The Real Book – Aachen Edition
The Real Book – Aachen Edition ist eine von Stefan Michalke und Heribert Leuchter Anfang 2022 herausgegebene Zusammenstellung von Kompositionen der Aachener Jazzszene, die als Lead-Sheets wiedergegeben sind.
Inhaltsverzeichnis
[Verbergen]Entstehung[Bearbeiten]
Ausgehend vom Berklee College of Music in Boston wurde in den 1970er Jahren mit dem ersten Real Book eine allseits respektierte Sammlung von transkribierten Jazzkompositionen verschiedener Autoren verbreitet. Darin und in einer ganzen Reihe nachfolgender Ausgaben mit Überarbeitungen und Transpositionen findet sich inzwischen ein reicher Fundus an Jazzrepertoire, der weltweit an Akademien, Colleges und Musikhochschulen mit Jazz-Studiengängen, aber auch bei offenen Jamsessions genutzt wird. Europäische Jazzmusiker haben über die Jahre hinweg ihre eigene Stimme entwickelt. In Deutschland konnten sie erst nach den Diffamierungen und Verboten im Nazi-Deutschland wieder ihre Jazztradition aufgreifen, während sie in den Nachbarländern durchgängiger gepflegt wurde.[1]
In Aachen wurde Anfang der 1950er Jahre mit dem Malteserkeller einer der ersten Jazzclubs Deutschlands eröffnet.[2] Im bedeutendsten deutschsprachigen Musiklexikon Die Musik in Geschichte und Gegenwart, (Sachteil Bd. 1 "Aachen") wird unter Bezugnahme auf zwei ältere Veröffentlichungen und mit Bezug auf den Jazz die Relevanz der lebhaften alternativen Musikszene Aachens hervorgehoben, die sich auch in den Musikproduktionen zeige. Das Thema Jazz in Aachen ist im Kontext des ehemaligen GMD Peter Raabe, der leidenschaftlich gegen den Jazz kämpfte, von besonderer kulturpolitischer Relevanz.[3] Früh etabliert sich in der Wallonie mit Jazz Bilsen das für viele Jahre wichtigste Jazz-Festival im gesamten Grenzraum. Die heutige Euregio Maas-Rhein mit ihren vier Nachbarprovinzen ist geradezu ein Schaufenster für moderne Jazzentwicklung in Europa mit zahlreichen Festivalbühnen und kompetenten Veranstalter-Initiativen.[4] Der Zusammenschluss von mehr als zehn Jazzorganisationen aus drei Ländern zu EUJazz bündelt seit fast 20 Jahren erfolgreich die Aktivitäten u. a. bei Netzwerkarbeit und Medienpräsenz, bei der Vergabe von Jazzpreisen und in Veranstaltungsprogrammen. Die Aachen Edition des Real Book folgt unmittelbar einer Initiative von Jazz Maastricht und limburgischen Musikerkollegen mit dem Real Book Limburg Edition.[5] Beide Hefte sind Teil einer längerfristig angelegten Serie von weiteren Real Books aus der Euregio – und damit ein sichtbares Zeichen grenzüberschreitender Jazzkultur und Zusammenarbeit. Der Initiative und Unterstützung von Jean Haesen und Norbert Kögging von Stichting Jazz Maastricht war eine schnelle Realisierung des Projektes zu verdanken.[6] Zahlreiche der in diesem Sammelband vertretenen Komponisten sind wiederholt überregional aufgetreten (Tourneen, Soloauftritte bei relevanten Festivals oder Festspielen) oder wirkten wiederholt in überregionalen Hörfunk- oder Fernsehausstrahlungen mit. Auch in musikwissenschaftlicher Hinsicht ist relevant, dass hier die Kreativszene einer deutschen Großstadt in einzigartiger Weise namentlich und künstlerisch dokumentiert ist.
