Orgodynamik

Aus MARJORIE-WIKI
Wechseln zu: Navigation, Suche

Orgodynamik ist eine multidimensionale, transpersonale und körperorientierte Methode der Bewusstseinsschulung. Der aus Orgon und Dynamik zusammengesetzte Begriff bedeutet soviel wie „der Dynamik der Lebensenergie folgen“.

Was ist Orgodynamik?[Bearbeiten]

Die Orgodynamik ist eine Methode der Bewusstseinsentwicklung und -schulung, die von Gabrielle Plesse-St. Clair und Michael Plesse in den 80iger Jahren begründet und seither innerhalb des Instituts Orgoville immer weiterentwickelt und weiter fundiert wurde.

Das Ziel der Orgodynamik ist es, den Menschen darin zu fördern, sich selbst multidimensional wahrzunehmen und weiterzuentwickeln, d.h. in verschiedenen Dimensionen des Menschseins präsent zu sein, diese bewusst und differenziert wahrnehmen zu können, sie zu erweitern und sich fließend zwischen den verschiedenen Dimensionen bewegen zu können. Es geht dabei um die mentale, emotionale, körperliche, energetische und essenzielle Dimension in Bezug zur äußeren Welt sowie dem Größeren, das hier auch als Tao bezeichnet wird, ohne sich jedoch in irgendeiner Form einer spezifischen spirituellen oder religiösen Richtung zu verpflichten. Es geht um die Kompetenz, im Bewusstsein navigieren und von dort aus in Bewusstheit handeln zu können. Es geht um Bewusstseinserforschung und -weitung. Gleichzeitig dient die Orgodynamik-Aus- und Weiterbildung dazu, die Teilnehmenden zu schulen, Menschen multidimensional zu begleiten. Sie führt nach drei Jahren zu einer Grundqualifikation, die mit kontextbezogenen Anpassungen in therapeutischen, pädagogischen, ärztlichen, spirituellen und z.T. auch in wirtschaftlichen Berufen zur Anwendung kommen kann.

Das orgodynamische Methodenrad[Bearbeiten]

Um die Komplexität des orgodynamischen Ansatzes, in den ja verschiedene Schulen und Ansätze eingeflossen sind, transparent zu machen und aus der Notwendigkeit, das breite Methodenspektrum darzustellen, das diesen Ansatz durchzieht, entstand das Methodenrad als ein neues Modell, in dem neben dem Überblick und der methodischen Verortung wesentliche Grundorientierungen mit sichtbar werden.

Das Grundmodell[Bearbeiten]

Nachfolgend ist das Methodenrad der Orgodynamik in einer verkürzten Form zu finden. Das einfache Grundmodell (Abb. 1), das dem orgodynamischen Methodenrad zugrunde liegt, verdeutlicht den Grundgedanken, dass die verschiedenen Dimensionen des Menschseins (Körper, Geist, Gefühl, Energie) zusammengehören und zusammenwirken, selbst wenn sie als separate Dimensionen des Menschseins benannt werden. Im Kreismodell dargestellt, welches eine hierarchische Zuordnung verhindert, gruppieren sie sich um das Zentrum, um einen Mittelpunkt, der hier „das Größere“ symbolisiert. Das „Größere“ steht als Synonym für das Unbenennbare, das Tao, oder wie Gregory Bateson es auch ausdrücken würde, „den Ort, wo die Engel schweigen“. Im Modell ist dies als Punkt in der Mitte dargestellt.

