Primärtheorie

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Die Primärtherapie ist eine von dem US-amerikanischen Psychologen Arthur Janov entwickelte psychotherapeutische Methode. Sie beruht auf Janovs Annahme, dass durch das Wiedererleben schwerwiegender Beeinträchtigungen und Entbehrungen während der Schwangerschaft, der Geburt und in der frühen Kindheit verschiedene psychische und physische Erkrankungen von Menschen teilweise geheilt werden können. In seinen Büchern, insbesondere in Die Anatomie der Neurose und Das neue Bewußtsein, beschreibt Janov die theoretischen Grundlagen (Primärtheorie) seiner Therapieform.

Behandlung[Bearbeiten]

Ein ausgebildeter Primärtherapeut versucht in der Regel, seine Patienten während des Behandlungszeitraums daran zu hindern, dem Urschmerz auszuweichen oder ist bemüht, die frühen Traumatisierungen ins Bewusstsein zu bringen. In der Entstehungszeit wurden hierbei Methoden wie Isolation, Rauchverbot und Drogenverbot oder auch Atemkontrolle benutzt. Da diese Methoden jedoch problematisch waren und Urgefühle zum Teil zu schnell ins Bewusstsein brachten wurden sanftere Methoden entwickelt. Beide Ansätze dienen einer Auflockerung des Abwehrsystems (welches im Übrigen nicht per se als etwas Negatives gesehen wird) und auf längere Sicht zu einer Konfrontation mit dem der Abwehr zugrunde liegenden Schmerz führt, oftmals im Erleben der ursprünglichen Situation. Abgesehen davon ist der Schmerz nicht unbedingt und kompromisslos das zentrale Ziel einer primärtherapeutischen Behandlung, sondern stets die Stabilisierung des Patienten. Hierzu kann es unter Umständen sogar notwendig sein, ihn oder sie von tief liegenden Gefühlen fern zu halten, um weniger traumatische Erlebnisse zu verarbeiten.

Nach einer erfolgreich verlaufenden Therapie verspricht Janov Zugang zu den so genannten 'realen' Gefühlen. Janov verwendet den Begriff "reale Gefühle" für Gefühle, die in der Gegenwart verhaftet sind und nicht unbewusst durch alte Verhaltensweisen und Schutzmechanismen gesteuert werden. Grundlage zur Erlangung dieser realen Gefühle ist die Abwehrfreiheit der Patienten, die im Verlauf der Therapie hergestellt wird und nach der Therapie weitestgehend erhalten bleibt.

Therapiezentren[Bearbeiten]

Auf Anfrage teilte das von Janov in Kalifornien gegründete Therapiezentrum mit, dass für die erste Behandlung in Europa normalerweise keine Therapeuten von Arthur Janov autorisiert seien. Die Basisbehandlung, die vier Wochen in Anspruch nimmt, kostet etwa 12.000 US-Dollar. Nach dieser Grundbehandlung empfiehlt das Zentrum Europäern einen dort ansässigen Therapeuten. (Stand: 2000)

Ebenfalls anerkannte Primärtherapeuten befinden sich im Primal Institute, wie Arthur Janovs Zentrum ansässig in Los Angeles. Diese zweite Einrichtung wird von Janovs erster Frau, Vivian Janov, geleitet. Der einzige von dort anerkannte europäische Therapeut befindet sich in London, die Basisbehandlung wird aber auch hier nur in Los Angeles vorgenommen - allerdings ungleich preisgünstiger, wenn die oberen Zahlen (vom originalen Autor des Artikels) stimmen.

In Deutschland und anderen europäischen Ländern gibt es eine Reihe nicht autorisierter Therapeuten die nach den Methoden Arthur Janovs zur Primärtherapie arbeiten.

Postprimärer Zustand[Bearbeiten]

Postprimär ist Janovs Bezeichnung für einen Zustand, den Partienten der Primärtherapie nach dieser Therapieform erreichen sollen. Postprimäre erfahren durch die Primärtherapie angeblich weitreichende physiologische und psychologische Veränderungen, z.B. Senkung oder Steigerung des Blutdrucks auf Normalniveau, Rückgang epileptischer Anfälle, das Verschwinden von Neurosen und Psychosen.

Insgesamt zeichnen sich Postprimäre laut Janov dadurch aus, dass sie nah an ihren natürlichen Bedürfnissen sind. Die von Janov bezeichneten Bedürfnisse sind lediglich ganz grundlegende und existenzielle Bedürfnisse wie Hunger, Durst, Berührung u. ä. Weitergehende Bedürfnisse wie zum Beispiel der Wunsch nach Anerkennung, Reichtum, Erfolg werden aus der Sicht der Primärtheorie als symbolische Bedürfnisse angesehen, die es abzuschalten gilt.

postprimäres Gesellschaftsmodell[Bearbeiten]

Janov hat in Revolution der Psyche ein neues Gesellschaftsmodell entworfen. Die bestehende Gesellschaft wird von Janov zum größten Teil als neurotisch betrachtet. Diese Auffassung teilen auch andere psychologische Richtungen. Kritiker bezeichnen diese Sichtweise als Ideologie.

