Wirklichkeitstransfer

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Die medienwissenschaftliche These des Wirklichkeitstransfers basiert auf der Beobachtung des Medien- und Kommunikationswissenschaftlers Prof. Dr. Steinmann (Universität Bern), dass dessen Tochter Sophie während des Fernsehens regelrecht in eine andere Welt abdriftet. Diese Beobachtung führte zur Annahme, dass sich Medienrezipienten während der kommunikativen Phase so sehr in eine mediale Handlung versenken können, dass sie die fiktive, mediale Realität an Stelle der Realität als ihre primäre Realität wahrnehmen. Des weiteren wird angenommen, dass dieser Zustand in Einzelfällen über die kommunikative Phase hinaus, in der postkommunikativen Phase anhalten kann. Diesen mentalen Wahrnehmungswechsel von der realen Welt (primären Realität) in eine mediale, beziehungsweise virtuelle Welt benennt Steinmann mit dem Begriff Wirklichkeitstransfer. Im Gegensatz zu bereits bestehenden Theorien zu diesem Themen setzt das Autorenteam um Steinmann auf Interdisziplinarität. Das Thema wird somit nicht nur von medienwissenschaftlicher Seite, sondern gleichermaßen von psychologischer und soziologischer Seite untersucht. 2004 erschien der erste Reader zu diesem Thema unter dem Namen "Sophies zweite Welt". 2008 folgte das Buch "Exkursionen in Sophies zweiter Welt", in dem die Theorie des Wirklichkeitstransfers von Autoren unterschiedlicher Fachrichtungen kontrovers diskutiert wird.

Definition nach Steinmann 2008[Bearbeiten]

Der Wirklichkeitstransfer beschreibt ein Phänomen, welches bei der Nutzung von Medieninhalten, insbesondere fiktionaler Art, auftritt. Der Rezipient versetzt sich in der kommunikativen Phase in eine sekundäre (mediale) Realität, was (individuell und situativ unterschiedliche) Auswirkungen auf seine primäre Realität haben kann.

Thesen nach Steinmann 2008[Bearbeiten]

  1. Je nach Medium kann nicht nur von Kommunikation gesprochen werden.
  2. Neben der Medienrezeption gibt es einen Prozess, der mit dem Begriff „Wirklichkeitstransfer“ angenähert werden kann und der sich grundsätzlich von der Aussagenrezeption unterscheidet.
  3. Der (symbolische) Wirklichkeitstransfer befriedigt ein basales Handlungsmotiv des Menschen, nämlich den Drang, die Realität zu wechseln.
  4. Dieser Wirklichkeitstransfer führt in einen artifiziellen Medienraum, in welchen der Rezipient eintaucht, dort verweilt und mehr oder weniger intensiv von der primären Realität abdriftet (überwiegend in der kommunikativen Phase).
  5. Die Befähigung, die Realitätsräume zu trennen, ist unterschiedlich und daher folgt eine mehr oder weniger intensive Durchmischung bei den einzelnen Rezipienten. Kinder sind davon wohl mehr betroffen und die Langzeitwirkungen sind ungewiss.
  6. Der Einfluss dieses Transfers in die artifizielle Medienwelt nimmt im realen Leben eine zunehmend wichtige Stellung ein, zumal die einschlägigen Angebote der Medien in den letzten Jahren exponentiell angestiegen sind und noch weiter ansteigen werden.
  7. Die erweiterte Sicht auf das Potential der Menschen wird die Grenzen der Medienwissenschaft sprengen und auch in anderen Disziplinen von Bedeutung sein, z. B. Psychologie und Sozialpsychologie.

Literatur[Bearbeiten]

Steinmann, Matthias F./Groner Rudolf (hg.): Exkursionen in Sophies zweiter Welt. Haupt Verlag, Bern - Stuttgart - Wien 2008, ISBN 978-258-07308-8

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