Datei:4Dimensionenkreis.jpg
Abb.1: Das Grundmodell

Im Verständnis der Multidimensionalität werden die Dimensionen als gleichwertig betrachtet. Sie lassen sich als unterschiedliche „Tore“ zur Mitte verstehen, die jeweils einen spezifischen Zugang zur Verbindung mit dem „Größeren“ herstellen, das letztendlich nicht von den Dimensionen getrennt ist. Durch eine Erweiterung des Grundmodells entsteht das Methodenrad der Orgodynamik (Abb. 2), in dem nun die verschiedenen Methodengruppen in Zusammenhang mit verschiedenen Einflüssen und Ansätzen dargestellt und mit ihren spezifischen Schwerpunkten den Grunddimensionen zugeordnet werden. Ein weiterer Grundgedanke wird im so genannten Ring der Dekonstruktion sichtbar. Im Prozess der menschlichen Erfahrung braucht es ja auch die tiefe Bereitschaft, die Identifikation mit einer Dimension aufzulösen und die Dimension selbst zu überschreiten, um in die Verbindung mit dem Größeren zu gelangen, d.h. aus den Gedanken, Gefühlen, Empfindungen und Wahrnehmungen auszusteigen, um sich dem Unbenennbaren zu überlassen. Dieser Übergang, diese Schwelle wird hier als Ring der Dekonstruktion bezeichnet.

Der Ring der Dekonstruktion[Bearbeiten]

Der Begriff Dekonstruktion ist der Philosophie der Postmoderne entlehnt (Derrida, Wittgenstein). Obwohl der Begriff der Dekonstruktion schwerpunktmäßig einen spezifischen Ansatz der Relativität von Wort und Sprache aufzeigt, lässt er sich schlüssig auf das vorliegende Modell übertragen. In dem Moment, in dem z.B. die Bereitschaft entsteht, einen Gefühlszustand loszulassen, ist der erste Schritt in die Dekonstruktion geschehen. Das Gefühl mit seinen spezifischen Qualitäten verändert sich oder löst sich sogar vollständig auf. Diese Auflösung kann geschehen, wenn eine Bewusstseinsbereitschaft vorhanden ist, Gefühlszustände als ständig sich verändernde Prozesse wahrzunehmen. Man könnte sagen, auf dieser Ebene geschieht die Dekonstruktion durch die Bereitschaft zu fühlendem Fließen. Auf der körperlichen Ebene gibt es ebenfalls einen besonderen Aspekt, der dazu beiträgt, dass Dekonstruktion geschehen kann, und zwar wenn das Bewusstsein von körperlicher Vergänglichkeit so tief geankert ist, dass jeder körperliche Zustand als vorübergehend und sich im Wandel befindend wahrgenommen werden kann. Auf der energetischen Ebene geschieht die Dekonstruktion, wenn jedes auftauchende Konzept zeitnah mit der Erfahrung losgelassen wird und damit der unmittelbaren Erfahrung von feinstofflichen, energetischen Ebenen Platz macht, was ebenso für die essenzielle Ebene gilt. Dies geschieht, wenn mithilfe des beobachtenden Geistes alle Gedanken, Vorstellungen und daraus entstehenden Konzepte über eine Erfahrung als mentale „Konstrukte“ wahrgenommen werden können und nicht festgeschrieben und dogmatisch verankert werden. Die Bereitschaft, an keiner Wahrnehmung, keinem Konzept und damit letztendlich auch an keiner Methode festzuhalten, dieses Wieder-Loslassen-Können und die damit verbundene Offenheit für das Unbekannte wird im Modell symbolisch mit dem Ring der Dekonstruktion dargestellt. Damit wird ein der Orgodynamik innewohnendes Verständnis sichtbar gemacht, nämlich offen zu bleiben für das Unbekannte, offen zu bleiben für den sich immer wieder neu gestaltenden Moment. Damit bleibt der Mensch als ein Wesen, das sich letztendlich nicht vollständig kategorisieren und beschreiben lässt, im Vordergrund und wird in seiner Vielfalt und Einzigartigkeit gewürdigt.

Das orgodynamische Methodenrad[Bearbeiten]

