Oralair
Oralair (Hersteller Stallergens) ist ein Medikament, das in der spezifischen Immuntherapie von allergischer Rhinitis eingesetzt wird.[1] In verschiedenen Studien wurde eine Reduktion der Symptome allergischer Rhinitis von 34 bis 37% und eine Reduktion der Einnahme von Medikamenten um 46-53% festgestellt.[2] Die Anzahl von guten Tagen zur Zeit des Pollenfluges war während der Studie in der behandelten Gruppe um 54% höher als in der Placebo-Gruppe[3]
Das Medikament wurde vom Pharmakonzern Stallergenes entwickelt und 2008 in Deutschland auf den Markt gebracht[4], seit dem 01.04.2014 ist es auch in den USA[5] und insgesamt in 31 Ländern[6] zugelassen.
Inhaltsverzeichnis
Klinische Angaben[Bearbeiten]
Anwendungsgebiete (Indikationen)[Bearbeiten]
Die Tabletten werden gegen allergische Rhinitis mit oder ohne Konjunktivitis in Deutschland sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern über einem Alter von fünf Jahren eingesetzt[1]. In den USA ist das Medikament für Kinder ab zehn Jahre zugelassen.[7] Die Patienten sollten zur Behandlungsaufnahme klinisch relevante Symptome vorweisen, entweder durch einen positiven Allergietest, oder einen positiven Titer des spezifischen Immunglobulins E gegen Gräserpollen bestätigt.
Art und Dauer der Anwendung[Bearbeiten]
Die Behandlung besteht aus einer Initiationsphase in der die Dosis je um 100 IR (Index der Reaktivität, einer biologischen Maßeinheit der Potenz zur Reaktivität der Haut beginnend bei 100 IR[6]) gesteigert wird, und einer Fortsetzungsphase, bei der 300 IR pro Tag eingenommen werden.[8] Die Behandlung sollte von einem erfahrenen Allergiespezialisten durchgeführt werden.[1] Oralair ist eine Tablette, die sich unter der Zunge auflöst. Die erste Dosis wird in einer Arztpraxis unter medizinischer Aufsicht verabreicht, während die nachfolgenden Dosen einmal täglich vom Patienten selbst eingenommen oder dessen Pflegepersonen verabreicht werden. Die Behandlung mit Oralair sollte vier Monate vor dem erwarteten Anfang der jeweiligen Graspollensaison begonnen und über die Saison hinweg fortgesetzt werden.
Gegenanzeigen (Kontraindikationen)[Bearbeiten]
- Überempfindlichkeit gegen einen der sonstigen Inhaltsstoffe
- Gleichzeitige Einnahme von Betablockern
- Instabiles und/oder schweres Asthma (Einsekundenkapazität weniger als 70% des Vorhersagewertes)
- Schwere Immunschwäche oder vorliegende Autoimmunkrankheit
- Maligne Erkrankungen
- Orale Entzündungen[9]
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten[Bearbeiten]
Es konnten während klinischer Studien mit dem Medikament Oralair und anderen Arzneimitteln zur Behandlung allergischer Symptome wie Antihistaminika oder Steroide keine Wechselwirkungen festgestellt werden.[8] Schwere allergische Reaktionen können mit Adrenalin behandelt werden, die Wirkung dessen wird bei Patienten, die mit trizyklischen Antidepressiva und Monoaminoxidasehemmern behandelt werden möglicherweise verstärkt, was lebensbedrohliche Folgen haben kann.[9]
Anwendung während der Schwangerschaft[Bearbeiten]
