Weltraumturm

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Ein Weltraumturm ist das Konzept eines Turmes, der so hoch ist, dass von seiner Spitze der Orbit vergleichsweise einfach erreicht werden kann. Bisher ist auf der Erde kein solcher Turm errichtet worden. Auf der Erde müsste die Spitze des Turmes mindestens die Kármán-Linie in 100 km Höhe erreichen, um als Weltraumturm zu gelten. Im Prinzip kann sie die geostationäre Bahn erreichen.

Allgemeines[Bearbeiten]

Auf der Erde wäre das Besondere an einem Weltraumturm seine Höhe von mindestens 100 km. Dies stellt besondere Herausforderungen an die Konstruktion. Der Nutzen eines solchen Turms läge in der Vereinfachung, den Weltraum zu erreichen. Anstelle von chemischen Raketen könnte ein Aufzug benutzt werden, um Nutzlasten in den Weltraum zu transportieren. Zum Anpassen der Bahngeschwindigkeit Delta-v könnte eine kleine Rakete eingesetzt werden. Ob ein Weltraumturm ökonomischer wäre als chemische Raketen, ist noch nicht im Detail untersucht worden und hängt stark vom Transportvolumen bzw. -gewicht ab.

Es sind auch Kombinationen von Weltraumturm und Weltraumlift per Kabel denkbar. Die Spitze des Turms könnte als Ankerpunkt für ein Weltraumkabel dienen. Wenn mehrere Weltraumtürme in einer Reihe errichtet würden, dann können sie für einen Raumsteg[1] genutzt werden[2].

Für einen Turm am Äquator, der die geostationäre Bahn erreichen würde, wäre keine Anpassung der Bahngeschwindigkeit notwendig. Bei kleineren Türmen müsste die Geschwindigkeit einer Nutzlast erhöht werden, um einen stabilen Orbit zu erreichen. Die Geschwindigkeit könnte ganz oder teilweise vom Aufzug mitgegeben werden. Die Nutzlast könnte auch zunächst etwas nach unten fallen, bevor die Bahngeschwindigkeit erreicht ist. Deswegen bräuchte man keine so starken Motoren, wie bei einem senkrechten Start vom Boden (hier muss direkt die Erdbeschleunigung überwunden werden – schon bei einem horizontalen Start kann man bereits schwächere Motoren einsetzen).

Vorteile gegenüber einem Weltraumlift per Kabel[Bearbeiten]

  • Ein Weltraumturm würde vom Boden nach oben errichtet und nicht von der geostationären Bahn aus nach unten und oben zugleich.
  • Ein Weltraumturm könnte im Prinzip an jedem Punkt auf der Erde errichtet werden und nicht nur am Äquator.
  • Weltraumtürme ließen sich auch auf Himmelskörpern errichten, die nicht oder nur sehr langsam rotieren, z.B. Mond, Venus.
  • Ein Weltraumturm wäre nicht so stark durch Weltraummüll gefährdet, da er nicht so hoch wäre, wie das Kabel des Weltraumlifts lang ist.

Nachteile gegenüber einem Weltraumlift per Kabel[Bearbeiten]

  • Ein Weltraumturm könnte nicht über die geostationäre Bahn (als Abstand von der Rotationsachse betrachtet) hinaus reichen, da ab dieser Höhe an der Spitze die Fliehkraft die Schwerkraft übersteigen würde. Diese Zugspannung könnte nicht (leicht) ausgeglichen werden.

Geschichte[Bearbeiten]

Die Idee eines statischen Weltraumturms tauchte erstmals 1895 in einer Abhandlung des russischen Weltraumpioniers Konstantin Ziolkowski auf, der einen solchen - inspiriert durch den Pariser Eiffelturm - erstmals vorschlug.

Marvin Minsky vom MIT und John McCarthy und Hans Moravec von der Stanford University vertieften die Idee des Weltraumturms in einer Diskussion mit Roderick Hyde und Lowell Wood vom Lawrence Livermore National Laboratory in den 1980ern, in der sie erstmals einen dynamischen Turm vorschlugen. Hier wurden Stationen in 2000 km Höhe vorgeschlagen, die sich nicht in einem stabilen Orbit befinden, sondern durch einen Massefluss stabilisiert werden. So können die Stationen ständig über einen festen Punkt der Erde stehen, während sich der Massefluss schneller als mit Orbitalgeschwindigkeit bewegt.

Konstruktion[Bearbeiten]

Zur Konstruktion hoher Türme sind drei verschiedene Techniken vorstellbar: Zum einen statische Türme, bei denen das Gewicht als Druck auf das Konstruktionsmaterial wirkt. Bei hohen Türmen ist viel Material notwendig. Diese Methode wird bis heute (2009) bei allen Türmen, die jedoch alle weniger als 1 km hoch sind und somit keine Weltraumtürme sind, verwendet. Zum zweiten sind Türme mit dynamischer Kompression möglich. Diese Technik wird zur Zeit (2009) noch nicht eingesetzt, obwohl sie technisch ohne weiteres möglich wäre. Zum dritten sind schwebende Türme möglich. Dabei ist das Baumaterial derart leicht, dass der statische Auftrieb in der Atmosphäre das Gewicht des Turms trägt.

