Social Media Governance

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Unter Social Media Governance werden Strategien, Regeln und Strukturen für den Einsatz von Social Media (dt.: soziale Medien, umfasst Web-Dienste, die den Austausch von Meinungen, Eindrücken und Erfahrungen ermöglichen) im Rahmen der Organisationskommunikation zusammengefasst. Darin sind sowohl langfristige Konzepte als auch Zuständigkeiten und organisatorische Voraussetzungen geregelt. Social Media Governance gewinnt durch den weit verbreiteten Einsatz von Social Media zunehmend an Bedeutung, um die Risiken des Kontrollverlustes im Social Web auszugleichen und neu entstandene Chancen zu nutzen.

Begriffsdefinition[Bearbeiten]

Der Begriff „Social Media Governance“ basiert auf der Übertragung des Governance-Konzeptes auf den Einsatz von Social-Media-Anwendungen in Organisationen:

Governance“ (von frz. "gouverner" verwalten, leiten, erziehen aus lat. "gubernare"; gleichbed. griech. "kybernan": das Steuerruder führen; vgl. Kybernetik) im eigentlichen Sinne stammt aus der Politikwissenschaft und meint die Summe aller Mittel zur Kontrolle und Koordinierung bei der Verwaltung von Interdependenzen zwischen zumeist kollektiven Akteuren. Daran sind nicht nur politische Instanzen beteiligt, sondern auch private oder wirtschaftliche Akteure.[1] Übertragen auf die Betriebswirtschaft meint „Corporate Governance“ den übergreifenden Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens.[2] Die Corporate Governance gibt hier den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen vor, insbesondere bezüglich der Einbindung des Unternehmens in sein Umfeld, während sich die Unternehmensverfassung primär mit der Binnenordnung des Unternehmens befasst.[3] Die Governance-Struktur eines Unternehmens bezieht sich darüber hinaus auf Zieldefinitionen, die Kontrolle von Ressourcen und die Aufteilung der Ergebnisse. Dies kann in Form eines Feedback-Kreises erfolgen, indem die Bewertung von umgesetzten Maßnahmen und deren Ergebnissen in die Formulierung neuer Ziele einfließen. „Media Governance“ befasst sich diesem Konzept entsprechend mit der Regulierung der Strukturen, Prozesse und Inhalte von Medien.[4] Im Zentrum steht bei allen drei Ansätzen die Bedeutung des strukturellen Rahmens für darin stattfindende Handlungen.

Dementsprechend umfasst „Social Media Governance“ die Rahmenbedingungen für die Verwendung von Social Media. Darunter fallen insbesondere Strukturen wie Regeln und Ressourcenverteilungen aber auch übergreifende Strategien. Sie schafft die für den Social-Media-Einsatz, beispielsweise in der Unternehmenskommunikation, notwendigen Randbedingungen; regelt, wo Freiheiten gewährt werden, wo es Lenkung bedarf und trifft konkrete Aussagen zur spezifischen Weiterentwicklung der Organisation. Social Media Governance gibt somit Antworten auf folgende organisationsübergreifenden Fragen:[5]

  • Wo werden Social Media bei uns in der Organisation und in unserem Eco-System (u.a. Marktpartner, Kunden) schon genutzt?
  • Welche Bedeutung haben Social Media für unser Unternehmen und unsere Geschäftsprozesse?
  • Welche Chancen und Risiken sind damit verbunden?
  • Wie gelingt es uns, Social Media erfolgreich in die eigene Organisationen zu integrieren?
  • Welche Ressourcen werden dafür benötigt?
  • Wie sorgen wir dafür, dass Gesetze, verpflichtende organisatorische Anforderungen oder Branchen-Kodizes nicht verletzt oder unterlaufen werden?
  • Wie stellen wir als Unternehmen sicher, dass aus den Social-Media-Aktivitäten von Mitarbeitern kein Schaden für deren Karriere oder das Unternehmen entsteht?
  • Wie gelingt es einem Unternehmen, über das Empowerment der eigenen Mitarbeiter eine zukunftsgerichtete Organisation aufzubauen, die mit der sich beschleunigenden Entwicklung der Netzgesellschaft Schritt hält?

Dieser Fragenkomplex muss bereichsspezifisch erweitert werden. Beispielsweise muss für die Unternehmenskommunikation analysiert werden, ob die Stakeholder des Unternehmens bereits im Social Web aktiv sind, sich zum Unternehmen äußern und über Social Media erreichbar sind.

Governance-Strukturen ermöglichen und begrenzen das individuelle Handeln, werden aber auch durch wiederholte Handlungen reproduziert und verfestigt. Folglich müsste die Etablierung eines Ordnungsrahmen für Social Media an erster Stelle der Aufgaben für Unternehmen stehen. Dann sollten Mitarbeiter speziell für diese neuen Kommunikationsplattformen ausgebildet werden, um schließlich konkrete Strategien und Maßnahmen entwickeln zu können.

Forschung[Bearbeiten]

Der Einsatz von Social Media in Organisationen gewinnt in der wissenschaftlichen Betrachtung seit ihrer Einführung zunehmend an Bedeutung, allen vorab deren Nutzung in Marketing und Unternehmenskommunikation, aber auch bei Service-Anwendungen in Innovationsprozessen.