Das orgodynamische Methodenrad (Abb. 2) zeigt, wie die Methoden im multidimensionalen Blick den Dimensionen zugeordnet und miteinander verwoben sind. Gemeinsam gruppieren sie sich um die Mitte, um das „Größere“. Der Ring der Dekonstruktion verdeutlicht die Bereitschaft, im prozessualen Geschehen alle einzelnen Methoden sich wieder auflösen zu lassen, um offen zu bleiben für das Unbekannte, für den Moment. Jede Methode, jeder Ansatz, jede Schule hat im Blick der Multidimensionalität ihren Platz. Bleibt eine Methode isoliert in einen Selbstzweck eingebunden, begrenzt sie die Vernetzung mit anderen Dimensionen und verhindert möglicherweise den natürlichen „Shift“ in eine andere Ebene. Werden die verschiedenen Methoden dagegen in der Bereitschaft angewendet, sie wieder loszulassen, können sie zu einem spezifischen Zugang zur Verbindung mit dem Größeren werden. Des weiteren werden die Hauptansätze und Schulen sichtbar, die in die Orgodynamik eingeflossen sind, wobei in dem Modell nur die wesentlichen Einflüsse dargestellt sind. In dieser Darstellungsform wird deutlich, in welcher multidimensionalen Perspektive sich das Puzzle der verschiedenen Ansätze zusammensetzt und welchen Bezug diese jeweils zu den orgodynamischen Methoden haben.

Datei:Orgodynamisches methodenrad.jpg
Abb.2: Das Orgodynamische Methodenrad

Im ersten Ring sind die verschiedenen Ansätze aufgeführt und jeweils in der Dimension platziert, in der sie für die Orgodynamik wichtig sind und die in der Literatur auch tiefer begründet wird. Im zweiten Ring finden sich die wichtigsten methodischen Schwerpunkte der Orgodynamik, die in den theoretischen Ausführungen (s. Plesse-St. Clair, G. (2011), S. 56-88 ff.) erläutert werden. Der dritte Ring weist darauf hin, dass in jeder Dimension unterschiedliche Aspekte der Bewusstseinserweiterung stattfinden, die durch die spezifischen Methoden ermöglicht werden. Der Ring der Dekonstruktion (gestrichelte Linie) verweist darauf, dass es nicht um die Erfahrung an sich geht, die durch eine Methode möglich ist, sondern dass der Blick weiterhin geöffnet bleibt für die nonduale Dimension. Es geht darum, nicht an der Methode und auch nicht an der Bewusstseinserweiterung, die mithilfe einer Methode möglich ist, festzuhalten, sondern diese auch wieder loszulassen, um offen zu bleiben für die natürliche Bewegung der Lebensenergie, die vielleicht in eine andere Dimension schwingt, sowie für die Erfahrung des konzeptfreien Raumes, des Größeren in der Mitte, das als Punkt dargestellt ist. Die äußere Dimension wird nicht explizit sichtbar gemacht, sondern ist implizit im Raum außerhalb des Modells enthalten, als die Welt, in der sich alle inneren Dimensionen ausdrücken.

Da es in der Orgodynamik um Bewusstseinsschulung im multidimensionalen Blick geht, rücken die inneren Dimensionen des Menschseins zunächst in den Mittelpunkt, da dies als Ausgangspunkt für ein bewusstes Wirken und Handeln in der Welt angesehen wird. Der implizite Gedanke, dass aus einem umfassenden multidimensionalen Bewusstsein ein humanes Handeln in der Welt erfolgen kann, wird im Modell (siehe Abb. 3) durch die nach außen weisenden Pfeile dargestellt. Auch wird im Methodenrad bewusst auf die Differenzierung von Essenz und energetischer Dimension verzichtet, da sich diese Unterscheidung in didaktisch-methodischen Überblicken schwer nachvollziehen lässt. Die energetische Dimension wird in diesem Überblick weiter gefasst, als in den ausführlichen Erörterungen der Multidimensionalität (s. Plesse-St. Clair, G. (2011), Kap. 5.3) diskutiert, und bezieht hier die essenzielle Dimension mit ein. In didaktisch-methodischen Überblicken lassen sich diese vier Schwerpunkte leichter unterscheiden und zeigen das Zusammenspiel von Körper, Geist, Gefühl und „Seele“ auf.

Datei:Orgodynamisches methodenrad bewegung.jpg
Abb.3: Die Bewegung im Methodenrad

In Abbildung 3 wird sichtbar, dass alle Methoden in einer nach innen orientierten Bewegung zur Mitte weisen (s. kleine Pfeile zur Mitte hin). Auf der Basis der Bereitschaft, an keiner der Dimensionen, Zugänge, Methoden und Konzepte verhaftet zu bleiben, kann der Bewusstseinsfluss jederzeit über die Dekonstruktion (gestrichelter Kreis) in das Größere (Punkt in der Mitte) führen. In Verbindung mit dem Größeren kann dann ein bewussteres Handeln in der äußeren Welt erfolgen. Dies ist graphisch durch die zwei großen Pfeile nach außen dargestellt.

