Rüstung "alla romana" Guidobaldo II. della Roveres, Herzog von Urbino

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Guidobaldo II della Rovere, Porträt von Angelo Bronzino

Die Rüstung "alla romana" Guidobaldo II. della Roveres, Herzog von Urbino (* 2. April 1514 in Urbino; † 28. September 1574) ist eine historische Prunk- oder Paraderüstung, die im Rüstungskunststil "alla romana" gefertigt wurde. Die hier beschriebene Rüstung ist wahrscheinlich die letzte vollständig erhaltene Rüstung mit einem Muskelpanzer dieser Stilrichtung. Gefertigt wurde er von dem Plattner Bartolomeo Campi (* vor 1520; † 1573) aus Pesaro, einem Plattner, Goldschmied und Militäringenieur.

Beschreibung[Bearbeiten]

Kaiser Karl V. nach der Schlacht bei Mühlberg (Gemälde von Tizian)

Die Rüstung besteht in ihrer heutigen Erhaltung aus einem Burgonet, dem Brust- und Rückenpanzer, einem Anhang aus Leder und Kettenpanzerung, der am unteren Ende des Brust- und Rückenpanzers befestigt ist, den beiden Achseln, einem Wams, einer kurzen Hose sowie den Panzerstiefeln. Aus früheren Beschreibungen ist bekannt, dass die Rüstung nicht mehr ganz vollständig ist. Mehrere vorher beschriebene Zierteile, wie ein Wappenaufsatz auf dem Helmkamm (aus der älteren Beschreibung: „Una sobre cresta dorada“) fehlen. Die zur Befestigung benötigten Klammern, rechts und links des Kammes angenietet, sind noch erhalten. Des weiteren eine vergoldete Zierkette, die am Brustpanzer über das Abdomen lief (aus der älteren Beschreibung: „Una cadena de laton q sirve de cinta con Una medalla“). Der Befestigungsring ist noch vorhanden.[1]

Philipp II. als Kronprinz 1551 (Gemälde von Tizian)

Der Burgonet ist in einer typischen Art gestaltet. Die Oberfläche ist glatt poliert und schwarz eingefärbt. Auf dem Kamm, den Seiten der Kalotte, dem Augenschirm und den Wangenklappen sind goldene und silberne Ornamente in Form von Blüten, Blättern und Pflanzen eingearbeitet und vergoldet. Um die Kalotte herum verläuft eine Girlande, die aus übereinanderliegenden und miteinander verbundenen Eichenblättern besteht. Unterhalb der Girlande ist um den Helm herum eine Reihe von goldenen Blütenrosetten angebracht. An der Helmrückseite ist ein vergoldeter Helmbuschhalter befstigt. Die goldenen Nieten, die an dem Burgonet angebracht sind, sind nachträglich angebracht worden. Vermutlich wurden sie während einer Restauration irrtümlich hinzugefügt.

Der Brust- und Rückenpanzer ist zweiteilig und aus Metall in Muskelform getrieben. Die Oberfläche ist schwarz eingefärbt und poliert. An der Öffnung für den Hals sind zwei Ringkragenringe angebracht, die dem Schutz und der Beweglichkeit des Halses und des Kopfes dienen. Um den Halsbereich und seitlich des Halses bis zu den Schulterm eine in rechteckiger Form gestaltete und stark verzierte Panzerplatte angebracht. Diese Platte bildet ein Gorget, das am Halsbereich mit Kettenpanzer ausgestattet ist und auf dem die Halsringe aufliegen. Die Platte ist mit einem abgerundeten Rand versehen, der ebenfalls vergoldet ist. Sie ist so gestaltetet, dass sie wie mehrere, einzelne Platten erscheint. Die Gestaltung des Brustpanzers ist an die Form und das Aussehen der antiken römischen Rüstungen angelehnt, wobei sie nicht den echten römischen Rüstungen nachgebaut ist, sondern eher so wie man sich diese im Mittelalter vorstellte. Dabei kamen fantasievolle Entwürfe zustande, die mit der Realität nichts, oder kaum etwas zu tun haben. Unterhalb der Platte um den Hals ist eine goldene Verzierung in Form eines Medusenkopfes aus vergoldetem Messing mit Flügeln und zwei aus den Haaren aufsteigenden Schlangen ausgearbeitet. Von beiden Seiten laufen je eine goldene Linie aus Akanthusblättern, die am Ende spiralförmig gerollt sind zu beiden Seiten der Brust hin. Auf der Position der Brustwarzen sind je eine silberne Blüte oder Rosetten als Ornament angebracht. Der Rückenpanzer ist ebenfalls in Muskelform gearbeitet, mit der Platte um den Hals ausgestattet, jedoch nicht mit dem goldenen Medusenhaupt und den Akhantusblättern.

