Tissue-engineertes Mundschleimhauttransplantat
Tissue-engineertes Mundschleimhauttransplantat ist im Labor hergestelltes patienteneigenes Harnröhrenersatzgewebe. Tissue-engineertes Munschleimhauttransplantat gehört zur Produktklasse der biotechnologisch bearbeiteten Gewebeprodukte, auch „Tissue Engineering-Produkte“ genannt. Es dient in der Urologie als autologer (patienteneigener) Gewebeersatz zur Behandlung von Harnröhrenstrikturen. MukoCell ist das erste tissue-engineerte Mundschleimhauttransplantat mit einer Arzneimittelzulassung als Arzneimittel für neuartige Therapien.
Inhaltsverzeichnis
[Verbergen]Wirkmechanismus[Bearbeiten]
Der in vitro hergestellte Harnröhrengewebeersatz wird aus autologen (patienteneigenen) Mundschleimhautzellen über mehrere Wochen im Labor gezüchtet. Autologe Mundschleimhautzellen werden als eine kleine Biopsie (0,4 cm × 0,8 cm) aus dem Mund des Patienten entnommen, im Reinstraum Labor vermehrt und auf eine resorbierbare Trägermembran gebracht. Die Trägermembran mit den Mundschleimhautzellen wird zur Erweiterung der Harnröhre bei Harnröhrenstrikturen im Rahmen eines operativen Eingriffs in die Harnröhre eingenäht. Der eingebrachte Gewebeersatz führt nach wenigen Wochen zu einer Neubildung des Harnröhrengewebes an der behandelten Stelle. Die Sicherheit und Wirksamkeit des Produkts wurden in vitro-Untersuchungen, sowie tierexperimentell und klinisch überprüft.
Anwendungsgebiete[Bearbeiten]
Das tissueengineerte Mundschleimhauttransplantat wird in der Urologie zur Rekonstruktion/Erweiterung der Harnröhre bei Harnröhrenverengungen benutzt. Das Produkt wird im Rahmen eines operativen Eingriffs in Vollnarkose implantiert. Dabei wird die verengte Harnröhre eröffnet und das narbige Gewebe entfernt. Das in vitro hergestellte Gewebetransplantat wird nun an die vorbereitete Stelle so genäht, dass ein ausreichend weites Harnröhrenlumen rekonstruiert wird. Das in vitro hergestellte Gewebetransplantat wird mit resorbierbaren Nähten wie z.B. 4-0 Vicryl TF fixiert. Eine Abdeckung des Transplantates ist nicht nötig. Die Operationsdauer liegt bei circa 60 Minuten und ist deutlich kürzer als eine Rekonstruktion mit nativer Mundschleimhaut. Die postoperative Nachbehandlung erfolgt analog dem Vorgehen nach Harnröhrenrekonstruktionen mit nativer Mundschleimhaut. Eine postoperative Harnableitung ist für circa drei Wochen indiziert. In diesem Zeitraum ist eine antibiotische Behandlung notwendig. Die Dauer des Krankenhausaufenthaltes liegt bei etwa 5 bis 7 Tagen.
Am 21. Tag nach der Operation erfolgt eine Nachuntersuchung, bei der die Entscheidung zum Entfernen des Katheters vom Urologen getroffen wird. Nach Entfernung des Katheters wird der Harnstrahl gemessen. Innerhalb der nächsten Wochen wird der eingebrachte Gewebeersatz nach und nach vom körpereigenen Gewebe ersetzt.
Nebenwirkungen[Bearbeiten]
Der im Labor hergestellte Harnröhrengewebeersatz wird in einer offenen Harnröhrenoperation implantiert. Somit können Nebenwirkungen, die mit einer offenen Operation verbunden sind (wie zum Beispiel Harnwegsinfektionen, Wundheilungsstörungen, Schmerzen, Paravasate), auch bei der Anwendung des in vitro hergestellten Gewebeersatzes auftreten. Eine erneute Striktur ist nach einer Harnröhrenrekonstruktion mit nativer Mundschleimhaut als auch mit dem in vitro hergestellten Gewebeersatz möglich. Es liegen keinerlei Erfahrungen zum Einsatz des Produktes bei Patienten mit klinisch relevanten systemischen Krankheiten, wie schwere Autoimmunerkrankungen, nicht eingestelltem Diabetes mellitus oder schwerer Hypertonie oder bei schwangeren Frauen und Kindern vor. Patienten mit klinisch relevanten systemischen Krankheiten sollten daher postoperativ überwacht werden.
Weblinks[Bearbeiten]
- Website MukoCell
- http://www.pei.de/DE/arzneimittel/atmp-arzneimittel-fuer-neuartige-therapien/atmp-arzneimittel-fuer-neuartige-therapien-node.html
Literatur[Bearbeiten]
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- Knispel H, Spiegeler ME, Stuerzebecher B, Fahlenkamp D, Balsmeyer U, Romano G, Lazzeri M, Barbagli G, Ram-Liebig G. Urethroplasty with autologous tissue-engineered oral mucosa graft - Efficacy results in two centers: A safety assessment. Urology 2014;84(4):99.
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