Selbständigkeitsindex für die Neurologische und Geriatrische Rehabilitation

Aus MARJORIE-WIKI
Wechseln zu: Navigation, Suche

Der "Selbständigkeits-Index für die Neurologische und Geriatrische Rehabilitation" (SINGER) ist ein Assessment-Instrument, das Störungen der Aktivitäten und Teilhabe bei Patienten in der ambulanten und stationären Rehabilitation in standardisierter Weise erfassen kann.

Das Instrument wurde aus der rehabilitativen Praxis heraus in Deutschland entwickelt. Die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation erfolgte durch das Hochrheininstitut für Rehabilitationsforschung.

In inhaltlicher Hinsicht orientiert sich der SINGER an der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (ICF 2004; deutsche Version) sowie an bereits vorliegenden und erprobten Instrumenten (v.a. Barthel-Index und FIM), wobei gewisse Schwächen dieser Instrumente ausgeglichen wurden (z.B. die fehlende Trennung zwischen verbaler und geschriebener Kommunikation bzw. zwischen Hör- und Lesesinnverständnis im FIM oder die hohen Deckeneffekte bei Phase-D-Patienten im Barthel-Index). Von den neun Domänen der ICF im Bereich ‚Aktivitäten und Partizipation’ sind sieben im SINGER mit einem oder mehreren Indikatoren vertreten. Bis auf die ICF-Domänen „wichtige Lebensbereiche“ (z.B. Ausbildung, Beruf, ökonomische Aspekte) und „Leben in Gemeinde und Gesellschaft“ (z.B. Freizeit, Religion, politisches Leben) sind damit alle Domänen der ICF mit zumindest einem Leitindikator im SINGER vertreten. Der SINGER umfasst 20 Items aus den Bereichen Selbstversorgung, Mobilität, Kommunikation, Kognition, soziales Verhalten und Haushaltführung

Die wichtigste Neuerung gegenüber den bereits vorliegenden Instrumenten betrifft das Grundprinzip der Abstufungen für die 20 Items: Die Stufen des SINGER orientieren sich nicht am Ausmaß der Hilfebedürftigkeit (wie z.B. „25 – 50% selbständig“ im FIM), sondern an der Art des Hilfebedarfs, die in drei Grundkategorien aufgeteilt wurde:

  • professionelle Hilfe während der Therapie
  • Kontakthilfe, welche auch außerhalb der Therapie leistbar ist
  • selbständig; keine externe Hilfe erforderlich.

Jede der Grundkategorien wurde in zwei Unterkategorien aufgeteilt, so dass sich folgende sechs Stufen ergaben:

  • 0 totale Abhängigkeit von professioneller Hilfe;
  • 1 professionelle Kontakthilfe erforderlich bei Fähigkeit des Pat. zur Mitwirkung;
  • 2 Kontakthilfe auch außerhalb der Therapie ausreichend;
  • 3 Supervision oder Vorbereitung durch unterwiesene Personen ausreichend; keine Kontakthilfe nötig;
  • 4 selbständig mit Hilfsmitteln bzw. verlangsamt;
  • 5 selbständig ohne Hilfsmittel.


Gegenüber den bisherigen Assessmentvefahren (Barthel-Index, FIM) zeichnet sich der SINGER insbesondere durch folgende Eigenschaften aus:

  1. ICF – Orientierung und Praxistauglichkeit: Der SINGER wurde von 2001 bis 2008 aus der rehabilitativen Praxis heraus in Deutschland entwickelt. Er bildet die sieben besonders reharelevanten Domänen der ICF mit jeweils einigen Items ab, ohne überdimensioniert zu sein. Darüber hinaus zeigt er ein mittleres Detaillierungsniveau und ist somit in der täglichen Routine handhabbar. Zusätzliche Belegaufgaben unterstützen die Anwender bei der konkreten Stufenzuordnung.
  2. Keine wesentlichen Boden- und Deckeneffekte: Da der SINGER alle wesentlichen reharelevanten Bereiche hinreichend veränderungssensitiv abbildet, erzeugt er im Vergleich zum Barthel-Index keine auffälligen Boden- und Deckeneffekte.
  3. Eignung zur Rehaverlaufsdarstellung und -beurteilung: Der SINGER zeigt eine sehr gute Veränderungssensitivität und kann somit den Rehaverlauf sinnvoll abbilden. Aufgrund der Sechsstufigkeit pro Item können bis zu fünf "Verbesserungen" abgebildet werden. Somit werden wesentliche und alltagsrelevante Verbesserungen im Rehaverlauf erfasst, was z.B. mit dem Barthel-Index nicht gelingt.
  4. Zur Rehazielplanung ist der SINGER geeignet: Aufgrund der sehr guten Veränderungssensitivität des SINGER ist dieser zur Rehazielplanung einsetzbar. Die Folge ist, dass der SINGER, wie von Assessmentverfahren gefordert, im Zentrum der Rehabilitation steht und zur Formulierung alltagsrelevanter und nachprüfbarer Rehaziele und zur Erfolgskontrolle einsetzbar ist .
  5. Anwendung sofort möglich – weitere Einsatzbereiche: Der SINGER kann, im Gegensatz zum FIM, ohne Gebühr durch Erteilung einer kostenlosen Lizenz (siehe Link) sofort eingesetzt werden. Er ist zur Anwendung in Qualitätssicherungsprogrammen geeignet und bietet interessante Perspektiven in der Rehabilitationsforschung, so z.B. bei der Rehaprognoseerstellung nach Schlaganfall.