Unabhängig von der Art des Turms wirken auf ihn die Schwerkraft und Fliehkraft (falls der Himmelskörper rotiert und der Turm nicht auf einem Pol steht) sowie Auftrieb, falls der Himmelskörper eine Atmosphäre hat. Ein Turm am Äquator oder an den Polen kann genau senkrecht errichtet werden. Falls der Turm an einem anderen Ort errichtet wird, wird er leicht zur Äquatorialebene gekrümmt sein, um die Veränderung der beiden Kräfte auszutarieren. Weil der Turm nicht exakt gerade ist, ist seine Länge durch die Bogenlänge zu beschreiben und nicht durch die Höhe. An den Polen ist die Höhe des Weltraumturms nicht durch die Fliehkraft beschränkt.

Statische Türme[Bearbeiten]

Bei statischen Türmen wird ein Material eingesetzt, das gut Druckkräfte aushält, um das Gewicht der Turmspitze zu tragen; zumeist ist dies Beton. Da jedes Material nur begrenzt Druckkräfte aufnehmen kann, ohne zerstört zu werden, muss man bei hohen Türmen an der Turmbasis eine große Grundfläche vorsehen. Der Turm verjüngt sich (etwa exponentiell) mit zunehmender Höhe, damit nirgends der Druck den Grenzdruck des Materials übersteigt. Die Größe der Fläche sowie die Verjüngung eines hypothetischen Weltraumturms auf der Erde wären derart extrem, dass der Bau eines solchen mit derzeit bekannten Baumaterialien praktisch unmöglich ist. Auf Himmelskörpern mit kleiner Masse wie zum Beispiel Deimos wäre ein statischer Weltraumturm einfacher umsetzbar.

Dynamische Türme[Bearbeiten]

Das Konzept von dynamischen Türmen beruht darauf, die Gewichtslast durch einen Massefluss abzufangen. Dieser Massefluss besteht aus bewegten Teilchen, die durch Abbremsen, Beschleunigen oder Umlenken einen Impuls auf die umgebene Konstruktion übertragen. Hierdurch können die Schwerebeschleunigung der Konstruktion oder andere Druckkräfte ausgeglichen werden. Das Konzept gleicht der Anordnung eines senkrechten Wasserstrahls, auf dem ein Ball getragen wird.

Schwebende Türme[Bearbeiten]

Im Prinzip sind hierfür Ballons übereinander zu stapeln. Der Höhenrekord für Ballons liegt bei 51,8 km (1972; Stand 1991), was nicht der für einen Weltraumturm erforderlichen Höhe von 100 km entspricht.

Pneumatische Türme[Bearbeiten]

Bei pneumatischen Türmen trägt ein Gas im Inneren den Turm. Die Gewichtslast der Nutzlast und der Turmhülle und des Turmgas selber erzeugen Druck auf das Gas. Da dieser Druck den Umgebungsdruck übersteigt, muss das Turmgas durch eine unter Spannung stehende Hülle festgehalten werde.[3].

Bei den meisten bekannten Materialien ist die maximale Zugspannung größer als die maximale Druckbelastung. Durch den pneumatischen Turm wird die bessere Zugeigenschaft für Türme genutzt, die auf Kompression beruhen. Weiter kann ein leichtes Traggas Auftrieb beisteuern.

Variationen der dynamischen Kompression[Bearbeiten]

Die Methode der dynamischen Kompression, diese liegt dem Massestrom zu Grunde, lässt viele Variationen zu:

  • Besonders hohe Falltürme oder Sendetürme.
  • Besonders lange Brücken, z.B. von Europa bis Amerika. Hier beginnt der „Turm“ nicht senkrecht sondern nahezu horizontal.
  • Stationäre Weltraumstationen in geringer Höhe (z.B. 100 km). Ein Massestrom im Orbit kann eine oder mehrere Weltraumstationen stützen, so dass sie über einen fixen Ort der Erdoberfläche schweben. Dazu muss der Massestrom schneller sein als die Bahngeschwindigkeit für einen gewöhnlichen Orbit, denn er hat die Stationen zu tragen.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Hochspringen The Space Pier. Abgerufen am 18. Juli 2010.
  2. Hochspringen Proposed Free Standing Inflatable Tower to Reach 20 to 200 kilometers. Abgerufen am 18. Juli 2010.
  3. Hochspringen B. M. Quine, R. K. Seth, Z. H. Zhu: A free-standing space elevator structure: a practical alternative to the space tether. (pdf) Abgerufen am 4. September 2009 (englisch).
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