Alle Methoden dienen der Bewusstseinsweitung[Bearbeiten]

Im Blick auf dieses Methodenspektrum, das sich aus dem Zusammenwirken der verschiedensten Einflüsse entwickelt hat, wird deutlich, dass es in der Orgodynamik nicht schwerpunktmäßig um einen translativen Lernprozess geht, der den Erwerb spezialisierter Fähigkeiten innerhalb eines Bereiches anstrebt, sondern darum, jede auch noch so unterschiedliche Methode als Zugang zur Bewusstseinsweite, zum tiefsten Wesenskern, als Zugang zur „Mitte“ zu sehen, welche möglichst viele Aspekte unseres Menschseins mit einbezieht. Dabei ist die Bereitschaft, jede Erfahrung wieder loszulassen, um offen zu bleiben für das Unvorhersehbare, für den Moment, von ausschlaggebender Bedeutung. Das Zusammenwirken der verschiedenen Einflüsse in der Orgodynamik macht deutlich, dass alle Methoden und Wege die Erweiterung des Bewusstseins im Sinne der Bewusstseinsweite anstreben und in sich selbst zumeist nicht als geschlossene Systeme bestehen. Dies erklärt auch, warum in der Orgodynamik keine rein technisch oder anaytisch-kausal orientierten Methoden verwendet werden. Methoden, die für sich den Anspruch erheben, eine endgültige Antwort auf den menschlichen Bewusstseinsprozess zu geben, wurden ebenfalls nicht in den orgodynamischen Ansatz integriert. Jede der Methoden oder Ansätze, die in die Orgodynamik eingeflossen sind, beinhaltet Grenzflächen (dieser Begriff ist Heinrich Daubers Ausführungen zur humanistischen Pädagogik entlehnt; Dauber 2009, S. 236) zu anderen Perspektiven oder wurde durch die Interpretation der Begründer mit diesen Grenzflächen in Verbindung gebracht. So wird z.B. im Wesentlichen auf diagnostische, den Menschen einordnende Verfahren verzichtet, es wird nicht von klassifizierbaren Neurosen, Charakterbildern oder Körperstrukturen gesprochen, sondern der Schwerpunkt liegt auf dem Entdeckungsprozess, der im Moment geankert bleibt. Obwohl die Lernenden an diesem Punkt häufig frustriert sind und nur allzu gerne sichere Landkarten und klare Kategorien hätten, um den Menschen einzuordnen, wird das diagnostische Instrumentarium, z.B. Informationen über psychische Krankheitsbilder etc., erst an der Schwelle zur eigenen Arbeit mit Menschen nach der Grundausbildung angeboten, dann, wenn die Präsenz des Lernenden so gestärkt ist, dass die mentale Landkarte als zusätzliche Information dienen kann und nicht zum ausschließlichen Orientierungspunkt wird. Dies schließt jedoch nicht aus, sich für eine professionelle Begleitung von Menschen mit Krankheitsbildern auseinander zu setzen. In diesem Verständnis schließt sich die Orgodynamik an die transpersonal orientierten Kategorien von Joachim und Dorothea Galuska an (Galuska/Galuska, in Marlock 2006, S. 585).

Alle Methoden weisen auf die Mitte[Bearbeiten]

