjetunion verwendet wurde. In diesem Zusammenhang werden auch die den als innenpolitische Gegner an erster Stelle genannt; ein deutlicher Hinweis darauf, gegen wen sich die Sicherheitspolizei in Zukunft richten wird. Für die Gestapo wird der Kampfauftrag eindeutig ausgesprochen: unmittelbarer Kampf gegen die politischen Feinde, diese zu erforschen, zu bekämpfen und zu vernichten.
Heydrich verwendet auch den Begriff des „Einzelmenschen“, der eine Gefahr für das NS-System mit seinen individuellen Interessen darstellt. Damit spricht Heydrich offen aus, dass für das NS-Regime der Mensch als individuelle Persönlichkeit nicht im Sinne des politischen Nationalsozialismus geduldet werden kann. Die Folgen für die polizeiliche Praxis sind absehbar: Verfolgung und Unterdrückung des individuellen Menschen, der sich nicht dem NS-Regime unterwirft. Konzentriert kommt diese Unterwerfung in der NS-Doktrin: „Du bist nichts, dein Volk ist alles“ zum Ausdruck.
Dokument[Bearbeiten]
Hinweis: der Text wird wie im Original wiedergegeben.
„Nach der einheitlichen Zusammenfassung der polizeilichen Aufgaben im Reich durch den Erlaß des Führers vom 17. Juni 1936 (RGBL I 487) hat der Reichsführer SS, Heinrich Himmler die gesamte deutsche Polizei im Rahmen des Reichsministeriums neu gegliedert. Entsprechend der großen Aufgabe der Gesamtpolizei – der Erhaltung der Ordnung im Reich und der Sicherung des Volkes in allen seinen Lebensgebieten – gibt es nach der Neuordnung eine Sicherheitspolizei und eine Ordnungspolizei.
Will man die Organisation der Sicherheitspolizei verstehen, muß man ihre Aufgabe kennen.
Die Gesamtaufgabe der Sicherheitspolizei ist, das deutsche Volk als Gesamtwesen, seine Lebenskraft und seine Einrichtungen gegen jede Art von Zerstörung und Zersetzung zu sichern. Die Aufgabe ist daher naturgemäß defensiver und offensiver Art. Defensiv hat sie die Angriffe aller Kräfte abzuwehren, die in irgendeiner Weise die Gesundheit, Lebenskraft und Handlungsfähigkeit des Volkes und des vom Volk organisierten Staates schwächen und zerstören können.
Offensiv hat sie vorausschauend alles Gegnerische zu erforschen und so zu bekämpfen, daß es gar nicht erst zerstörend und zersetzend wirken kann.
Welche Gegner sind es nun, die den Bestand der Volksgemeinschaft oder die Lebenskraft des deutschen Volkes gefährden, mit denen sich daher zwangsläufig die Sicherheitspolizei zu befassen hat?
Es sind erstens Einzelmenschen, die aus physischer und seelischer Degeneration sich aus den natürlichen Zusammenhängen der Volksgemeinschaft gelöst haben und als abgesunkenes „Untermenschentum“ hemmungslos ihren Trieben und individuellen Interessen dienen.
Es sind zweitens internationale weltanschauliche und geistige Kräfte, denen unser Volk in seiner rassischen Grundlage und in seiner seelischen, geistigen und politischen Haltung zur Verwirklichung ihrer Ziele im Wege steht und daher von ihnen bekämpft wird.
Wie arbeitet der Gegner?
Der vorher genannte Untermensch bedroht in doppelter Weise die Gesundheit und das Leben des Volkskörpers.
Indem er als Verbrecher die Gemeinschaftsordnung verletzt und erschüttert, indem er den volksfeindlichen Mächten als Werkzeug und Waffe ihrer Pläne nur Verfügung steht. Die internationalen, weltanschaulichen und geistigen Gegenkräfte arbeiten außenpolitisch, indem sie andere Staaten in Waffenkriege und Wirtschaftskriege gegen uns zu führen versuchen, innenpolitisch, indem sie in das nationalsozialistische geführte Volk Weltanschauungen und Ideologien hineinzutragen versuchen, welche die weltanschaulich-politische Zusammenfassung der völkischen Kräfte und damit die Einheit unseres Volkes gefährden.
Mit welchen Mitteln arbeitet der Gegner?
Der Einzelmensch und Verbrechen vollbringt sein Zerstörungswerk mit Hilfe aller bekannten Arten von Verbrechen, die die seelische, geistige und körperliche Lebenskraft des einzelnen Menschen und des Gesamtvolkes zu vernichten suchen.
Die internationalen Kräfte verwenden – sofern sie sich feindlicher Staaten bedienen – in erster Linie den käuflichen Untermenschen. Sie nutzen aber auch Menschen aus, in denen sich eine undeutsche weltanschaulich-politische Einstellung bis zum Haß und Verrat gegen das eigene Volk gesteigert hat.
