Ostpreußische Mentalität

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Kürbishütte in Königsberg

Als Mentalität der Ostpreußen bezeichnen manche Autoren eine Mentalität, die sich im Laufe von etwa 700 Jahren bei den Ostpreußen entwickelt und ihre Blütezeit im Königsberger Jahrhundert gehabt hätte. Sie wird durchaus widersprüchlich als bodenständig und weltoffen, genügsam und selbstbewußt, spröde und voller Witz, bewahrend und liberal, deutsch und multiethnisch zugleich beschrieben. Ihre Gesinnungstreue wurde damals wie heute als altmodisch, wenn nicht störend beschrieben.[1]. Die ausgeprägte Mentalität habe sich mit der Reichsgründung verflüchtigt. In allgemeiner Erinnerung seien heute nur noch „Königsberger Klopse und komischer Dialekt“ (FAZ). Mentalitätsgeschichtlich ist das Thema bislang nicht wissenschaftlich erforscht.

Die Ostpreußische Mentalität wird auch als schwere, fast starre Haltung beschrieben.[2] Als typisches Beispiel wird die Geschichte eines Bauers angeführt, der seine totgeglaubten Schwestern wiederfindet. Er freut sich, dass er nun zwei „starke junge Schwestern zum Arbeiten“ hat. Die Freude ist auch deswegen ungetrübt, weil durch deren Verschollen das Gut bereits auf den Bruder überschrieben worden ist.[3]

Nach dem Ersten Weltkrieg dominierte eine deutsche „Vorpostenmentalität“, ein „Grenzlandbewusstsein“ das fast die gesamte ostpreußische Bevölkerung erfasste und nicht allein auf das rechte politische Spektrum beschränkt war.[4] Ein typisches Element der ostpreußischen Mentalität wurde der Glaube, aufgrund der „bedrohten Insellage“ über den Parteien zusammenstehen und die kleinlichen Querelen des Reiches angesichts der eigenen gefährdeten Lage beiseite zu lassen.[5]

Als besonders markante Vertreter Ostpreußischer Mentalität werden Johannes Bobrowski, Alfred Lau, Siegfried Lenz, Agnes Miegel, Arno Surminski und Ernst Wiechert genannt.

Zitate[Bearbeiten]

Aus römischem Abstand schrieb der Masure Gregorovius:

„Den Ostpreußen fehlt die Grazie. Sie gewinnen nicht bei ihrem Erscheinen; aber auf ihrem soliden Wesen läßt sich sicher bauen. Der Ostpreuße ist die reinste und beste Prosanatur Deutschlands.“

Ferdinand Gregorovius

Ein Hamburger Arzt aus Ostpreußen über das Naturell seiner Landsleute:[6]

„Die Ostpreußen sind im allgemeinen kritisch veranlagt, und ihre Kritik leidet selten an einem Übermaße von Wohlwollen. Als ihren Wahlspruch könnte man den Vers des Epicharmos (etwa 550-460 v. Chr.) bezeichnen: Nüchtern sei und niemals trausam, das ist wahrer Weisheit Kern. Selbst gegen ihre eigenen Empfindungen, die sie wider Willen fortreißen können, sind sie stets auf der Hut. Vor allem sind sie darauf bedacht, sich nicht bevormunden, nicht blenden und sich nicht imponieren zu lassen. An ihren Ansichten, auf deren Selbständigkeit sie großen Wert legen, halten die Ostpreußen nicht selten mit Eigensinn fest. Sie neigen zur Unbedingtheit des Urteils und sind Kompromissen und Vermittlungen abhold. Ihr Hang zum Zergliedern und Analysieren schließt aber die Produktivität nicht aus. Gleichsam als notwendiges Komplement des Kritizismus, macht immer von neuem sich ein Trieb zur Phantastik, Mystik und Schwärmerei energisch geltend. Neben Kant steht Hamann, neben dem Verfasser der Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, der Magus des Nordens, für den die höchste Potenz der Vernunft der Glaube war.“

Helmuth Kühn

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Der zweite lange Marsch. In: Der Spiegel. Nr. 16, 2002 (online15. April 2002).
  2. Inge Mager (Hrsg.): Frauen-Profile des Luthertums. Lebensgeschichten im 20. Jahrhundert. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2005, ISBN 3-57905-213-6, S. 225.
  3. Zeitschrift für Volkskunde, 3 (1932) Deutsche Gesellschaft für Volkskunde, S. 262.
  4. Rezension Traba für H-Soz-u-Kult von Jörg Hackmann
  5. Ralf Meindl: Ostpreussens Gauleiter. Erich Koch. Eine politische Biographie. Fibre, Osnabrück 2007, ISBN 3-938400-19-6, S. 168.
  6. Helmuth Kühn: Ostpreußen, in: Festschrift zum 100. Stiftungsfest der Landsmannschaft Arminia Königsberg. Hamburg 1988, S. 139

Literatur[Bearbeiten]

  • Ruth Geede: Ich trag meiner Heimat Gesicht. Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung, 22. Juni 2002.
  • Jürgen Joachimsthaler: Doppelte Vergangenheit. Ostpreußen als Fiktion, in: Jens Stüben: Ostpreussen - Westpreussen - Danzig: eine historische Literaturlandschaft. Oldenburg 2005, ISBN 978-3-486-58185-0.
  • Andreas Kossert: Ostpreußen. Geschichte und Mythos. Siedler, München 2005, ISBN 3-88680-808-4.
  • Robert Traba: Ostpreußen – die Konstruktion einer deutschen Provinz. Eine Studie zur regionalen und nationalen Identität 1914–1933. Osnabrück 2010, ISBN 978-3-938400-52-4 (1. polnische Auflage: Posen 2005).

Weblinks[Bearbeiten]

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