Wie im Methodenrad graphisch sichtbar wird, erlaubt die nicht hierarchische Ordnung ein gleichzeitiges Nebeneinander verschiedener Methoden, ohne damit in eine willkürliche Mischung unterschiedlichster Richtungen zu verschmelzen. Gleichzeitig versteht sich das Methodenspektrum der Orgodynamik auch nicht als eine quantitative integrale Synthese, die allein im Geist der Integration verschiedenste Ansätze subsummiert. Die verschiedenen Methoden stehen weder lose nebeneinander noch werden sie in dem Tiegel des integralen Bewusstseins aufgelöst. Im Tiefenblick jeder Methode, die das „Größere“ und den Wesenskern des Individuums im Auge behält und sich darauf ausrichtet, dekonstruiert sich die Methode von selbst, und der Mensch im jeweiligen Moment kann in den Vordergrund rücken. In diesem Blick kann jede Methode in jeder Dimension zum Tor für das Wesentliche werden, ein Zugang, die Vielfalt und die Einzigartigkeit des Menschen, mit dem gearbeitet wird, zu würdigen. In ihrer multidimensionalen Verschränkung weisen alle Methoden auf die Mitte. Das orgodynamische Methodenspektrum kann in diesem Blick als ein lebendiges, pulsierendes System verstanden werden, welches durch die Paradigmen Präsenz, Multidimensionalität, Fließendes Gewahrsein und Bewusste Bezogenheit zusammengehalten wird und sich immer wieder auflöst.

Wesentliche Orientierungen der Orgodynamik[Bearbeiten]

sind Multidimensionalität, Bewusstseinsweite, Prozessorientierung und Dekonstruktion. Diese Orientierungspunkte werden im folgenden kurz erläutert.

Multidimensionalität[Bearbeiten]

In der gleichwertigen Beachtung der fünf Dimensionen unseres Menschseins zeigt sich, dass es sich um einen Ansatz handelt, der den Menschen in seiner Vielfältigkeit und Komplexität wie auch in seiner Einzigartigkeit berücksichtigt. Darin wird ein Menschenbild sichtbar und transportiert, das den Menschen in seiner Ganzheit einbezieht. Der Bewusstseins- und Bewusstwerdungsprozess dieser Ganzheit („du bist schon das, wonach du gesucht hast; lege lediglich die verhüllenden Schleier ab“) steht im Mittelpunkt. Die daraus resultierenden essenziellen Qualitäten, wie ·Bewusstheit und Weisheit (durch Präsenz), ·differenzierte Wahrnehmung und Transparenz (durch ein Verstehen der Multidimensionalität), ·Vertrauen in die Prozesshaftigkeit des Lebens (durch fließendes Gewahrsein), ·Mitgefühl und Resonanzfähigkeit (durch bewusste Bezogenheit) sind in den Grundparadigmen der Orgodynamik verankert. Obwohl die Selbsterfahrung und Erforschung des Menschen selbst im Zentrum der Arbeit steht, wird deutlich, dass der Ansatz die Gefahren der narzisstischen Selbstbezogenheit (welche durch intensivierte Selbsterfahrungskontexte leicht entstehen kann) konfrontiert und durch ein holonisches Verständnis (wir sind immer Teil eines größeren Zusammenhangs) ins Bewusstsein rückt. Dies wird u.a. durch das konsequente Einbeziehen des Bewusstseins von Vergänglichkeit und des Aspekts der Dekonstruktion vermittelt.

Bewusstseinsweite[Bearbeiten]

W. Belschner hat den Begriff Bewusstseinsweite erstmalig in die transpersonale Psychologie eingeführt. Er spricht von Bewusstseinsweite als einem Begriff, der die “Grenzen der spezifischen spirituellen Schulen überschreitet, aber sehr wohl alle ihre Spezifika und Qualitäten aufnehmen und bewahren kann" (Belschner 2006, S. 8). Der Prozess der Bewusstseinserweiterung ist im orgodynamischen Verständnis bewusst nicht in ein hierarchisches Bewusstseinsstufenmodell (Entwicklungsmodell) eingebettet, in dem es darum geht, bestimmte Stufen zu durchlaufen, um zu einer „höheren“ Bewusstheit zu gelangen, sondern die Möglichkeit der spontanen, überraschenden Bewegung des Bewusstseins zur Bewusstseinsweite bleibt konsequent im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die sich entfaltende Bewusstseinsweite entsteht in diesem Blick durch die angewandte Kunst der Bewusstseinsmodulation als Praxis und nicht schwerpunktmäßig dadurch, sich in einem theoretischen Modell zu verorten, was der Gefahr entgegenwirkt, neue Konzepte und Ansprüche zu bilden, die sich über den authentischen Erfahrungsprozess legen.

