Twist (Literatur)

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Ein Twist bezeichnet in der Literatur und im Film eine unvorhergesehene Wendung der Handlung, welche das zuvor Geschehene in einem neuen Licht erscheinen lässt.

Einer der Meister dieser Technik war der US-amerikanische Schriftsteller O. Henry.[1]

Arten von Twists[Bearbeiten]

Anagnorisis[Bearbeiten]

Anagnorisis (oder Wiedererkennung), wird benutzt, um plötzlich eine wichtige Information über einen Charakter zu enthüllen, die dem Leser/Zuschauer zuvor verborgen blieb. Eines der prominentesten Beispiele ist die Sage des Ödipus: Der Held tötet seinen Vater und heiratet seine Mutter, ohne zu wissen, dass es sich bei den beiden um seine Eltern handelt. Das erfährt er erst gegen Ende der Geschichte. Bekannt sind auch die Wiedererkennungen in dem Film The Others, wo eine Mutter glaubt, in einem Spukhaus zu leben, und erst gegen Ende des Films erfährt, dass sie und ihre Kinder selbst Geister sind, und in dem Film Fight Club, wo die Charaktere von Edward Norton und Brad Pitt als zwei Personen agieren und erst gegen Ende des Films klar wird, dass Brad Pitts Charakter ein Alter Ego von Edwards Nortons Charakter ist, da dieser unter einer gespaltenen Persönlichkeit leidet, ohne es selbst zu wissen.

Flashback[Bearbeiten]

Ein Flashback (Rückblende) wird für einen bestimmten Punkt einer Geschichte angewandt, um aus neuer Sicht wichtige Informationen für den weiteren Verlauf der Handlung zu liefern. Alfred Hitchcocks Film Marnie benutzt diese Art des Twists.

Twist durch Erzähler[Bearbeiten]

Auch der Erzähler kann einem Twist dienen: So wird der Prolog des Films Mad Max II – Der Vollstrecker von einem alten Mann gesprochen, der erst am Ende der Handlung enthüllt, jener kleine Junge gewesen zu sein, der Mel Gibsons Charakter Max während des Films immer wieder geholfen hat.

Deus ex machine[Bearbeiten]

Deus ex machina (lat. für Gott aus der Maschine) bezeichnet den Twist des Endes einer Geschichte durch eine fremde, unzureichend motivierte Macht. Die Bezeichnung geht auf das antike griechische Theater zurück, in dem Schauspieler, die einen Gott darstellten, mittels eines Krans auf die Bühne gehievt wurden und der Geschichte eine völlig neue Wendung gaben, meistens um ein positives Ende zu gewährleisten.

Peripetie[Bearbeiten]

Die Peripetie bezeichnet das Glück bzw. Unglück, das einem Charakter an einem bestimmten Punkt zustößt, um die Handlung in die richtige Richtung zu stoßen. Anders als die Deus ex machina jedoch muss eine Peripetie immer in die Rahmenhandlung passen und schlüssig sein. Beispiele hierfür sind der Mord an Agamemnon durch die Hände seiner eigenen Frau Clytemnestra in Aeschylus’ Orestie, oder das Ende von Der verbotene Schlüssel, in dem Kate Hudsons Charakter unrettbar im Körper einer alten Frau gefangen ist. Ein positives Ende widerfährt Michael Douglas’ Charakter in The Game, wo dieser, geplagt von Schuldgefühlen wegen des Todes seines Bruders, versucht sich umzubringen, indem er von einem Gebäudedach springt, nur um sicher in einem riesigen Luftkissen inmitten seiner eigenen Geburtstagsfeier zu landen.

Ausgleichende Gerechtigkeit[Bearbeiten]

Ausgleichende Gerechtigkeit (oder Poetische Gerechtigkeit) wird häufig benutzt, um einer Geschichte einen ironischen Twist zu verpassen, beispielsweise wenn der Schurke Opfer seiner eigenen Intrige wird. In C. S. Lewis’ Geschichte Der Ritt nach Narnia beispielsweise bleibt der böse Prinz Rabadash mit seinem Kettenpanzer an einer Klippe hängen, von wo er sich selbst nicht mehr befreien kann oder auch der Terminator mit seinen Stahlfingern sich auf glattem Boden nur mühsam entlangziehen kann.

Chekhov´s gun[Bearbeiten]

Chekhov’s gun (engl. für „Tschechows Pistole“) bezeichnet die Situation, wenn ein wichtiges Element sehr früh in der Handlung eingeführt, dann aber scheinbar achtlos fallengelassen wird, nur um sich gegen Ende der Geschichte als überaus wichtig zu erweisen. Beispiele hierfür sind der Geologenhammer, den Tim Robbins' Charakter Andy Dufresne zu Beginn des Films Die Verurteilten erhält. Nachdem die Handlung 19 Jahre lief, stellt sich heraus, dass Andy während dieser Zeit mit dem Hammer einen Tunnel gegraben hat, durch den er aus dem Gefängnis fliehen kann. Bekannt ist auch die Anfangsszene aus M. Night Shyamalans Film The Sixth Sense, in der Bruce Willis’ Charakter, Dr. Malcom Crowe, angeschossen wird. Da der Film normal weiterläuft, geht man davon aus, dass Crowe den Schuss mit einer leichten Verletzung überlebt hat, doch am Ende stellt sich heraus, dass er bei dem Vorfall gestorben ist, was er selbst nicht wusste. Auch die Schurken in den Scooby-Doo-Geschichten werden häufig als unwichtige Nebencharaktere eingeführt und dann bis zu ihrer Demaskierung am Ende der Geschichte fallengelassen. Da dieses Muster den Zuschauern mittlerweile bekannt ist, kann es zur Überraschungssteigerung auch umgekehrt verwendet werden. Ein Beispiel: Dem Messer, das bei Funny Games allzu deutlich am Anfang des Films am Boot verloren geht, wird am Ende noch einmal eine Rolle zugeschrieben, auch wenn der Versuch missglückt.