Kritik[Bearbeiten]

Kritiker werfen Janov vor allem vor, er destabilisiere seine Klienten und mache sie lebensunfähig (Hansjörg Hemminger, 1980). Dass Primärtherapie nach Janov funktionieren kann, zeigt Janov glaubhaft an diversen Fallbeispielen (u. a. Janov 1976). Es lässt sich aber auf gleiche Art zeigen, dass Janovs Konzept zu Dekompensation und sozialem Zusammenbruch führen kann. Das beste Beispiel hierfür dürfte der 2002 verstorbene Neurologe und frühere wissenschaftliche Leiter und Mitautor Dr. med. Michael Holden sein, der sich vollständig von der Primärtherapie abwandte und sein Heil in wilden Visionen und spiritueller Erfahrung fand (Holden, 1987. Wenn man Janov eigene Warnungen ernst nimmt, ist Primärtherapie gefährlich und es gibt sie ausschließlich in seinem Institut. Damit hat Primärtherapie für die Gesundheit der Bevölkerung praktisch keine Bedeutung. Da Primärtherapie nach Janovs Aussagen einen recht langwierigen und intensiven Therapieprozess über zwei Jahre fordert, sind Voraussetzungen wie erhebliche finanzielle Mittel, längere Auszeit von Beruf und sozialem Umfeld, enorme Flexibilität, Englischkenntnisse, ein sehr stabiles Ich, ein sehr stabiles heimisches Umfeld in das man zurückkehren kann u. a. mitzubringen. Dies entspricht nicht den Voraussetzungen des durchschnittlichen Psychotherapieklienten. Betrachtet man darüber hinaus die massiven Veränderungen innerhalb der Psyche, die Janov beschreibt, und akzeptiert man seine Beschreibung des postprimären Menschen, so ist es nicht verwunderlich, dass viele Klienten selbst nach einer erfolgreichen Therapie gewaltige Schwierigkeiten haben, sich in ihr Leben zu reintegrieren. Die Primärtherapie muss sich die Frage gefallen lassen, was es für einen Sinn macht, einen (postprimären) Menschen zu erzeugen, der sich so wesentlich von der Gesellschaft unterscheidet, dass er nur eine Randexistenz führen kann. Zuletzt bietet Primärtherapie für viele offensichtlich ein regelrechtes nichtpharmakologisches Suchtmittel an, durch das sie immer wieder exzessiv Gefühle erleben können und diese ohne Grenze ausleben dürfen. Dies erklärt möglicherweise die oft Jahrzehnte lange Abhängigkeit von dieser Therapie und das hartnäckige Verleugnen der Effizienzfrage.

Werke[Bearbeiten]

Arthut Janov hat bisher elf Bücher veröffentlicht, in denen er mit Fallbeispielen aus seiner therapeutischen Praxis Erfolge der Primärtherapie und seine darauf aufbauenden Schlußfolgerungen beschreibt.

  • The Primal Scream (1970), dtsch. Der Urschrei. Ein neuer Weg der Psychotherapie. Fischer Verlag GmbH (November 1982). ISBN 3-10-036701-4
  • The Anatomy of Mental Illness (1971), dtsch. Die Anatomie der Neurose. Die wissenschaftliche Grundlegung der Urschrei-Therapie. Fischer Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main (1988). ISBN 3-596-26322-0
  • The Primal Revolution. Toward a Real World (1972), dtsch. Revolution der Psyche. Anwendungen und Erfolge der Primärtherapie. Fischer Verlag GmbH (1985). ISBN 3-10-036708-1
  • The Feeling Child (1973), dtsch. Das befreite Kind. Grundsätze einer primärtherapeutischen Erziehung. Fischer Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main (1993). ISBN 3-596-26345-X
  • Primal Man. The New Consciousness (1975), dtsch. Das neue Bewußtsein. Fischer Verlag GmbH (1977). ISBN 3-10-036705-7
  • Prisoners of Pain. Unlocking the Power of the Mind to End Suffering (1980), dtsch Gefangen im Schmerz. Befreiung durch seelische Kräfte. Fischer Verlag GmbH (1981). ISBN 3-10-036706-5
  • Imprints. The Lifelong Effects of the Birth Experience (1983), dtsch. Frühe Prägungen. Fischer Verlag GmbH (1984). ISBN 3-10-036707-3
  • The New Primal Scream. Primal Therapy 20 Years on (1991), dtsch. Der neue Urschrei. Fortschritte in der Primärtherapie. Fischer Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main (1993). ISBN 3-596-11554-X
  • Why You Get Sick, How You Get Well: The Healing Power of Feelings (1996).
  • The Biology Of Love (2000).
  • Grand Delusions (2005).
  • Primal Healing. Access the Incredible Power of Feelings to Improve Your Health (2006).

Die in deutscher Sprache erschienenen ersten acht Bücher vom Fischer Taschenbuch Verlag (Frankfurt am Main) sind nur noch antiquarisch zu beziehen.

Literatur[Bearbeiten]

  • Ben-Alexander Bohnke, Werner Gross: Der heilende Schmerz. Herder Verlag, Freiburg 1988, ISBN 3451085232
  • Hansjörg Hemminger: Flucht in die Innenwelt. Primärtherapie als Meditation der Kindheit. Ullstein Verlag GmbH (März 1983). ISBN 3550076835
  • Thomas Videgard: The Success and Failure of Primal Therapy. Almqvist & Wiksell Internat. (März 1985), ISBN 9122006982

Weblinks[Bearbeiten]

  • Hirnforschung Prof. Dr. rer. nat. Anna Katharina Braun, Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg.
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