Francesco Maria II. (Gemälde von Federico Barocci, 1572)

Die Achseln bestehen aus Metall und sind in der Form eines menschlichen, männlichen Gesichts ausgetrieben, das mit einem Oberlippenbart ausgestattet ist. Das Gesicht erscheint aggressiv/wütend, mit weit aufgerissenen Augen, die Pupillen sind aus Silber eingelegt. Am oberen Rand wird das Gesicht von einer Blätterkrone eingerahmt. Darüber sind Platten angebracht, die als Verbindungselement zum Brustpanzer dienen. Unterhalb der Gesichter sind einzelne, quadratische Metallplatten befestigt, die in Dreierpaaren auf den Oberarm herabhängen. Diese sollen die typischen römischen Pteryges nachahmen. Vom Beginn der Schulter auf dem Rücken bis zum Ende der Schulter auf der Brust sind sie in acht Reihen nebeneinander angebracht. Die einzelnen Platten sind schwarz eingefärbt, einzeln aufgehangen und golden umrandet. Unterhalb der Platten ist Kettenpanzerung beweglich angebracht.

Der angehängte Schutz unterhalb des Brust- und Rückenpanzers besteht aus einem umlaufenden Metallband, das verziert und der Körperform exakt angepasst ist, damit es da, wo es den Brust- und Rückenpanzer berührt oder überlappt, eine möglichst hohe Passgenauigkeit erreicht. Auf der Vorderseite reiche die Verzierungen weiter herab und haben eine löffelartige Form. Auf diesen Platten sind Verzierungen, auf jeder Platte eine andere, in Form einer Vase mit oben herausschlagenden Flammen, gekreuzten Palmblättern, eine griechische Inschrift die „IOABIOS MNDABIOS“ (griech. für „Glücklich und wohlhabend“), außerdem geflügelte Fässer (Granaten?), ein schlafender Bär, ein Satyrenkopf, Bukranien, ein Adlerkopf, ein Pferd, ein Einhorn sowie ein Monogramm aus den Buchstaben G und S, das von einer Krone überragt wird.

Am unteren Rand des Bandes sind einzelne, quadratische Metallplatten, genau wie an den Achseln angehangen. Die Platten sind ebenfalls quadratisch, schwarz gefärbt und haben eine goldene Umrandung. Die Platten sind zu je drei Stück untereinander befestigt und insgesamt in etwa 18 Reihen nebeneinander angeordnet. Unterhalb der Platten und des Metallbandes ist Kettenpanzerung als Unterlage beweglich angebracht. Diese Metallplattenreihen sollen die Form der römischen Pteryges nachbilden. Am Vorderfuß sind imitierend die nackten Zehen des Trägers nachgeahmt.

Der Herzog von Alba auf einem Gemälde von Tizian

Die Panzerstiefel sind ebenfalls aus Metall getrieben. Sie sind in einem dekorativen Muster durchbrochen gestaltet und reichen bis etwa kurz unterhalb der Knie. Durch die Durchbrüche erscheinen sie ähnlich wie die Sandalen (Caligae) der antiken römischen Legionäre. Am Schaft der Stiefel ist auf der Vorderseite kurz unterhalb des Knies mit einem vergoldeten Kopf eines Faun oder eines Satyren angebracht. Der darüberliegende, obere Rand ist ähnlich einer Pergamentrolle nach unten und innen umgebogen. Am oberen Rand, den Seiten, dem Fuß unterhalb des Knöchels und dem Vorderfuß sind vergoldete Linien angebracht.

