Österreichischer Gedenkdienst
Der Österreichische Gedenkdienst bietet eine Möglichkeit, den neunmonatigen Zivildienst durch einen 12 Monate dauernden Ersatzdienst im Ausland abzuleisten. International wird meist die englische Bezeichnung Austrian Holocaust Memorial Service verwendet.
Österreichischer Gedenkdienst | |
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Gründer | Andreas Maislinger |
Gründung | 1992, Innsbruck, Tirol, Österreich |
Aktionsraum | Global |
Schwerpunkt | Holocaust Gedenkstätten, Antifaschismus |
Methode | Zivilersatzdienst, Projekte, Seminare |
Website | www.gedenkdienst.org |
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines[Bearbeiten]
Das Programm Österreichischer Gedenkdienst wurde 1992 von Andreas Maislinger gegründet[1] und ist seit 1998 ein Teilbereich des Vereins Österreichischer Auslandsdienst. Es befasst sich mit den Opfern des Nationalsozialismus. Gedenkdiener arbeiten an Holocaustgedenkstätten, wie Museen und Forschungseinrichtungen, wie zum Beispiel dem Simon Wiesenthal Center in Los Angeles, dem Jüdischen Museum Berlin, dem European Roma Rights Centre in Budapest oder Yad Vashem in Jerusalem.
Seit mehreren Jahren werden Gedenkdiener auch an Einsatzstellen in ehemalige Zufluchtsländer der von den Nationalsozialisten verfolgten Opfergruppen wie zum Beispiel die Casa Stefan Zweig in Petrópolis (Brasilien), das Center for Jewish Studies in Shanghai sowie das Jewish Museum of Australia in Melbourne gesendet. Seit 1992 haben hunderte junge Gedenkdiener in 22 Ländern weltweit die Geschichte des Holocausts aufgearbeitet und damit einen wichtigen Beitrag zur österreichischen Vergangenheitsbewältigung geleistet.
Geschichte[Bearbeiten]
Vorgeschichte[Bearbeiten]
Der Innsbrucker Politikwissenschaftler und wissenschaftliche Leiter der Braunauer Zeitgeschichte-Tage Andreas Maislinger setzte sich ab Ende der 1970er Jahre[2] für die gesetzliche Verankerung dieser Art des Militärersatzdienstes ein, die die Aufklärung über den Holocaust zum Ziel hatte.[3] Am 10. Oktober 1980 hatte er auf Einladung von Anton Pelinka die Möglichkeit in der von Dolores Bauer geleiteten ORF-Sendung "Kreuzverhör" seinen "Zivildienst in Auschwitz"[4] vorzustellen. Bundespräsident Rudolf Kirchschläger hatte sein Konzept jedoch mit der Begründung "ein Österreicher hat in Auschwitz nichts zu sühnen" abgelehnt. Später anerkannte Kirchschläger "das positive Ergebnis" des von Maislinger "durchgesetzten Gedenkdienstes"[5].
1980/81 war Maislinger mit Joachim Schlör, als Freiwilliger tätig im von Volker von Törne und Christoph Heubner geleiteten Polenreferat der deutschen Aktion Sühnezeichen Friedensdienste. [6] Im Museum Auschwitz-Birkenau betreute er deutsche Jugendgruppen. Nach seiner Rückkehr war er noch stärker davon überzeugt ein ähnliches Programm auch in Österreich zu verwirklichen.[7] Unterstützt wurde er dabei vor allem von Simon Wiesenthal, Teddy Kollek[8], Ari Rath, Herbert Rosenkranz, Gerhard Röthler und Karl Pfeifer. Einer der Söhne Röthlers hat später Gedenkdienst geleistet und Pfeifer veröffentlichte ein Interview in der IKG-Zeitschrift "Die GEMEINDE".[9]
Realisierung[Bearbeiten]
Im Mai 1991 wurde Andreas Maislinger schließlich in einem Brief[10] von Innenminister Franz Löschnak darüber infomiert, dass der Gedenkdienst von der österreichischen Regierung als Alternative zum Zivildienst zugelassen wird und die dafür notwendigen Mittel bis zu einem festgelegten Rahmen vom Bundesministerium für Inneres getragen werden.