Sie setzen diese Menschen ein zum Zwecke der Spionage und des militärischen, politischen und wirtschaftlichen Verrats, zum Zwecke der Zersetzung der Volkseinheit und Volkskraft als des deutschen potentiel de guerre[2].
In ihrer innenpolitischen Zerstörungsabsicht bedienen sie sich auch wieder des Untermenschentums, das stets zu Umsturz und Unordnung neigt, gleichzeitig aber auch der Anhänger ihrer eigenen politischen weltanschaulichen Organisationen, also des Judentums, des Freimaurertums und der politischen Kirchen. Darüber hinaus nutzen sie alle übrigen Gruppen im deutschen Volke aus, die bewußt oder irregeleitet irgendwelche dem deutschen Volke abträglichen Sonderinteressen (Legitimisten)[3] usw.) verfolgen. Während die Arbeit des an sich unpolitischen Untermenschen und Verbrechers im allgemeinen planlos geschieht (mit Ausnahme internationaler Verbrecherbanden), arbeitet das weltanschaulich-politische Verbrechertum äußerst planvoll, um durch unmittelbare Zersetzung der Volkseinheit und Zerstörung der Volkskraft das deutsche Volk als bedeutendsten Faktor deutscher und germanischer Prägung für ewige Zeiten aus dem Weltgeschehen auszuschalten.
In der praktischen Zersetzungsarbeit bedienen sich die politischen Gegner nur selten der offenen Kampfesform, in der Regel mehr der illegalen und der getarnten Form.
Illegal (z. B. Marxisten, Kommunisten, Ernste Bibelforscher usw.), indem sie ihre unmittelbare politische Arbeitsweise beibehalten, sie aber im geheimen und versteckt durchführen.
Getarnt (z. B. Juden, Freimaurertum und politische Geistlichkeit), indem sie die unmittelbare politische Arbeitsweise äußerlich aufgeben zugunsten einer scheinbar unpolitischen Tätigkeit in religiösen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen usw. Formen, in denen jedoch die weltanschaulich-politische Grundhaltung bewahrt wird. Das dauert bis zu dem Augenblick, in dem ihnen die Tarnung nicht mehr nötig erscheint.
Aus allem ergibt sich, daß die Bekämpfung und Abwehr dieser Kräfte eine Angelegenheit des Gesamtvolkes ist, und daß ein solcher Kampf niemals ein Ende findet, solange in der Welt solche Gegnerzentralen und Kräfte bestehen und arbeiten.
Für die Sicherheitspolizei bedeutet es, daß ihr in diesem Kampfe die Führung obliegt und daß sie als technisch und menschliche ausgesuchter Stoßtrupp des Gesamtvolkes ihre Aufgabe zu erfüllen hat.
Die Kriminalpolizei hat sich vor allem mit der Erforschung, Bekämpfung und vorbeugenden Verhinderung des allgemeinen und unpolitischen Verbrechertums zu befassen.
Die Geheime Staatspolizei hat in unmittelbarem Kampfe die politischen Feinde der Volksgemeinschaft zu erforschen und zu bekämpfen bzw. zu vernichten und abwehrmäßig die Gefahren einzuschränken. Sie hat aber auch vorbeugend durch rechtzeitiges Erkennen der gegnerichen Absichten die Zerstörungstätigkeit unwirksam zu machen.
Aus diesem Gesichtspunkte heraus entstand die derzeitige Organisation der Sicherheitspolizei.
In der Reichsinstanz werden im Geschäftsbereich des Reichsführers SS und Chefs der deutschen Polizei gemäß Erlaß vom 26. Juno 1936 die Angelegenheiten der Sicherheitspolizei in dem Chef der Sicherheitspolizei unterstehenden Hauptamt Sicherheitspolizei bearbeitet, das in die Ämter:
Verwaltung und Recht, Geheime Staatspolizei und Kriminalpolizei gegliedert ist.
Fachliche Zentralbehörden unter diesem Hauptamt Sicherheitspolizei sind gemäß Erlaß des Reichs- und Preußischen Min. d. I. vom 20. September 1936 V I 276/36 das Geheime Staatspolizeiamt in Berlin und das Preußische Landeskriminalpolizeiamt in Berlin.
Das Geheime Staatspolizeiamt ist nach dem Preuß. Gesetz vom 10. Februar 1936 die oberste Landesbehörde für die preußische Geheime Staatspolizei. Es ist eine Gründung des Ministerpräsidenten Göring aus dem Jahre der Machtübernahme 1933 und ist nunmehr die fachliche Zentralbehörde für alle Länder.
