Paul Zänkert

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Paul Zänkert (* 26. Januar 1894; † 29. Mai 1931 in Berlin) war ein Hauptwachtmeister der Berliner Polizei. Die Tötung Zänkerts während eines Polizeieinsatzes durch Kommunisten gewann eine besondere Bedeutung, weil ihr innerhalb von zehn Wochen vier weitere folgten, zuletzt der Polizstenmord am Bülowplatz am 9. August 1931.

Leben[Bearbeiten]

Nachrichten zu Paul Zänkerts Herkunft, Familie und Karriere sind nicht überliefert.

Zänkerts Tod[Bearbeiten]

Zänker tat Dienst im Polizeirevier 72 in Prenzlauer Berg. Am Abend des 29. Mai 1931 war er zusammen mit fünf anderen Polizisten zur Sicherung eines Marsches von Angehörigen der Ortsgruppe Prenzlauer Berg des Stahlhelms eingesetzt. Dieser führte von ihrem Versammlungslokal in der Schönhauser Allee 159 zum U-Bahnhof Senefelderplatz, von wo aus sie zum Görlitzer Bahnhof fahren wollten, um zum Stahlhelmtag nach Breslau zu reisen.

Schon zuvor war unter KPD-Anhängern bekannt, dass man den verhassten Stahlhelmern „einen warmen Abschied bereiten“ werde.[1] Vom Straßenrand aus angefeindet, legte die Stahlhelm-Kolonne den Weg zum U-Bahnhof auf der Mittelpromenade zurück. Als die letzten Reihen die Treppe des nördlichen U-Bahnhofeingangs erreicht hatten, ertönte von der Ecke der Schönhauser Allee 19 / Metzer Straße der Ruf „Nieder mit den Faschisten!“ Zänkert, der auf der Mittelinsel stand, ging in Richtung der Rufer, während aus einer Gruppe vor der Schönhauser Allee 20 der Ruf wiederholt wurde. Auf dieses Zeichen hin begannen mehrere Pistolenschützen aus beiden Gruppen heraus zugleich kurz hintereinander mehrmals auf die Stahlhelmer zu schießen. Opfer des Feuerüberfalls waren Zänkert, der einen Bauchschuss erlitten hatte, ein weiterer Polizist, der am Arm und ein unbeteiligter Posthelfer, der an der Schulter getroffen wurde. Die Schützen tauchten in der sofort auseinanderstiebenden Menge unter. Die anderen Polizisten gaben Schüsse ab und es gelang ihnen, einige Verdächtige zum Stehen zu bringen und zu durchsuchen, einige wurden festgenommen. Unterdessen lasen am Tatort Jugendliche Patronenhülsen und Geschosse auf, so dass die Polizei bei der späteren Spurensicherung nur noch je zwei Hülsen und Projektile fand.

Während die verletzten Polizisten in das Polizeikrankenhaus kamen, wurde der angeschossene Posthelfer in das Krankenhaus am Friedrichshain eingeliefert. Zänkert verstarb noch am selben Tag an seiner schweren Verletzung. Er wurde am 2. Juni 1931 im Beisein von Polizeipräsident Grzesinski und etwa eintausend Trauernden in Berlin beigesetzt.

Ermittlung und Verurteilung der Täter[Bearbeiten]

Die Ermittlungen nahm die Zentrale Mordinspektion der Berliner Kriminalpolizei auf. Obwohl zahlreiche Tatzeugen Aussagen machten und die Kaliber der Tatwaffen festgestellt werden konnten, mussten alle vier Festgenommenen nach kurzer Haft freigelasssen werden. Die gegen zwei flüchtige Verdächtige erlassenen Haftbefehle blieben in Kraft. Die Ermittlungen kamen nach einiger Zeit wegen Erfolglosigkeit zum Erliegen. Nach Einschätzung der Umstände war klar, dass als Täter nur Angehörige des illegal in den Arbeiterquartieren Berlins fortexistierenden Roten Frontkämpferbunds (RFB) in Frage kamen, zumal die KPD alle Freigelassenen im Juli und August 1931 auf geheimen Wegen in die Sowjetunion transportiert hatte.

Einer von ihnen, Kurt D., war im Oktober 1932 heimlich nach Deutschland zurückgekehrt. Kurt D. hatte sich in der Sowjetunion damit gerühmt, den tödlichen Schuss auf Zänkert abgegeben zu haben. Dies wurde der Mordinspektion bekannt. Sie nahm im Dezember 1932 die Ermittlungen wieder auf, weil nun erneut vernommene Zeugen infolge der Schleicher-Amnestie Aussagen machen konnten, ohne befürchten zu müssen, wegen Landfriedensbruch angeklagt zu werden. Die Folge war am 21. Dezember 1932 die Festnahme Kurt D.'s in seinem Versteck. Kurt D. machte Angaben zu seiner Flucht in die Sowjetunion, die Gennat die Rekonstruktion des Fluchtwegs Erich Mielkes ermöglichten, gegen den er wegen der Polizistenmorde auf dem Bülowplatz am 9. August 1931 ermittelte. Kurt D. wurde am 9. April 1934 vom Schwurgericht I in Berlin wegen gemeinschaftlich vollendeten Totschlag und anderer damit verbundener Delikte zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt.