Die Fähigkeit der Bewusstseinsmodulation entsteht in dem bewussten Anwenden-Können der drei Schlüssel zur Bewusstseinsweite: Immersion, Integration und Dekonstruktion. Abgeleitet von der lateinischen Wurzel „immergere“, was so viel heißt wie „in etwas eintauchen, [...] einsenken“ (Georges 1935, S. 438), wird der Begriff Immersion im orgodynamischen Kontext als Fähigkeit beschrieben, in eine Erfahrung einzutauchen, sich mit allen Sinnen hineinzubegeben, zu fühlen, zu spüren, zu sehen, zu hören, zu riechen, zu schmecken, und dies bewusst zu tun. In der orgodynamischen Praxis wird dies auch „die Aktivierung der fühlenden Wahrnehmung“ genannt. Der Integration liegt zugrunde, dass alles miteinander verbunden, vernetzt und im holonischen Verständnis Teil von etwas Größerem ist. Damit ist Integration eine Funktion, die auch Polaritäten und Gegensätze in ein sich immer weiter ausdehnendes Netz der Verbundenheit bettet. Es ist die Fähigkeit, das Netz der Vielfalt aufzufalten und immer weitere Verbindungen zu knüpfen. Es geht um die Fähigkeit, die sich die Vielfalt aneignet und darüber in die Bewusstseinsweite drängt. Die Bereitschaft zur Dekonstruktion, also die Bereitschaft, alles sich wieder auflösen zu lassen, weckt im Lernenden und auch im Lehrenden Präsenz und lässt ein Klima von Überraschung und Dem-Unbekannten-Begegnen-Wollen entstehen. In der Orgodynamik wird davon gesprochen, in den Raum des Nichtwissens, des Noch-nicht-Wissens einzutauchen, das Potenzial der Möglichkeiten zu erspüren und eine Bereitschaft zu entwickeln, die Toleranzschwelle zwischen Vertrautem und Unvertrautem zu erweitern. Zudem beinhaltet dieser Zugang eine kraftvolle Form der Selbst-Autorisierung (Self Empowerment), da die Teilnehmenden nach einiger Übung völlig selbstständig und losgelöst von Lehrerinterventionen forschen können. Im Verständnis der Orgodynamik geht es um die Befähigung, konstant am Puls der lebensenergetischen Bewegung zu bleiben, d.h. sich flexibel zwischen den drei Modi bewegen zu können. Dabei bleibt die praktische Umsetzung der Bewusstseinserweiterung im Mittelpunkt, und es wird deutlich, dass es in diesem Ansatz nicht um eine Theoriebildung geht, die den Menschen auf diagnostizierbare und kategorisierbare Zustände begrenzt, sondern dass das prozessuale Geschehen im Vordergrund steht.

Prozessorientierung und Dekonstruktion[Bearbeiten]

Die Prozessorientierung bezieht sich jedoch nicht nur auf die Erfahrungen der Teilnehmenden, sondern es geht auch darum, die Methode selbst als einen Prozess in ständiger Veränderung und Anpassung an die gegebene Situation zu verstehen. Sie ist ein dynamischer Prozess, der nicht mit einem fertigen Konzept aufhört, sondern sich ständig weiter entwickelt, in Frage stellt und sich in der letzten Konsequenz auch selbst dekonstruiert. („Um in die Verbindung mit dem Größeren, in die Mitte, zu gelangen, müssen alle Methoden letztendlich wieder losgelassen werden.“) Dabei wird die Orgodynamik bewusst in das lebendige Spannungsfeld gestellt als Methode auf der einen Seite als Orientierung zu dienen, um einer Willkürlichkeit vorzubeugen und auf der anderen Seite an einem bestimmten Punkt selbst den Weg frei machen zu müssen, um dem Kernanliegen treu zu bleiben, offen zu bleiben für den Moment, für das Neue, für die spontane Spur der lebensenergetischen Bewegung. Dabei soll es nicht um ein Entweder-Oder gehen, nicht nur um die Auflösung als einen letzten Schritt in die Bewusstseinsweite oder das Festhalten an einer Form, einer Lehre. Vielmehr geht es um das UND, um Form und Leere, Weisheit und Mitgefühl, Halten und Loslassen ... und damit genau darum, diesen Urpuls, die Welle der Bewegung der Lebensenergie, die Form schafft und wieder auflöst, wach zu begleiten. Aus dieser Perspektive ergibt sich jedoch auch eine eingrenzende Notwendigkeit, nämlich dass der orgodynamische Prozess konsequent im Grundverständnis der vier Paradigmen verankert bleibt.