Obwohl es in Tierversuchen keine Hinweise auf Probleme durch die Einnahme von Oralair während der Schwangerschaft gibt, sollte der Beginn einer Therapie vorsichtshalber während der Schwangerschaft vermieden werden. Tritt eine Schwangerschaft jedoch während der Therapie ein, sollte die Einnahme von Oralair nur unter strengerer ärztlicher Überwachung fortgesetzt werden. Oralair wurde im Bezug auf die Verwendung während einer Schwangerschaft von der FDA in die Kategorie B eingestuft.[10]
Anwendung während der Stillzeit[Bearbeiten]
Da es keine Studien zum Übergang des Medikamentes in die Muttermilch gibt, sollte als Vorsichtsmaßnahme während der Stillzeit eine Immuntherapie mit Allergenen grundsätzlich nicht initiiert werden. Die systemische Exposition der Patientin gegenüber Oralair ist jedoch gering, für die Fortsetzung einer angefangenen Therapie sollte einer genaue Nutzenanalyse über die Wirkung des Medikamentes auf das Stillen des Kindes stattfinden.[8][10]
Besondere Patientengruppen (Diabetiker, Nierenkranke)[Bearbeiten]
Wenn ein chirurgischer Eingriff in der Mundhöhle bevorsteht, ist die Therapie mit Oralair zu unterbrechen, bis die vollständige Heilung erreicht ist. Menschen, die mit trizyklischen Antidepressiva oder Monoaminoxidasehemmern behandelt werden sollten die Behandlung nur nach äußerst sorgfältiger Abwägung beginnen.[8]
Unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen)[Bearbeiten]
Die Allergene denen die Patienten während der Behandlung mit Oralair ausgesetzt sind können sowohl systemische, als auch lokale Reaktionen am Applikationsort auslösen. Erleidet ein Patient Reaktionen am Applikationsort, können Medikamente wie Antihistaminika in Betracht gezogen werden, die diese Symptome lindern. Aufgrund der Wirkweise als allergene Immuntherapie können schwere allergische Reaktionen auftreten, wie zum Beispiel schwere laryngopharyngeale Beschwerden, oder systemsiche allergische Reaktionen. Diese akuten Krankheitssymptome können das Schleimhautgewebe und die Haut betreffen, zu respiratorischer Beeinträchtigung führen, gastrointestinale Symptome hervorrufen, oder zu einer Absenkung des Blutdrucks führen.[8]
In Placebo-kontrollierten klinischen Studien wurden 1038 Erwachsene und 154 Kinder mit durch Gräserpollen ausgeölste allergischer Rhinokonjunktivitis einmal täglich mit Oralair 300IR behandelt. Ein vorzeitiges Ausscheiden aus der Studie hatte in den meisten Fällen den Grund leichter oder mäßig stark ausgeprägter Reaktionen am Applikationsort.
Die Nebenwirkungen beinhalten[8]:
Systemorganklasse | Häufigkeit | Nebenwirkungen |
---|---|---|
Infektionen und parasitäre Erkrankungen | Häufig
Gelegentlich |
Nasopharyngitis, Rhinitis
Oraler Herpes, Otitis |
Erkrankung des Blutes und des Lymphsystems | Gelegentlich | Lymphadenopathie |
Erkrankungen des Immunsystems | Gelegentlich | Überempfindlichkeit, orales Allergiesyndrom |
Psychiatrische Erkrankungen | Gelegentlich | Depressionen |
Erkrankungen des Nervensystems | Sehr häufig
Gelegentlich Selten |
Kopfschmerz
Geschmacksstörung, Somnolenz, Schwindelgefühl Angst |
Augenerkrankungen | Häufig
Gelegentlich |
Augenjucken, Konjunktivitis, verstärkte Tränensekretion
Augenrötung, Augenödem, trockenes Auge |
Erkrankungen des Ohrs und des Labyrinths | Häufig
Gelegentlich |
Ohrenjucken
Ohrenbeschwerden |
Gefäßerkrankungen | Selten | Hitzegefühl |
Erkrankungen der Atemwege, des Brustraums und Mediastinums | Sehr häufig
Häufig Gelegentlich |
Rachenreizung
