Russische Zivilisation

Aus MARJORIE-WIKI
Wechseln zu: Navigation, Suche

Der Begriff Russische Zivilisation (auch: Russische Idee, slawische Zivilisation) ist ein philosophischer und politischer Begriff und geht von einer Originalität der russischen Kultur und Entwicklung, ihrer Verschiedenheit von der Kultur des Westens und ihrem nationalen, russischen Ursprung aus.

Die Russische Idee sollte und soll noch immer eine Antwort auf die Frage nach dem besonderen Charakter, dem Lebenszweck und die Bestimmung Russlands geben. Der russischen Gesellschaft soll die Russische Idee neue Ziele geben und die heterogen zusammengesetzte russische Gesellschaft zusammenhalten.[1]

Sonderentwicklung der Russischen Kultur[Bearbeiten]

Die Russische Kultur als wichtiger Zivilisationsbestandteil beruht auf geschichtlichen Entwicklungen, die sich wesentlich vom westlichen Europa unterscheiden. Da die Russen von Byzanz aus zu der griechisch-orthodoxen Form des Christentums bekehrt worden sind, blieb ihnen im Mittelalter das Geistesleben des Westens fremd. Weder kannten sie die im Papst gipfelnde Hierarchie der katholischen Kirche, noch das auf das Römische Reich zurückgehende Römische Recht. Weiterhin blieben ihnen alle lateinisch geschriebenen Werke der Scholastik verschlossen, fern lag ihnen auch der Ausbau religiöser Dogmen. Das russische Christentum zeichnete sich mehr durch Ritualität und Mystik als durch strikte Organisation oder durch Formulierung seiner Lehren aus.

Eine weitere Ursache findet sich in der verhängnisvollen Phasenverschiebung, in welcher die russische Geschichte seit 1240, dem Mongolensturm, gegenüber der westeuropäischen Entwicklung immer mehr geraten war. Denn mit der Mongolenherrschaft von 1240 bis 1480 gerieten die russischen Fürstentümer in eine Isolation, von der sie sich erst nach und nach wieder lösen konnten. Dies führte neben getrennten Auffassungen vom religiösen Glauben zu einer Auseinanderentwicklung der kulturellen Traditionen.

Die Entwicklung des Cäsaropapismus, d. h. die enge Zusammenarbeit zwischen dem Zaren und der orthodoxen Kirchenführung bewirkte, dass das Individuum das Aufgehen in der Gemeinschaft der Kirche und die Unterordnung unter die mit ihr verbundene Autokratie suchte, was die Entwicklung korporativer Stände verzögerte.

Dass Russland bis in die Neuzeit eine Welt für sich geblieben ist, beruht zu einem guten Teil auf seiner geographischen Beschaffenheit. Die weiten Gebiete erlaubten es, die notwendigsten Lebensbedürfnisse aus eigenen Mitteln zu befriedigen und wirtschaftlich unabhängig zu bleiben. Die Lage zwischen Europa und Asien gab ihm des Weiteren die Möglichkeit, Niederlagen im Westen durch Vorstöße in den Osten auszugleichen (z.B. im 16. Jahrhundert) und umgekehrt. Schließlich bestärkte das Abgeschnittensein von großen Weltmeeren noch die Abschließungstendenz.

Geistesgeschichtliche Entwicklung der Russischen Idee[Bearbeiten]

Die Idee, die bereits seit dem 16. Jahrhundert existiert (vgl. Drittes Rom) ist von zwei gegenpolaren Denkkreisen geprägt. Den der Westler und den der Slawophilen:

  • Die Slawophilen gingen von einer besonderen Rolle der slawischen Kultur in Russlands Geschichte aus und lehnten den Entwicklungsweg, den der Westen eingeschlagen hatte, ab. Ein wichtiger Gedanke dabei war, dass der Westen sich mit seinen Idealen selbst überholt hatte und verfault ist.
  • Ihnen gegenüber standen die Westler, die die westliche Entwicklung für richtig hielten. Sie waren der Auffassung, dass sich der Westen nicht grundsätzlich von Russland unterscheidet, sich aber Russland auf einer niedrigeren Stufe der Entwicklung befindet. Demnach müsste Russland die westlichen Errungenschaften übernehmen.

Während der Sowjetzeit diente der historische Materialismus als wichtige Klammerfunktion für den Vielvölkerstaat der UdSSR. Als konsolidierende Kraft für das russische Volk wurden die sozialistischen Ideen mit der Auflösung der Sowjetunion hinfällig. Es fehlte eine gemeinsame Idee, die das russische Volk eint. Nach dem Umbruch 1991 wurde die Thematik des Vergleichs Russlands mit dem Westen (in Form des Kapitalismus) wieder aktuell. Nachdem unter Boris Jelzin relativ schnell klar wurde, das ein schneller Anschluss an das westliche Zivilisationsmodell nicht gelingen könne, wurde die Idee des Eurasismus, die in den 1920er und 1930er Jahren von russischen Exilanten entwickelt worden war, teils wieder aktualisiert. Damit wird die Selbständigkeit Russlands und seiner Kultur durch seine geografische Lage begründet.

Literatur[Bearbeiten]

  • Goerdt, Wilhelm: Russische Philosophie, Alber 1995, ISBN 3495475427
  • Schafarewitsch, Igor Rostislawowitsch: Dwe dorogi k odnomu obrewu, Airis Press, Moskau 2003, ISBN 5-8112-0273-3
  • Berdjajew, Nikolai Alexandrowitsch / Dostojewskij, Fedor Michajlowitsch u.a.: Russkaja Ideja, Airis Press, Moskau 2005, ISBN 5-8112-0850-2

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Hochspringen Daniliouk, Roesler, Hermeier: Russland-Deutschland-Europa, Ost-West-Wissenschaftsforum Interdisziplinäres Symposium zu Ehren von Prof. em. Dr. Karl Hahn, Münster 2004, S.33
Info Sign.svg Dieser Wikipedia-Artikel wurde, gemäß GFDL, CC-by-sa mit der kompletten History importiert.