Darin rücken noch einmal die essenziellen Fragen in den Vordergrund, die den orgodynamischen Ansatz durchziehen (und die im Verständnis von Essencia, ein weiterer Ansatz der Bewusstseinsschulung von M. Plesse und G. Plesse-St. Clair entwickelt, s. M. Plesse (2010), weiter vertieft und differenziert ausgearbeitet worden sind): · Wie wird gelehrt, geforscht, experimentiert? · Von welchem inneren Platz aus bin ich da, bin ich / bist du in der Welt? · Was ist das Anliegen? · Was ist die Ausrichtung? · Welches sind die Werte, um die es wirklich geht? · Was sind die Schleier, die sich über den Wesenskern legen? · Bin ich bereit, diese einer kontinuierlichen Überprüfung zu unterziehen? · Wer ist mit mir / mit dir auf der Reise? · Was will ich gestalten? · Was bin ich bereit, für unsere Welt zu tun oder zu lassen? Sich in diese und weitere offene Fragen hineinzustellen, sich diesen Fragen wirklich zu stellen, mit ihnen zu verweilen, zu forschen, zu erkunden, zu experimentieren, ist das innere Anliegen der Orgodynamik, für Menschen, die sich selbst tiefer verstehen wollen und dieses Verstehen in ihr persönliches und berufliches Umfeld einbringen möchten, sowie natürlich für Menschen, die andere Menschen multidimensional begleiten wollen.

Die Orgodynamik versteht sich als eine Methode, die den Menschen unterstützt, partizipierend am Leben teilzunehmen. Es geht nicht einfach nur darum, einen analysierenden Erkenntnisprozess zu initiieren, der durch multidimensionale Weitung das Selbstverständnis des Menschen bereichert und Bewusstheit erzeugt, sondern es geht zutiefst darum, aus der Verengung des mentalen Zugriffs von Verstehen auszusteigen und sich praktisch übend dem Strom des Lebens selbst zu öffnen. Auch deshalb werden analysierende diagnostische Raster, Modelle und Schemata von Entwicklungslinien nur sehr begrenzt und sorgsam verwendet, um nicht der Illusion aufzusitzen, Bewusstseinsweite sei schon dann vorhanden, wenn mentales Verstehen dafür eingesetzt wird, sich selbst oder ein Kollektiv zu verorten, und im Endeffekt darauf begrenzt bleibt. Diese Theoriebildungen können in der praktischen Arbeit mit Menschen die eigene, am Lebensprozess partizipierende Haltung und die Förderung der partizipierenden Haltung des Lernenden stören und zu einer „Bürde der Bedeutsamkeit“ (Ega Friedmann, in Lüpke 2009) werden, welche den schöpferischen Lebensimpuls verhindert. Es geht vielmehr darum, sich in Übereinstimmung und Verbindung mit der Selbstorganisation des Lebens inspirieren zu lassen, und darum, wie sich in diesem Verständnis bewusstes Leben gestalten lässt. Die Verschränkung von Theorie und Praxis, die Orientierung an den vier Paradigmen (Präsenz, Multidimensionalität, fließendes Gewahrsein und bewusste Bezogenheit), das Verständnis von Prozess und Vergänglichkeit, die drei Modi der Bewusstseinsmodulation (Immersion, Integration und Dekonstruktion) sowie die Grundhaltung des gemeinsamen Forschens liegen dem orgodynamischen Ansatz zugrunde. Dies bildet die Basis dafür, dass die Orgodynamik ein Ansatz einer Bewusstseins-Praxis mit Verstand, Herz und Seele ist und damit vielleicht zu einer zeitgemäßen Lebenskunst beiträgt, zu einer Lebenskunst, die den Menschen dazu weckt und dabei unterstützt, dem Leben, den Menschen, der Natur und der Umwelt gegenüber mit Achtsamkeit, Liebe und Respekt zu begegnen und aus diesem Verständnis heraus zu handeln.