Geschichte[Bearbeiten]

Die Rüstung wurde für Guidobaldo II. della Rovere, Herzog von Urbino hergestellt. Seine Initialen finden sich an zwei Stellen auf dem Harnisch und bilden neben della Roveres Initialen auch die seiner ersten Frau Giulia Varano, Prinzessin von Camerino (* 24. März 1523, † Urbino 17. Februar 1547). Hergestellt wurde die Rüstung von dem Plattner Bartolomeo Campi aus Pesaro der seine Arbeit auch signierte. Die geätzte und anschließend vergoldete Inschrift befindet sich an der Unterkante der Brustplatte und lautet: „BARTHOLOMEVS CAMPI AVRIFEX TOTIUS OPERIS ARTIFEX QUOD ANNO INTEGRO INDIGEBAT PRINCIPIS SUNU NUTUI OBTEMPERANS GEMINATO MENSE PERFECIT“, Lat. übersetzt: „Bartholomeo Campi, Goldschmied, Verfasser des gesamten Werkes, beendete es innerhalb zwei Monaten um dem Wunsch seines Prinzen zu gehorchen, obwohl es brauchte ein ganzes Jahr“. An der linken Brustpanzerseite zusätzlich: „Pisauri*Anno*M*D*XLVI“ (lat. „Pesaro, 1561“). Eine weitere Siganatur befindet sich auf dem Rückenpanzer, oben auf der Schulter: „*B*C*F*“, Abkürzung für „BARTHOLOMEO CAMPI FECIT“, (lat. „Bartholomeo Campi (hat mich) hergestellt“).

Längere Zeit wurde die Rüstung falsch eingeordnet. Man schrieb sie Karl V. (1500–1558) zu und auch in den Katalogen der Real Armería de Madrid wird angegeben, dass der Harnisch ein Geschenk der Römer sei (Abadia, 1793)[2] oder auch ein Geschenk der Herrscher von Monza (Martinez del Romero, 1849)[3] zu den Intronisationsriten für Karl V.. Später versuchte man eine Zuordnung mit Hilfe des Monogramms, der Signatur und Jahresangabe. Hiernach vermutete man das della Rovere die Rüstung als Geschenk an Karl V. weitergab. Der Verfasser des Museumskataloges von 1898, Condè de Valencia de Don Juan bestätigte dies, da die Rüstung zusammen mit der Rüstung Karl. V im Museum eingelagert war und in der Inventarliste des jahres 1549 beide aufgeführt waren. Er selbst vermutete das sie für Karl.V gefertigt wurde und Guidobaldo della Rovere und seine zweite Frau Vittoria Farnese, der Schwester von Ottavio Farnese, dem Stiefsohn Karl V., sie als Hochzeitsgeschenk zur Heirat Karl V. in Auftrag gab und verschenkte. Die Planung und Ausführung der Feierlichkeiten wurden ebenfalls von Bartholomeo Campi übernommen. Die These, dass die Rüstung Eigentum Karl V. war, ist unhaltbar, da Karl niemals irgendeine Rüstung trug die mit anderen Initialen oder Wappen (Farben) als seinen eigenen ausgestattet war. Im Grunde genommen geben die Initialen den einzigen korrekten Hinweis auf den Träger und Eigentümer der Rüstung. Tatsächlich wurde die Rüstung später als angenommen in die Sammlungen der Armeria übergeben, und zwar wurden sie Philipp II. übergeben und nicht seinem Vater. Jo`se Florit, der ehemalige Kurator der Armeria vertrat die Meinung, das die Rüstung von Guidobaldo della Rovere als Geschenk an Philipp II. übergeben wurde als della Rovere 1559 zum Ritter des goldenen Vlieses ernannt wurde. Die Rüstung wurde in einem nicht mehr erhaltenen Schriftstück kurz nach Regierungsbeginn Phillip II. erwähnt und die Sammlungen der Armeria Real danach in zwei Gruppen auseinandersortiert. Die zwei Gruppen teilten sich auf in die Waffen und Gegenstände Karl V. und eine Gruppe in die Philipp II.. In einer Inventaraufstellung aus dem Jahre 1594 wird die Rüstung nach der Rüstung Philipp II. aufgeführt, die für ihn von Desiderius Helmschmid (Plattner) und Jörg Sigmann (Dekorateur) 1549–1550 evtl. 1552 hergestellt wurde.