  • Zunächst ging es in der Forschung um Bewertungen von Social Media und Einschätzungen dazu, ob es sich um einen langfristigen Trend handelt bzw. ob diese Entwicklungen überhaupt für die Organisationen zu nutzen seien. Studien wie der jährlich durchgeführte European Communication Monitor nahmen den Themenbereich in ihre Fragestellungen auf und attestierten über die Jahre hinweg steigende Bedeutsamkeit. Im European Communication Monitor 2010 landeten Social Media erstmals auf Platz eins der wichtigsten Herausforderungen für Kommunikationsmanager.
  • Nach Etablierung der größten Social-Media-Plattformen (u.a. Wikipedia, Facebook, Twitter, Youtube) stand kaum noch zur Debatte, ob es sich um Langzeitphänomene handele. In der Betriebswirtschaft und Kommunikationswissenschaft wurde statt dessen untersucht, wie weit sich die neuen Möglichkeiten schon verbreitet haben und wie sie genutzt werden. Zentraler Untersuchungegenstand für diese Studien ist Enterprise 2.0 sowie damit in Zusammenhang stehende Zukunftsszenarien.
  • Eine nächste Stufe der wissenschaftlichen Auseinandersetzung stellt die Beschäftigung mit Strategien für den Social-Media-Einsatz dar. Diese Herangehensweise, die Social Media losgelöst von der Tool-Ebene auf einer übergeordneten strategischen Ebene verankert, mündet in das Konzept von Social Media Governance. Dieses geht noch einen Schritt weiter, indem es den Zusammenhang zwischen Social-Media-Aktivitäten, Strategien und Strukturen untersucht. In der Studie „Social Media Governance 2010“, einer gemeinsamen Untersuchung der Universität Leipzig, der Fink & Fuchs Public Relations AG und des Magazins Pressesprecher wird dieser Zusammenhang erstmals umfassend analysiert. Social Media Governance wird als entscheidender Hebel identifiziert, der sowohl zu steigende Expertise als auch tragfähigen Strategien und verstärkter Social-Media-Nutzung führt. Allerdings hinkt die Praxis noch hinterher, denn nur knapp 20 Prozent der Organisationen verfügen über einen ausgeprägten Ordnungsrahmen in Sinne einer ausgebauten Social Media Governance.

Unternehmenspraxis[Bearbeiten]

Wie bereits eine Vielzahl an Studien zeigen, sind Social Media mittlerweile in die Praxis der Unternehmenskommunikation eingezogen. Zum Großteil sind dafür aber immer noch vereinzelte, an der Thematik interessierte Mitarbeiter oder Abteilungen verantwortlich. Diese agieren meist aber für sich isoliert und unterlaufen teilweise anarchisch bestehende organisatorische Regelungen. Übergeordnete Strategien sind nur selten zu finden und auch das Commitment des Top-Management fehlt noch bei Vielen.[6] Ein Großteil der Manager hat zwar schon von den mit Social Media verbundenen Risiken gehört und kennt auch die entsprechenden Chancen, aber nur wenige schaffen die notwendigen Rahmenbedingungen. So fehlen in den meisten Organisationen Know-how und strukturelle Voraussetzungen (Governance). Strategische Überlegungen scheinen meist noch am Anfang zu stehen und haben sich nur selten in festen Strategiepapieren oder Strukturen niedergeschlagen. Der Social Media Governance mangelt es in der Praxis vor allem an Kennzahlen für die Erfolgskontrolle, gesonderten Budgets, Social Media Guidelines, Möglichkeiten zur Weiterbildung und personellen Ressourcen.[7] Hier spielen sowohl Ängste vor Kontrollverlust als auch organisationsinterne Restriktionen eine entscheidende Rolle. 44 Prozent aller deutschen Unternehmen verbieten ihren Mitarbeitern sogar die Nutzung von Social Media.[8] Dabei verweist die Studie Social Media Governance 2010 darauf, dass gerade das Schaffen eines tragfähigen Ordnungsrahmens der Schlüssel zum Erfolg des Social-Media-Einsatzes in zukunftorientierten Organisationen darstellt.

Literatur[Bearbeiten]

  • Benz, Arthur 2004: Einleitung: Governance – Modebegriff oder nützliches sozialwissenschaftliches Konzept, in ders. (Hrsg.):
  • Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen. Wiesbaden.
  • Donges, Patrick (Hg.) 2007: Von der Medienpolitik zur Media Governance? Köln.
  • Lütz, Susanne (Hrsg.) 2006: Governance in der politischen Ökonomie. Struktur und Wandel des modernen Kapitalismus, Wiesbaden.
  • ZCG Zeitschrift für Corporate Governance. Erich-Schmidt-Verlag Berlin, ISSN 1862-8702

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Benz, Arthur 2004: Einleitung: Governance – Modebegriff oder nützliches sozialwissenschaftliches Konzept, in ders. (Hrsg.): Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen. Wiesbaden, S. 17.
  2. ebda., S. 25
  3. Corporate Governance – Definition im Gabler Wirtschaftslexikon
  4. Donges, Patrick (Hg.) 2007: Von der Medienpolitik zur Media Governance? Köln: Halem, S. 16
  5. [1] Blogbeitrag Stephan Fink 2010
  6. [2] Studie der Universität St. Gallen
  7. [3] Studie Social Media Governance 2010
  8. [4] Studie von Cisco Systems
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