Tiergestützte Pädagogik, Therapie und soziale Arbeit mit landwirtschaftlichen Nutztieren

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Im Rahmen der Tiergestützten Therapie, Pädagogik und sozialen Arbeit mit landwirtschaftlichen Nutztieren kommen Esel, Geflügel, Pferde, Rinder, Schafe, Schweine, und u. A. Ziegen zum Einsatz. Das intensieve Árbeiten mit Pferden findet erstrangig über Bodenarbeit statt –es erfolgt eine strikte Abgrenzung zur Hippotherapie oder zum Heilpädagogischen Reiten/Voltigieren.

Tiergestützte Therapie mit Nutztieren hat die Heilung von Krankheiten zum Ziel und wird ausschließlich von ausgebildeten Therapeuten durchgeführt. Die Therapeuten verfügen über ein Verständnis von der Persönlichkeitsstruktur des Menschen, von der Entstehung psychischer bzw. physischer Störungen sowie spezifische Kenntnisse über Methoden bzw. Verfahren, die bei der Heilung und Linderung von seelischen bzw. körperlichen Problemen angewendet werden, mitbringen (PsychotherapeutInnen, PhysiotherapeutInnen, etc.).
Bei Tiergestützter Pädagogik und sozialer Arbeit geht es um die Förderung der körperlichen, geistigen und seelischen Gesundheit und des Wohlbefindens, um Erziehung und Bildung und um den Erwerb von Handlungsstrategien für die Bewältigung des Alltags. Qualifizierte Fachkräfte wie KleinkindpädagogInnen, BehindertenpädagogInnen, SonderschullehrerInnen, SozialarbeiterInnen, etc. wenden ihre beruflichen Kenntnisse im tiergestützten Setting an.

In der Regel kommen die KlientInnen auf den Bauernhof, der einen ganzheitlichen Erlebniswert bietet und neben dem intensiven Tierkontakt auch grundlegende landwirtschaftliche Tätigkeiten und Abläufe in den pädagogischen/therapeutischen Prozess mit einbezieht.

Für eine qualitativ hochwertiges tiergestütztes Arbeiten mit Nutztieren , welches Sicherheitsaspekte und ethische Überlegungen berücksichtigt, sind artgerechte Haltung, eine sorgfältige Auswahl und eine fundierte Ausbildung der Nutztiere unerlässlich. Artgerechte Haltung bedeutet ausreichend Platz und Bewegungsmöglichkeit im Stall, Kontakt mit Artgenossen, regelmäßigen Auslauf und frische Luft. Die sorgfältige Auswahl bezieht sich vor allem auf Gesundheit und erforderliche Wesensmerkmale der Tiere. Die fundierte Ausbildung der Nutztiere umfasst eine fachgerechte Sozialisation, bei der die Nutztiere lernen engen Kontakt mit Menschen stressfrei zu erleben. Es sollten ausschließlich Trainingsmethoden zur Anwendung kommen, die auf positiver Verstärkung basieren und die die Nutztiere über Belohnung zum Lernen motivieren. Ein liebevoller und geduldiger Umgang mit den Tieren sowie zeitlich begrenzte Einsatzzeiten, die den Therapietieren Ruhe und Ausgleich ermöglichen, sollten selbstverständlich sein. Wesentlich ist, dass das Therapietier trotz umfassender Ausbildung seinen eigenen Willen und seine individuelle Persönlichkeit behält - denn nur dann kann es das Verhalten der KlientInnen spiegeln und so dazu beitragen, dass sich KlientInnen ihrer Verhaltensmuster bewusst werden und dass folglich Verhaltensänderungen in Gang gesetzt werden. Das Training der Nutztiere wird immer in Bezug zu den praktischen tiergestützten Einheiten mit den KlientInnen gesetzt. Den Tieren werden Lektionen beigebracht, die eine Umsetzung von therapeutischen und pädagogischen Zielen bei den KlientInnen ermöglichen bzw. unterstützen.

Die einzelnen Nutztierarten weisen unterschiedliche artspezifische Eigenschaften auf, wodurch Nutztiere ein breites Wirkungsspektrum bieten:

Rinder zeichnen sich durch ein sehr ruhiges Wesen aus und können aufgrund ihrer festgelegten Rangordnung positive Führungsqualitäten vermitteln. Rinder strahlen durch ihre langsamen und bedächtigen Bewegungen sowie durch das lange und monotone Wiederkäuen Ruhe, Entspannung und Gelassenheit aus. Dies überträgt sich vor allem auf gestresste, hektische sowie hyperaktive KlientInnen.

Das Charakteristische an Ziegen ist ihre natürliche Zutraulichkeit, Unbefangenheit und Lebensfreude. Ihr neugieriges und kommunikatives Wesen trägt dazu bei, dass vor allem zurückgezogene und sozial isolierte KlientInnen wieder in Kontakt mit anderen treten. Da Ziegen Kletterkünstler sind, lässt sich mit ihnen leicht ein aktivierendes tiergestütztes Programm mit den KlientInnen gestalten. Mit ihrem verspielten Verhalten und ihren originellen und witzigen Einfällen bringen Ziegen die Leute zum Lachen. Ein weiteres auffälliges Wesensmerkmal der Ziegen ist ihre Eigenwilligkeit und Selbstbewusstheit.

Schweine haben einen großen Bewegungsdrang, der in direktem Zusammenhang mit ihrem ausgeprägten Erkundungsverhalten steht. Aufgrund ihrer schnellen Auffassungsgabe machen sie beim Training große Fortschritte und können selbst komplexere Aufgabenstellungen meist leicht lösen. Da Schweine selbst sehr aktive Tiere sind, beteiligen sie sich mit Begeisterung an diversen Spielen und Aktivitäten. Schweine bieten Abwechslung und wirken auf die KlientInnen einerseits aktivierend und motivierend. Andererseits kommen viele KlientInnen beim Beobachten der Schweine auch sehr zur Ruhe, weil sie es spannend finden, das rege Treiben der Schweine für längere Zeit zu beobachten.

Schafe haben den stärksten Herdentrieb unter den Nutztieren, sog. „homerange“, d.h. sie repräsentieren stabile soziale Bindungen und besonders ausgeprägte soziale Integration innerhalb der Gruppe. Schafe zeichnen sich durch ausgesprochene Sanftheit und geringe Körpergröße aus, was bei den KlientInnen vertrauensfördernd wirkt. Schafe sind in ihrer Kontaktaufnahme - im Gegensatz zu Ziegen beispielsweise - in keinster Weise fordernd oder bedrängend, sondern eher abwartend oder zurückhaltend einladend. Das ist für KlientInnen mit Ängsten oder Traumatisierungen von enormem Vorteil. Ähnlich wie Rinder strahlen Schafe große Ruhe und innere Zentriertheit aus. Um den stark ausgeprägten Fluchtinstinkt bei Schafen auszuschalten, ist eine optimal durchgeführte Sozialisation besonders wichtig.

LandwirtInnen, die auch eine therapeutische, pädagogische oder soziale Grundqualifikation mitbringen und auf ihrem Hof tiergestützt mit Nutztieren arbeiten wollen, können hierzu eine Zusatzqualifikation erwerben, die in Österreich vom Österreichischen Kuratorium für Landtechnik und Landentwicklung (ÖKL) in Kooperation mit dem Ländlichen Fortbildungsinstitut (LFI) angeboten wird.

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