Ein anderer Flüchtling war Herbert N. Er ging 1937 von der Sowjetunion nach Spanien und kämpfte im dortigen Bürgerkrieg in einer Internationalen Brigade. N. wurde gefangengenommen, an Deutschland ausgeliefert und kam wegen seines seit 1931 bestehenden Haftbefehls am 14. September 1939 in Berlin in Untersuchungshaft. Mit dieser Information konfrontiert, machte N.'s ehemaliger Vorgesetzter im RFB, Karl D., der im Roten Ochsen zu Halle nicht wegen der Tötung Zänkerts einsaß, am 10. Oktober gegenüber der Berliner Kriminalpolizei umfangreiche Aussagen zum 29. Mai 1931. Nach einer Gegenüberstellung gab N. nicht nur seine Schüsse auf die Stahlhelmer zu, von denen einer den Posthelfer getroffen hatte, sondern gestand seine Tatbeteiligung an zwei Raubüberfällen im Jahr 1931. N. wurde vom selben Gericht und aus den gleichen Gründen wie Kurt D. am 27. März 1940 ebenfalls zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt.

Folgen[Bearbeiten]

Wie die Ermittlungen ergaben, hatte keiner der Schützen die Absicht gehabt, einen Polizisten zu töten. Der Feuerüberfall auf die Stahlhelmer war ein Resultat der KPD-Parole „Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft!“[2] Vier Wochen später wurde bei der Auflösung einer kommunistischen Srtaßendemonstration der Polizeiwachtmeister Emil Kuhfeld wahrscheinlich spontan, aber schon gezielt erschossen.[3] Diese Tötungen sind von den bewaffneten Organisationen der KPD gefeiert worden. Ihre Zeitschrift Oktober bezeichnete sie als Beispiele der „Organisierung des wehrhaften Kampfes, Organisierung des Massenterrors zur Niederbrechung des Faschisten- und Polzeiterrors“.[4] Der Parteivorsitzende Ernst Thälmann schritt dagegen ein und untersagte, als sich im Herbst 1931 infolge eines Doppelmordes an zwei Polizeioffizieren ein Verbot der KPD abzeichnete, die Propagierung der Gewaltakte als „individuellen Terror“, für den er seinen Widersacher Heinz Neumann verantwortlich machte.[5] Obwohl der gegenseitige Straßenterror unter den Kampforganisationen der Parteien weiter zunahm, kam es, abgesehen von der Ermordung des Hamburger Polizeimeisters Perske durch Jungfrontler am 27. August 1931, zu keinen weiteren Tötungsdelikten an Polizisten durch Kommunisten.[6]

Literatur[Bearbeiten]

  • Michael Stricker: Letzter Einsatz. Im Dienst getötete Polizisten in Berlin von 1918 bis 2010 (= Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Polizeigeschichte. Band 11). Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-86676-141-4, S. 49–57.
  • Christian Striefler: Kampf um die Macht. Kommunisten und Nationalsozialisten am Ende der Weimarer Republik. Propyläen, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-549-05208-1, S. 253–255.
  • Jan Eik: Schaurige Geschichten aus Berlin. Die dunklen Geheimnisse der Stadt. Jaron, Berlin 2013, ISBN 978-3-89773-707-5, S. 147 f.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Zitat bei Stricker, S. 51
  2. Zur Stimmungslage und zu den Lebensbedingungen jugendlicher Straßenkämpfer in Berlin um 1930 siehe Andreas Petersen: Straßenkämpfer am Abgrund. Berliner Bürgerkriegsjugend 1932. In: Uwe Schaper (Hrsg.): Berlin in Geschichte und Gegenwart. Jahrbuch des Landesarchivs Berlin 2009. Gebr. Mann, Berlin 2009, S. 279–310, zur Parole S. 300
  3. Zu Kuhfeld siehe Stricker (Lit.), S. 59–62.
  4. Bernd Kaufmann (Leitung): Der Nachrichtendienst der KPD. 1919–1937. Dietz, Berlin 1993, ISBN 3-320-01817-5, S. 248–250, dort auch das Folgende zu Thälmann, das Zitat S. 249.
  5. Zu Neumann, auch in Zusammenhang mit dem Straßenterror, siehe Reinhard Müller: Heinz Neumanns Bußrituale - auch ein Nachtrag zum Protokoll der „Brüsseler Konferenz“ der KPD. In: Ulrich Mählert u. a. (Hrsg.): Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2008. Aufbau Verlag, Berlin 2008, ISBN 9783351026882, S. 319–328. Zu den Gründen seines Sturzes im Mai 1932 zählte Neumann, ohne das er sie explizit erwähnte, die tödlichen Angriffe auf Polizisten 1931.
  6. Zu Perske siehe Helmut Ebeling: Schwarze Chronik einer Weltstadt. Hamburger Kriminalgeschichte 1919–1945. Kabel, Hamburg 1980, ISBN 3-921909-30-9, S. 306–319. Die Erschießung des Oberwachtmeisters Josef Zauritz am 30. Januar 1933 ging offenbar nicht auf KPD-Anhänger zurück.
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