Das Preußische Landeskriminalpolizeiamt wurde durch Erlaß des Ministers Frick vom 18. Dezember 1934 aus der Berliner örtlichen Kriminalpolizei herausgeschält und (zwar noch als besondere Abteilung des Polizeipräsidenten Berlin) als fachliche Zentrale für die preußische Kriminalpolizei bestimmt. Mit dem letzten bereits erwähnten Erlaß vom 20. September 1936 ist es fachliche Zentralbehörde der Kriminalpolizei aller deutschen Länder geworden.
Daß selbstverständlich nunmehr alle Stellen der Geheimen Staatspolizei im Reich und alle Stellen der Kriminalpolizei im Reich gleiche Bezeichnungen führen und auch gleiche (nach Staatspolizei und Kriminalpolizei unterschiedene) Dienstausweise und Dienstmarken führen, mag nur nebenbei erwähnt werden.
In der Landes- und Preußischen Provinzialinstanz bestehen im Rahmen der Staatspolizei sogenannte Staatspolizeistellen, die unmittelbar dem Geheimen Staatspolizeiamt Berlin unterstehen. Der Leiter der Staatspolizeistelle ist zugleich gemäß Erlaß vom 20. September 1936 der politische Referent des Oberpräsidenten.
Im Rahmen der Kriminalpolizei versehen die Kriminalpolizeileitstellen die entsprechenden Aufgaben. Sie bleiben jedoch ihren bisherigen Polizeiverwaltungen eingegliedert, sind fachliche Aufsichstbehörden ihres Gebietes und unterstehen fachlich unmittelbar dem Preußischen Landeskriminalpolizeiamt.
In der Bezirksinstanz nehmen die Aufgaben der Geheimen Staatspolizei die Staatspolizeistellen, der Kriminalpolizei die Kriminalpolizeistellen wahr. Die Staatspolizeistelle ist wieder unmittelbar dem Geheimen Staatspolizeiamt Berlin unterstellt und handelt außerdem nach besonderen Vorschriften der zuständigen Staatspolizeileitstelle. Sie unterliegt zugleich der Weisungsbefugnis des preußischen Regierungspräsidenten bzw. der entsprechenden Behörde in den gesamten preußischen Ländern.
In Preußen ist der Staatspolizeistellenleiter zugleich der politische Referent des Regierungspräsidenten.
Als detachierte Bestandteile hat die Staatspolizeistelle nach den fachlichen Notwendigkeiten Außendienststellen und Grenzdienststellen einzurichten, die aber nicht selbständige Behörden sind.
In der Kreis- und Ortsinstanz sind die bestehenden Polizeibehörden auf dem Gebiet der Geheimen Staatspolizei an die Weisungen der Staatspolizeistelle gebunden, während sie auf dem Gebiete der Kriminalpolizei der fachlichen Leitung der Kriminalpolizeistellen unterstehen.
Wie erfolgt die Ausbildung der Beamten der Sicherheitspolizei?
Die ganze Organisation der Sicherheitspolizei würde unwirksam sein, wenn nicht die Menschen, die in ihr Dienst leisten, weltanschaulich, fachlich ud persönlich die Voraussetzungen erfüllen, welche die große Aufgabe erfordert. Das ist aber abhängig von der rassischen und charakterlich-menschlichen Auslese, vom Alter, von der weltanschaulichen Erziehung, von der fachlichen Schulung und letzten Endes vom Geiste, mit dem diese Menschen in ihrer Arbeit geführt werden. Dieser ganze Entwicklungsgang wird nach nationalsozialistischen Grundsätzen in dem Laufe der nächsten Jahre entsprechend geformt werden, so daß aus dem bisher rein fachlichen Polizeiinstitut der Sicherheitspolizei in Charlottenburg einmal die Führerschule für die Führer und Männer der Sicherheitspolizei wird. Sie wird über das Fachliche hinaus den Typus des soldatischen Beamten schaffen, der allein die stets im Weltanschaulichen begründeten Aufgaben der Staatspolizei wie der Kriminalpolizei erfüllen kann.Gewährleistet wird diese Entwicklung dadurch, daß der Reichsführer SS. H. Himmler durch das Vertrauen des Führers und des alten Nationalsozialisten Dr. Frick als Reichsführer SS und deshalb mit kompromißlosen nationalsozialistischem Geist die Führung dieser Gesamtpolizei innehat.“
Siehe auch[Bearbeiten]
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ Untermensch in der deutschsprachigen Wikipadia
- ↑ deutsch: Kriegspotential
- ↑ Legitimistische Studentenverbindung in der deutschsprachigen Wikipedia
- ↑ Reinhard Heydrich: Aufgaben und Aufbau der Sicherheitspolizei im Dritten Reich. In: Hans Pfundtner (Hrsg.): Dr. Wilhelm Frich und sein Ministerium; aus Anlaß des 60. Geburtstages des Reichs- und Preussischen Ministers des Innern Dr. Wilhem Frick am 12 März 1937. Zentralverlag der NSDAP, München 1937, OCLC 69359622, S. 149–153 (202 S.).