Roter Hering[Bearbeiten]

Ein roter Hering ist ein Mittel zur Ablenkung, um sowohl die Charaktere der Geschichte wie auch Zuschauer bzw. Leser von der eigentlichen Lösung abzulenken. Passende Beispiele für diese Technik sind der Film Saw, wo dem Zuschauer immer wieder falsche Informationen vermittelt werden, oder der Bollywood-Film Gupt: The Hidden Truth, der fast ausschließlich aus Schauspielern besteht, die man vorher nur in schurkischen Rollen kannte, sodass der Zuschauer sie automatisch verdächtigt, obwohl sie alle unschuldig sind. Eine bekannte Parodie findet sich in dem Videospielklassiker The Secret of Monkey Island, wo ein Troll, der eine Brücke bewacht, vom Helden einen Gegenstand verlangt, „der wichtig aussieht, aber zu nichts nütze ist“ - der Troll erhält einen roten Hering.

Cliffhanger[Bearbeiten]

Der Cliffhanger ist eines der ältesten und auch bekanntesten Stilmittel. Es wird häufig am Ende der Folge einer fortlaufenden Serie benutzt, damit der Zuschauer sich die nächste Folge ansieht, beispielsweise wenn sich der Held in einer ausweglosen Situation befindet, sodass sich der Zuschauer fragt, wie er da wohl wieder herauskommt. In der britischen TV-Serie Doctor Who findet sich der Held immer wieder in absolut unlösbaren Sackgassen wieder, nur um diese zu Beginn der nächsten Folge innerhalb weniger Sekunden nahezu problemlos zu lösen. In einer Folge der TV-Serie Lost hängt ein Protagonist buchstäblich an einer Klippe, dann folgt eine Werbepause. Auch in Büchern oder Filmen finden sich Cliffhanger, beispielsweise in Charlie staubt Millionen ab (The Italian Job).

Nicht-lineare Erzählweise[Bearbeiten]

Diese Form wird benutzt, um Handlung oder Charaktere in nicht-chronologischer Weise zu enthüllen. Durch diese Erzähltechnik können sich sowohl der Beginn der Geschichte als auch ihr Ende in einen klassischen Twist verwandeln. Ein Paradebeispiel ist Homers Odyssee, die fast ausschließlich durch Rückblenden des Erzählers und Helden Odysseus besteht. Bekannte Beispiele sind außerdem die Filme Mulholland Drive und Pulp Fiction oder die Fernsehserie Lost.

In medias res[Bearbeiten]

"In medias res" (lat. für inmitten der Dinge) bezeichnet die Erzähltechnik, inmitten oder auch am Ende einer Geschichte anzusetzen, und mittels Rückblenden zu enthüllen, wie es zu dieser Situation gekommen ist. Meist sind diese Rückblenden gespickt mit allerlei Twists, sodass man das zu Beginn gesehene Ende mit anderen Augen sieht. Prominente Beispiele hierfür sind die Filme Memento oder Prestige von Christopher Nolan.

Rückwärtige Chronologie[Bearbeiten]

Die rückwärtige Chronologie wird angewandt von Plots, die wortwörtlich mit dem Ende der Geschichte beginnen und dann die Handlung rückwärts erzählen. Im Laufe der Handlung wird das Ende, das man anfangs sah, plötzlich durch andere Augen gesehen, und ein Twist entsteht. Bekannte Filme sind die Filme Irreversibel und Memento.

Out of character[Bearbeiten]

Diese Form bezeichnet dargestellte Aktionen von Charakteren, die man vorher nicht von ihnen gewohnt war. So kann die Handlung einen Bogen schlagen oder eine neue Richtung einschlagen. Dabei ist zu beachten, dass die Out-of-character-Tat dennoch nachvollziehbar sein muss, damit der Zuschauer oder Leser nicht verwirrt oder enttäuscht ist. Ein passendes Beispiel ist Hideo Kojimas Videospiel Metal Gear Solid 2: Sons of Liberty, in dem der Protagonist, der sich während der Handlung als friedfertig und passiv darstellte, plötzlich als ehemaliger Kindersoldat enthüllt wird, der wegen seiner Brutalität bekannt war. So wird der Bogen zu einer Vater-Sohn-Beziehung mit dem Schurken geschlagen, der ihn ausbildete.

Literatur[Bearbeiten]

  • Celia Hixon: Twist Endings. In: Scavenger’s Newsletter. No. 124, Juni 1994

Siehe auch[Bearbeiten]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Nancy Kress: How to Write Successful Endings auf Writer’s Digest vom 11. Februar 2008

Weblinks[Bearbeiten]

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