Asthma, allergische Rhinitis (Nasenverstopfung, Niesen, Rhinorrhoe, Beschwerden an der Nase), Husten, oropharyngeale Schmerzen, Pharynxödem, Sinus Sekretstauung, Dyspnoe, Dysphonie, Halstrockenheit, oropharyngeale Blasenbildung, oropharyngeale Beschwerden Pharyngeale Hypästhesie, Engegefühl des Halses, Giemen, Kehlkopfödem |
Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts | Sehr häufig
Häufig Gelegentlich |
Oraler Pruritus
Abdominalschmerz, Diarrhoe, Erbrechen, Mundödem, Zungenpruritus, Lippenödem, orale Parästhesie, Dyspepsie, Zungenödem, orale Hypästhesie, Stomatitis, Lippenpruritus, orale Beschwerden, Übelkeit, Glossodynie, Mundtrockenheit, Dysphagie Mundschmerzen, Gingivitis, Cheilitis, Gastritis, Glossitis, Vergrößerung der Speicheldrüse, gastroösophagealer Reflux, Erkrankung der Zunge, Hypersalivation, Mundulzeration, ösophageale Schmerzen, Gaumenödem, Erkrankung des Mundraumes, schmerzhaftes Schlucken, Aufstoßen |
Erkrankungen der Haut und des Unterhautzellgewebes | Häufig
Gelegentlich Selten |
Urtikaria, Pruritus, atopische Dermatitis
Angioödem, Ausschlag, Akne Gesichtsödem |
Allgemeine Erkrankungen und Beschwerden am Verabreichungsort | Häufig
Gelegentlich |
Brustkorbbeschwerden
Gefühl eines Knotens in der Kehle, Asthenie, grippeähnliche Erkrankung |
Untersuchungen | Selten | erhöhte Eosinophilenzahl |
Verletzung, Vergiftung und durch Eingriffe bedingte Komplikationen | Gelegentlich | Exkoriation |
In einer klinischen Studie über drei aufeinanderfolgende Jahre, in der die Patienten in jedem Jahr mit Oralair behandelt wurden, gab es im zweiten und dritten Jahr eine geringere Anzahl und Häufigkeit an Nebenwirkungen. Kinder und Jugendliche zeigen insgesamt ein den Erwachsenen ähnliches Sicherheitsprofil, jedoch gibt es einige Nebenwirkungen, die bei Kindern und Jugendlichen häufiger beobachtet wurden als bei Erwachsenen. Dazu gehören: Mundödem, orales Allergiesyndrom, Glossitis, Ohrenbeschwerden, Cheilitis, Nasopharyngitis, Husten und das Gefühl eines Knotens in der Kehle. Bei Kindern und Jugendlichen wurden außerdem die folgenden Nebenwirkungen beobachtet: Bronchitis, Tonsillitis und Brustkorbschmerz.[11]
Pharmakologische Eigenschaften[Bearbeiten]
Wirkungsmechanismus (Pharmakodynamik)[Bearbeiten]
Die pharmakodynamische Wirkung von Oralair ist auf das Immunsystem zugeschnitten. Die Behandlung ist für all jene Patienten, die durch das spezifische Immunglobulin E verursachte Symptome wie Rhinitis mit oder ohne Konjunktivitis einer durch Gräserpollen hervorgerufene Allergiesymptome.[12] Der Körper soll eine Immunreaktion auf das Allergen entwickeln, mit dem der Patient behandelt wird. Es ist noch nicht genau bekannt und niedergeschrieben, welcher Wirkmechanismus die klinische Wirkung spezifischer Immuntherapie hervorruft . Nachgewiesen ist jedoch, dass eine Therapie mit dem Medikament die systemische kompetitive Antikörperreaktion auf Gräser hervorruft und das spezifische Immunglobulin G ansteigt.[13] Diese Befunde belegen noch keine klinische Bedeutung.
Inhaltsstoffe[Bearbeiten]
Das Gräserpollenallergenextrakt besteht aus:
- Wiesenknäuelgras (Dactylis glomerata L.)
- Gewöhnlichem Ruchgras (Anthoxanthum odoratum L.)
- Deutschem Weidelgras (Lolium perenne L.)
- Wiesenrispengras (Poa pratensis L.)
- Wiesenlieschgras (Phleum pratense L.)