Zwischen 1594 und 1625 wurde die Rüsrung aus irgendeinem Grund aus der Sammlung Philipp II. herausgenommen und in die Karl V. verbracht. Sie wurde fälschlicherweise als "Las armas del Rey nuestro senor Felipe Segundo" beschrieben. Valencia de Don Juan übernahm diesen Fehler aus der Inventuren von 1594 in die von ihm erstellte Inventur von 1625.

Es ist bis heute nicht bekannt, wann und warum die Rüstung in den Besitz der Armeria Real kam. Als Möglichkeiten werden heute verschiedene Vermutungen angenommen, die am ehesten erklärbar erscheinen. Es besteht die Möglichkeit das der Harnisch als Dankesgabe von de la Rovere an Karl V. oder Philipp II. gegeben wurde, als Dank für Erhebungen in den Stand der „Ritter vom goldenen Vlies“ in den Jahren 1561 und 1586, oder als eine Art „finanzielle Unterstützung“ für den Sohn Guidobaldos, Francesco Maria II. della Rovere nach dessen Umzug von Pescara nach Madrid um seine bereits begonnene Ausbildung bei Hofe zu beenden. Dieser war mit der Neuarrangierung der Armeria betraut und kam auf den Gedanken eine erstklassige Rüstung, die einen Zusammenhang mit seiner Familie hatte, so zu präsentieren, das sie zusammen und neben den Rüstungen Philipps ausgestellt wurde. Vermutlich war Guidobaldo della Rovere mit dieser Idee einverstanden und übergab seinem Sohn diese Rüstung um sie in der Armeria auszustellen, zumal er selbst in Diensten des spanischen Hofes stand, und zwar als Generals-Commandeur des Königreiches von Neapel[4]. Absolut sicher ist es, das die Rüstung für einen äußerst wichtigen Grund in Bestellung gegeben worden sein muss, da Bartolomeo Campi extrem viel arbeitete um eine Arbeit, die normalerweise ein Jahr in Anspruch nimmt, in zwei Monaten schaffen zu können. Dieser Grund könnte der Eintritt Guidobaldos in den Dienst Venedigs als Kommandeur der venetianischen Armee 1526 gewesen sein. Ein Termin der feststand und der nicht verschoben werden konnte, so dass die Rüstung zu diesem Zeitpunkt fertig werden musste.

Literatur[Bearbeiten]

  • Stuart W. Pyhrr: Heroic Armor of the Italian Renaissance: Filippo Negroli and his contemporaries. Metropolitan Museum of Art, 1998, OCLC 819761316, S. 278 (englisch).
  • Albert Frederick Calvert: Spanish Arms and Armour, Being a Historical and Descriptive Account of the Royal Armoury of Madrid. General Books LLC, 2010, ISBN 978-1-152-48492-4, S. 233 (engl.).
  • Charles John Ffoulkes: The Armourer and His Craft. Cosimo, Inc., 2008, ISBN 978-1-60520-412-3, S. 132 (engl.).

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Stuart W. Pyhrr: Heroic Armor of the Italian Renaissance: Filippo Negroli and his contemporaries. Metropolitan Museum of Art, 1998, OCLC 819761316, S. 279 (englisch).
  2. Ignatio Abadia, Resumen sacado del inventario general historico que se hizo en el ano de 1793 de los arneses antiguos, armas blancas y de fuego, con otros efectos de la Real Armeria del Rey Nuestros Senor. Madrid:Imprenta Real, 1793
  3. Antonio Martinez del Romero, Josè Maria Marchesi, Càtaloge de la Real Armeria. Madrid: Aguado, 1949
  4. Calvert Frederick, Spanish Arms and Armour, Being a Historical and Descriptive Account of the Royal Armoury of Madrid, Verlag BiblioBazaar, LLC, 2009, Seite 101-103, ISBN 978-1-110-30831-6
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