2001 wurde unter Innenminister Ernst Strasser ein Auslandsdienst-Förderverein[11] eingerichtet, der die Mittel an unabhängige Trägerorganisationen, wie zum Beispiel den Österreichischen Auslandsdienst, weiterverteilt.
Anerkennung[Bearbeiten]
„Als ehemaliger polnischer Polithäftling eines faschistischen Konzentrationslagers und als Historiker des Zweiten Weltkrieges möchte ich die ehrenvolle Gelegenheit, vor dem Hohen Haus sprechen zu dürfen, nutzen, um von ganzem Herzen jenen vielen Österreichern zu danken, die sich unermüdlich für das Gedenken an die Vergangenheit einsetzen. Dabei denke ich besonders an die Menschen aus dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes unter Leitung von Herrn Prof. Wolfgang Neugebauer, an die österreichische Lagergemeinschaft Mauthausen, an den Gedenkdienst, und auch an die örtlichen Initiativen der Gemeinden Gusen, Langenstein und St. Georgen in Oberösterreich, an den Arbeitskreis für Heimat-, Denkmal und Geschichtspflege.“
„Ich danke Ihnen für die Information über das positive Ergebnis des von Ihnen durchgesetzten Gedenkdienstes. Ich anerkenne, dass das von Ihnen initiierte Projekt fruchtbringender und wohl auch heilsamer geworden ist, als ich mir seinerzeit vorgestellt habe.[12]“
„Der Gedenkdienst ist eine besonders eindrucksvolle Initiative.“
„Ich fühle mich dieser Organisation sehr nahe und habe ungemein großen Respekt vor den Gedenkdienern, denn das, was sie leisten, ist der richtige Weg für Österreich - der Vergangenheit direkt in die Augen zu schauen und dagegen etwas zu tun. Und nicht zu sagen, wir waren die ersten Opfer.[13]“
„Ich habe oft behauptet, daß es keine österreichische Vereinigung gibt, die wie die deutsche Organisation "Aktion Sühnezeichen" junge Menschen nach Israel entsendet. Es hat mich daher berührt zu lesen, daß nun dank Ihres Einsatzes die Möglichkeit besteht, den österreichischen Zivildienst im Rahmen eines "Gedenkdienstes" zu absolvieren.“
„Die Initiative "Gedenkdienst" unterstütze und empfehle ich gerne. Sie ist ein wirklicher Dienst, den unser Land und junge Menschen leisten können und sollen.“
„Ich erachte das Projekt Gedenkdienst als eine wichtige und wertvolle Initiative im Dienste des Friedens und der Völkerverständigung.“
„Jede Generation muß sich der Schrecken einer vergangenen Zeit bewusst werden, um mitbauen zu können an einer Welt des Friedens und der Achtung der Menschenrechte. Das Projekt Gedenkdienst dient dieser wichtigen Aufgabe der Bewusstseinsbildung im Sinne des Wortes "Niemals Vergessen".“
„Ich verfolge die Arbeit des Gedenkdienst mit großem Interesse, und der Gedenkdienst hat meine volle Unterstützung.“
Einsatzstellen[Bearbeiten]
- Harbin (geplant)
- Shanghai – Center of Jewish Studies
- Berlin – Jüdisches Museum Berlin
- Moringen – KZ-Gedenkstätte im Torhaus Moringen
- München – Jüdisches Museum München
- London – Institute of Contempory History and Wiener Library
- London – The National Yad Vashem Charitable Trust
- Oradour-sur-Glane – Centre de la Mémoire d´Oradour
- Paris – Amicale de Mauthausen
- Paris – La Fondation pour la Mémoire de la Déportation
- Paris – Maison de la Culture Yiddish / Bibliothèque Medem
- Como – Istituto di Storia Contemporanea "Pier Amato Perretta"(ISC)
- Mailand – Centro Di Documentazione Ebraica Contemporanea
- Prato – Museo della Deportazione
- Jasenovac – Gedenkstätte KZ Jasenovac
- Oslo – Jodisk Aldersbolig
- Krakau – Galicia Jewish Museum
- Krakau – Zentrum für Jüdische Kultur
- Oświęcim – Auschwitz Jewish Center
- Warschau – Museum der Geschichte der polnischen Juden
- Moskau – Wissenschaftliches Zentrum „Holocaust“
- Stockholm – Forum för levande historia
- Uppsala – The Uppsala Programme for Holocaust and Genocide Studies
- Prag – Jüdische Gemeinde Prag
- Istanbul – Jüdisches Museum (geplant)
- Detroit – Holocaust Memorial Center
- Houston – Holocaust Museum Houston
- Los Angeles – Los Angeles Museum of the Holocaust
- Los Angeles – Simon Wiesenthal Center
- Los Angeles – USC Shoah Foundation for Visual History and Education
- New York - American Jewish Committee
- New York – Anti-Defamation League
- New York – Museum of Jewish Heritage
- Reno – Center for Holocaust, Genocide & Peace Studies
- Richmond – Virginia Holocaust Museum
- Saint Petersburg – The Florida Holocaust Museum
- San Francisco – Holocaust Center of Northern California
Auszeichnungen[Bearbeiten]
- 2005 erhielt Andreas Maislinger von Bundespräsident Heinz Fischer für die Gründung des Gedenkdienstes das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.[14]
- 2005 wurde ihm von Herwig van Staa und Luis Durnwalder die Verdienstmedaille des Landes Tirol verliehen.