Sonstige Inhaltsstoffe:
- Mannitol (Ph. Eur.)
- Mikrokristalline Cellulose
- Croscarmellose-Natrium
- Hochdisperses Siliciumdioxid
- Magnesiumstearat
- Lactose-Monohydrat
Sonstige Informationen[Bearbeiten]
Vertrieb und Vermarktung[Bearbeiten]
Das Medikament wurde von Stellergens entwickelt und vermarktet, in den USA hat GREER den Vertrieb übernommen.[14]
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Jison Hong und Leonard Bielory: Oralair®: sublingual immunotherapy for the treatment of grass pollen allergic rhinoconjunctivitis. In: Informa Healthcare. Vol.7 Nr. 4, S. 437-444
- ↑ Bachert C.: Treatment of respiratory allergy with allergy immunotherapy tablets. In: Allergy. Nr. 66, 2011, S. 57-59.
- ↑ R. Dahl, A. Stender, S. Rak:Specific immunotherapy with SQ standardized grass allergen tablets in asthmatics with rhinoconjunctivitis. In: Allergy. Nr. 61, 2006, S. 185-190.
- ↑ Grass pollen allergy vax approved in Germany. In: Populäre Wissenschaft. Nr. 1644, Juni 2008. http://link.springer.com/article/10.2165/00128413-200816440-00056
- ↑ Man Tsuey Tse: Oral immunotherapy approved. In: Nature Biotechnology. Nr. 32, S. 405, 08.05.2014
- ↑ 6,0 6,1 Alain Didier, Ulrich Wahn, Friedrich Horak, und Linda S Cox: Five-grass-pollen sublingual immunotherapy tablet for the treatment of grass-pollen-induced allergic rhinoconjunctivitis: 5 years of experience. In: "Informa Healthcare, Expert Review of Clinical Immunology. Vol. 10 Nr. 10, S. 1309-1324, Oktober 2014
- ↑ FDA Ankündigung: http://www.fda.gov/NewsEvents/Newsroom/PressAnnouncements/ucm391458.htm (Zugriff am 22.06.2015)
- ↑ 8,0 8,1 8,2 8,3 8,4 8,5 8,6 http://www.stallergenes.com/fileadmin/images/corporate/gallery/Documents_pdf/2009-11-26-pil-oralair-100-300-en-clean.pdf/ Offizielle Packungsbeilage des Herstellers, Zugriff am 18.06.2015
- ↑ 9,0 9,1 http://www.fda.gov/downloads/BiologicsBloodVaccines/Allergenics/UCM391580.pdf / Verschreibungsinformationen der Federal Drug Administration, USA, Zugriff am 24.11.2014
- ↑ 10,0 10,1 Peter Creticos: Sublingual immunotherapy for allergic rhinoconjunctivitis and asthma. http://www.uptodate.com/contents/sublingual-immunotherapy-for-allergic-rhinoconjunctivitis-and-asthma. (Zugriff am 22.06.2015)
- ↑ http://www.stallergenes.de/fileadmin/images/filiales/de/de/Pdf/Fachinformationen/1564_Fachinfo_Oralair.pdf/ Fachinformationen der firmeneigenen Seite
- ↑ Alain Didier, Ulrich Wahn, Friedrich Horak und Linda S Cox: Five-grass-pollen sublingual immunotherapy tablet for the treatment of grass- pollen-induced allergic rhinoconjunctivitis: 5 years of experience. In:Expert Rev. Clin. Immunol. Vol. 10(10), S. 1309–1324 (2014)
- ↑ P. Moingeon: Update on immune mechanisms associated with sublingual immunotherapy: practical implications for the clinician. In: J Allergy Clin Immunol Pract. 2013;1 S. 228-41
- ↑ STALLERGENES meldet FDA-Zulassung von ORALAIR®, der ersten sublingualen Immuntherapietablette zur Behandlung von Graspollenallergien. In: Businesswire. Am: 02.04.2014. (http://www.businesswire.com/news/home/20140402005664/de/#.VYASGlWqqkq) Zugriff am 18.06.2015
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