Tilgung des Ausdrucks "Staatsbürger" aus deutschen Gesetzestexten im NS-Regime

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Die Tilgung des Ausdrucks "Staatsbürger" aus deutschen Gesetzestexten im NS-Regime wurde im Jahre 1935 mit der Verabschiedung des Reichsbürgergesetzes vom 15. September 1935[1] (RGBl. I S. 1146) vollzogen. Damit sollte nicht nur die völkische Konzeption der Deutung der Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung durchgesetzt werden, sondern die eindeutige nationalsozialistische Rassenlehre konnte in deutschen Gesetzestexten zur herrschenden Justizpraxis pervertieren.

Herkunft des Ausdrucks "Staatsbürger" in deutschsprachigen Gesetzestexten[Bearbeiten]

Im Jahre 1794 wurde in einem Entwurf der Überarbeitung des Codex Theresianus, der zu einem Bürgerlichen Gesetzbuch für Westgalizien führen sollte, erstmals in einem deutschsprachigen Gesetzestext der Begriff "Staatsbürger" verwendet[2]. In dem Westgalizischen Gesetzesbuch vom 13. Februar 1797 wurde dann in den Paragraphen 12, 13, 55 und 173 erstmals der Ausdruck "Staatsbürger" verwendet.[3]

Im späteren allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs vom 1. Juni 1811 fand dann der Ausdruck "Staatsbürger" eine begriffliche Fundierung, wobei der Ausdruck im Sinne eines Staatsangehörigen definiert wurde; womit auch die Figur der Staatsangehörigkeit erstmals angedacht wurde.

Zur Apologetik der Tilgung im NS-Regime[Bearbeiten]

Im Nationalsozialismus konnte eine definierte Freiheit des Induviduums gegenüber dem Staat keinen Platz haben. Aber genau diese Funktion erfüllte der Ausdruck "Staatsbürger". Der verunglimpfte "Einzelmensch" durfte im NS-Regime keine Berechtigung besitzen. Vielmehr sollte aus dem Mitglied der Gesellschaft ein "Glied des Volkes" werden, wie es Herbert Kier begründete. Aus dem Angehörigen eines Teilstaates sollte ein Angehöriger des Reiches werden: der Reichsbürger.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Hochspringen Reichsbürgergesetz
  2. Hochspringen Herbert Kier, Über die erste Verwendung des Ausdrucks "Staatsbürger" in der deutschen Gesetzessprache, in: Deutsche Juristen-Zeitung, 41. Jahrgang, 1936, Heft 4, S. 237-239
  3. Hochspringen Text des Westgalizischen Gesetzesbuches vom 17. Februar 1797
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