Hintergrund und Rahmenbedingungen[Bearbeiten]

Die Orgodynamik ist, wie Körperpsychotherapie insgesamt, kein in den Psychotherapierichtlinien anerkanntes Verfahren und kann nicht mit der gesetzlichen Krankenkasse abgerechnet werden. Gleichwohl wird die Methode in den unterschiedlichsten Kontexten auf die Umstände angepasst und eingesetzt, so z.B. auch im klinischen Kontext in der psychosomatischen Klinik in Heiligenfeld, wo die Methode von Dr. Joachim Galuska mit einbezogen wurde (auch beschrieben bei Galuska/Galuska, in Marlock 2006).

Die Orgodynamik-Ausbildung ist auf 3 Jahre ausgelegt. Der Teilnehmer verpflichtet sich jedoch nur für jeweils ein Jahr (jeweils ca. 23 Tage, häufig aufgeteilt auf vier Abschnitte). Zur Erreichung des Orgodynamik-Zertifikat gehören über die 3 Jahre der Ausbildung hinaus Supervisionen und selbst genommene Einzelsitzungen sowie das Dokumentieren selbst gegebener Einzelsitzungen.

Literatur[Bearbeiten]

  • Gabrielle Plesse-St.Clair: Orgodynamik – Menschen multidimensional begleiten. Klinkhardt, Bad Heilbronn 2011.
  • Gerda Boyesen: Über den Körper die Seele heilen. Biodynamische Psychologie und Psychotherapie. Eine Einführung. Kösel, München 1987.
  • Geseko v. Lüpke (Hrsg.): Zukunft entsteht aus Krise. Riemann, München 2009.
  • Gustl Marlock und Halko Weiss (Hrsg.): Handbuch der Körperpsychotherapie. Schattauer, Stuttgart 2006.
  • Heinrich Dauber: Grundlagen Humanistischer Pädagogik. Leben lernen für eine humane Zukunft. 2. Auflage. Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2009.
  • Heinrich Dauber und Ralf Zwiebel: Professionelle Selbstreflexion aus pädagogischer und psychoanalytischer Sicht. Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2006.
  • Joachim Galuska und Dorothea Galuska: Körperpsychotherapie im Spektrum der Strukturniveaus. In: Gustl Marlock und Halko Weiss (Hrsg.): Handbuch der Körperpsychotherapie. Schattauer, Stuttgart 2006.
  • Jon Heaton und Judy Groves: Introducing Wittgenstein. Icon Books, Cambridge 1999.
  • K. E. Georges: Lateinisch–Deutsches und Deutsch-Lateinisches Schulwörterbuch. Hannover 1935.
  • Michael Plesse: Von der Bewusstseinsweite zum ko-kreativen Handeln Teil I. In Joachim Galuska (Hrsg): Transpersonale Psychologie und Psychotherapie 2/2010. Themenschwerpunkt: Ökologische Krise(n) - zivilgesellschaftliche Basisinitiativen - Bewusstseinswandel. Via Nova, Petersberg 2010.
  • Michael Plesse: Von der Bewusstseinsweite zum ko-kreativen Handeln Teil II. In Joachim Galuska (Hrsg): Transpersonale Psychologie und Psychotherapie 1/2011. Themenschwerpunkt: Bewusstseinsforschung – soziale Bewegungen – kreative Felder. Via Nova, Petersberg 2011.
  • Stephen Wolinsky: Der Weg des Menschlichen. Notizbücher zur Quantenpsychologie. Econ, München 2001.
  • Wilfried Belschner u.a.: Auf dem Weg zu einer Psychologie des Bewusstseins. Transpersonale Studien 8. Bibliotheks- und Informationssystem der Universität Oldenburg, Oldenburg 2003.
  • Wilfried Belschner: OTSC-PA-55-v01-2006. Institut für Psychologie, Abteilung Gesundheits- & Klinische Psychologie, Oldenburg 2006.
Info Sign.svg Dieser Wikipedia-Artikel wurde, gemäß GFDL, CC-by-sa mit der kompletten History importiert.