- Am 10. Oktober 2009 wurde Andreas Maislinger vom Weltmenschverein mit dem Weltmensch-Preis ausgezeichnet[15].
- Am 8. November 2009 wurde er für die Realisierung und Leitung des Gedenkdienstes beim 2nd Annual Dinner des Los Angeles Museum of the Holocaust neben dem Holocaust-Überlebenden und Produzenten von Schindlers Liste Branko Lustig mit dem Lifetime Achievement Award ausgezeichnet.[16]
- Am 23. November 2009 wurde Thomas Böhler von der Welser Initiative gegen Faschismus für seinen Gedenkdienst in Prato mit dem Elfriede-Grünberg-Preis ausgezeichnet.
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ Positives Echo auf Österreichs ersten Zivildiener, der in ehemaligem KZ Auschwitz dient, Tiroler Tageszeitung, 12./13. September 1992
- ↑ Pressearchiv und Briefarchiv dokumentieren das erwähnte Engagement für den Gedenkdienst seit 1977.
- ↑ "Zivildienst in Holocaust Gedenkstätten": Dr. Peter Huemer und Dr. Andreas Maislinger, ORF Moment - Leben Heute, 9. März 1988
- ↑ Andreas Maislinger: "ZIVILDIENST" in Auschwitz, Stattblatt – Linzer Programm- und Belangzeitschrift 22/1980
- ↑ Brief von Dr. Rudolf Kirchschläger an Dr. Andreas Maislinger, Wien 3. Februar 1995
- ↑ Einsam unter Friedensengeln: Wehrdienstverweigerer Andreas Maislinger lebt alternativen Friedensdienst vor, PROFIL, 12. Juli 1982
- ↑ "Zivildienst in Holocaust Gedenkstätten", Dr. Peter Huemer und Dr. Andreas Maislinger, ORF "Moment - leben heute", 9. März 1988
- ↑ Teddy Kollek zum Projekt Gedenkdienst (Tiroler Tageszeitng, 12. Jänner 1993)
- ↑ Interview mit Dr. Andreas Maislinger, Die GEMEINDE, 22. Dezember 1982
- ↑ Brief von Innenminister Franz Löschnak an Andreas Maislinger, Die GEMEINDE, 22. Juil 1991
- ↑ Zivildiener: Neuer Verein für Auslandsdienste - "Verein zur Förderung des Auslandsdienstes", Der Standard, 5. März 2001
- ↑ Brief von Rudolf Kirchschläger an Andreas Maislinger, 3. Februar 1995
- ↑ Gerhard Marschall: Kohns großes Lob für den Gedenkdienst, Oberösterreichische Nachrichten, 9. November 1999
- ↑ Leute - Dr. Andreas Maislinger, Braunauer Rundschau, 29. September 2005
- ↑ Auszeichnung durch den Weltmenschverein, 10. Oktober 2009
- ↑ Gedenkdienst: Auszeichnung in den USA, salzburg.orf.at, 28. August 2009