Quellen und Literatur[Bearbeiten]

Hibbeler, Birgit Dr.: Rehabilitation: Bezahlung nach Erfolg, Deutsches Ärzteblatt 20.10.2006

Zehnder, Adelbert: Reha – Vergütung Licht in der Blackbox, Kma 01/2007

Gerdes, N., Funke, U.N., Schüwer, U., Kunze, H., Walle, E.,Jäckel, W.H.: Outcome-orientierte Vergütung in der Rehabilitation nach Schlaganfall - Ergebnisse einer Erprobung des Verfahrens in 13 neurologischen Fachkliniken 16. Rehawissenschaftliches Kolloquium der Deutschen Rentenversicherung vom 26. bis 28.3.2007 in Berlin, Tagungsband S. 337-339

Schmincke, Polly: Pay for Performance – Geld gegen Heilung, kma 03/2008

Ludwig Boltzmann Institut: Schweregraddifferenzierung in der neurologischen und Trauma-Rehabilitation, Endbericht Teil 2, S.17 Wien 2009

Funke UN ; Schüwer U; Themann P; Gerdes N: SINGER Manual zur Stufenzuordnung, S. Roderer Verlag Regensburg, 103 Seiten, 2009

Gerdes, N. et al.: Ergebnisorientierte Vergütung der Rehabilitation nach Schlaganfall, Zeitschrift: Die Rehabilitation 48: 190-201, Thieme Verlag Stuttgart 2009

Gerdes N; Funke UN, Claus B, Schüwer U, Themann P: Selbständigkeits-Index für die Neurologische und Geriatrische Rehabilitation“ (SINGER)-Entwicklung und Validierung eines Assessment-Instrumentes, In: Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (Hrsg.): 14. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium 2005. DRV Schriften Band 59, S.341-3

Spendl, Kathrin Pauline: Erfolgsorientierte Vergütung in der Rehabilitation, Diss., Universität Ulm, 2010

Nikolaus Gerdes, Ulf-Norbert Funke, Ursula Schüwer, Peter Themann, Gustav Pfeiffer, Cornelia Meffert: Selbständigkeits-Index für die Neurologische und Geriatrische Rehabilitation (SINGER) – Entwicklung eines neuen Assessment-Instruments, Zeitschrift: Die Rehabilitation 51(5), Thieme Verlag Stuttgart 2012

Freidel, K., Leisse, M.: Wieviel FIM entspricht soviel SINGER ?, Tagungsband 20. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium 2011 , S.90-92

Gerdes, N., Funke,I: Stichprobenbasierte versus individuelle Prognose des Rehabilitationsergebnisses nach Schlaganfall, Tagungsband 21. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium 2012, S.374-375

Zieres,G., Weibler,U.: Qualitätsperspektiven in der medizinischen Rehabilitation, Iatros Verlag 2012

Veit, CH. et al.: Pay-for-Performance im Gesundheitswesen - Ein Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit, BQS Institut für Qualität & Patientensicherheit, 2012 (online, PDF, 4,4 MB)

Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation: Phase E der Neurologischen Rehabilitation – Empfehlungen, BAR, Frankfurt/Main, Dezember 2013

K. Freidel, M. Leisse: Messung funktionaler Selbstständigkeit: Übereinstimmung der Assessments SINGER und FIM und Konsequenzen für den Anwender. In: Die Rehabilitation. Band 53, Nr. 01, 28. Januar 2014, ISSN 0034-3536, S. 43–48, doi:10.1055/s-0033-1341456 ([1]).

Weblinks[Bearbeiten]

Info Sign.svg Dieser Wikipedia-Artikel wurde, gemäß GFDL, CC-by-sa mit der kompletten History importiert.