Inhalt[Bearbeiten]
„Priorisiertes Ziel der Herausgeber bei der Stückauswahl für das Real Book Aachen Edition Vol. 1 war eine möglichst breite Akzeptanz bei Musikautoren wie bei Nutzern. Manuskriptwerke auch von jungen und unbekannten Komponist*innen wurden zusammengeführt mit Kompositionen von erfahreneren Autor*innen, deren Titel bereits aufgenommen und veröffentlicht sind. Die Angaben hierzu sind mitsamt Web-Links bei den Einzeltiteln vermerkt.“[7] Aufgrund des komprimierenden Lead-Sheet-Formates konnten die 99 Kompositionen der 42 Aachener Komponisten auf 160 Seiten dargestellt werden.[8] Eine adäquate Aufführung setzt deshalb einen routinierten Umgang mit der Jazzstilistik und der hier verwendeten Akkordsymbole voraus. Einige Kompositionen sind textierte Vokalwerke, wobei alle aufgeführten Stücke als Basis für Improvisationen zu verstehen sind. Die meisten der hier aufgeführten Aachener Musiker und Musikerinnen waren in den Jahren 2010–2021 durch öffentliche Auftritte aktiv tätig. Andere sind einer früheren Aachener Zeit zuzuordnen oder sind aus unterschiedlichsten Gründen nicht mehr konzertant in der Öffentlichkeit tätig. Andere begannen ihre musikalische Laufbahn in Aachen und wirken jetzt in der Nähe Aachens oder in Berlin, Köln, München usw. Folgende Komponisten sind seit längerer Zeit durch ihre Kompositionen überregional bekannt, die auch auf CDs veröffentlicht und in der Presse besprochen wurden, z.B. Manfred Leuchter, Heribert Leuchter, Lucas Leidinger, Jürgen Sturm, Stefan Michalke, Christoph Titz, Sabine Kühlich, Claudius Valk, Sara Decker, Gerd Breuer, Gerd Breuer und Simon Oslender. Andere Komponisten dieses Sammelbandes wie z.B. Werner Hüsgen ziehen es vor, ihre Aktivitäten ausschließlich auf ihrer eigenen homepage zu veröffentlichen.[9]
Musikhistorische und kulturpolitische Bedeutung[Bearbeiten]
Bislang ist aus keiner anderen Stadt Deutschlands ein derartig umfangreicher Sammelband mit Werken 42 zeitgenössischer Komponist*innen des Jazz bekannt. Damit wird ein musikhistorisch bedeutsamer neuer Akzent gesetzt. Durch die hier dokumentierte euregionale Zusammenarbeit eröffnet sich weiterhin eine bislang in dieser Form einmalige kulturpolitische Kategorie, die vom zuständigen NRW-Ministerium als förderungswürdig anerkannt wurde.
Weblinks[Bearbeiten]
- Das Editorial gibt Infos zum Bezug des Sammelbandes bei der GZM Aachen und der Mufab Aachen
- Luxaries
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- Hochspringen ↑ Verbot des Jazz im Rundfunk vgl. Bernd Hoffmann : Aspekte zur Jazz - Rezeption in Deutschland. Afroamerikanische Musik im Spiegel der Musikpresse 1900 – 1945 , Jazzforschung / Jazz Research 35 , Graz 2003, Auszüge Konkret lässt sich die Umsetzung des Verbotes und die Auswirkungen für den Aachener Raum nachweisen: Meister des Jazz war eine halbstündige Sendereihe die Samstagabends von 1929 - 1933 von der WERAG (Westdeutsche Rundfunk AG) in Köln ausgestrahlt wurde, in Aachen empfangen und 1933 eingestellt wurde. Der ehemalige Aachener GMD Peter Raabe begrüßte das Verbot des „Nigger-Jazz“ im deutschen Rundfunk vom Oktober 1935 außerordentlich(Peter Raabes Schreiben vom 16. Oktober 1935, veröffentlicht in der Zeitschrift Funk und Bewegung 5, Nr. 11 (November 1935), S. 5)
- Hochspringen ↑ Siegbert Storch, Jan Werth: Malteserkeller Aachen 1958–1968, MKEdition by Siegbert Storch, Aachen, 1. und 2. Auflage, 224 Seiten, Aachen 2018/19, ISBN 978-3-00-060706-6.
- Hochspringen ↑ Okrassa betont, Raabes Einstellung hinsichtlich der „Säuberung“ des Musiklebens von Unterhaltungsmusik und Jazz sei rigoroser gewesen als die von Goebbels (Nina OKrassa: Peter Raabe - Dirigent, Musikschriftsteller und Präsident der Reichsmusikkammer (1872-1945), Köln: Böhlau, 2004, S. 332. Konkrete weitere Nachweise vgl. Lutz Felbick, Das „hohe Kulturgut deutscher Musik“ und das „Entartete“ – über die Problematik des Kulturorchester-Begriffs. In: Zeitschrift für Kulturmanagement, 2/2015, S. 85–115.online.)
- Hochspringen ↑ Dazu gehört beispielsweise die Gesellschaft für Zeitgenössische Musik Aachen in der Aachener Klangbrücke oder Jazz Maastricht.
- Hochspringen ↑ Real Book Limburg Edition
- Hochspringen ↑ Die Informationen zur Entstehung sind dem Vor- und Nachwort des Buches entnommen.
- Hochspringen ↑ Zitat aus dem Vorwort des Real Book Aachen Edition Vol. 1
- Hochspringen ↑ Info bei Facebook von Stefan Michalke vom 9.1.2022.
- Hochspringen ↑ Homepage Werner Hüsgen