Narrenfreiheit

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Narrenfreiheit (von narrenfreiheit haben, lat.: omnem dicendi libertatem impune ferre. ALER 1450b; an der fastnacht war narrenfreiheit von jeher. BIRLINGER volksth. 2, 35.)[1] bezeichnet das Recht des Narren, (dem Herren) eine unbequeme Wahrheit zu sagen, ohne dafür bestraft zu werden. Die Rolle des Narren und der Narrenfreiheit als Ventil der Artikulation ist bis in die Gegenwart aktuell, heute oft im Genre des Kabaretts oder Films anzutreffen. Mit Hilfe einer allestrotzenden Komik und einer unbesiegbaren Lebenslust sprengt er Tabus und Grenzen jener Gesellschaft. Von Politikern gefürchtet und teilweise mit Auftrittsverboten belegt, spielt sich Benigni gerade durch seine unschuldig wirkende Komik in die Herzen der Zuschauer und bleibt durch das Privileg der Narrenfreiheit unangreifbar. Zuletzt sorgte er mit seiner Rezitation von Dante Alighieris Die Göttliche Komödie für Aufsehen, die ihm im Jahr 2007 eine Nominierung für den Literaturnobelpreis einbrachte.[2]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte[Bearbeiten]

Dieses Recht gibt es seit der Antike. Bereits 486 v. Chr. wurde von der Obrigkeit anerkannt, dass in der Komödie Charaktere straffrei dargestellt werden durften, die respektlos gegen Götter und Menschen sind.

Es war der Augustiner Erasmus von Rotterdam (1469-1536), der für die Renaissance des Komödianten mit all seinen Rechten sorgte.[3] Er machte ihn kompatibel mit dem Narren, dem Tor aus der Bibel. Sein "Lob der Torheit" (1509) zeigte „in der heilsamen Torheit die wahre Weisheit und in der eingebildeten Weisheit die wahre Torheit“. Seiner Auffassung nach stand der Narr in der Nachfolge Christi. Er war der Träger einer höheren Weisheit, der anerkennt, dass die wahre (unerreichbare) Weisheit allein bei Gott liegt. Damit konnte er sich auf die Heilige Schrift berufen, denn schon Paulus sprach: "Wir sind Toren um Christi Willen" (1. Kor. 4,10).

Till Eulenspiegel, William Shakespeare[Bearbeiten]

Die Sage vom Till Eulenspiegel war zu Lebzeiten des Erasmus von Rotterdam populär und erschien fast zeitgleich mit seinem Werk als Volksbuch. Die Narrenfreiheit räumte ihm das Privileg ein, auch unangenehme Wahrheiten oder herbe Kritik zu äußern.[4] Die weisen Narren des William Shakespeare (1564–1616) sind ebenfalls stark von Eulenspiegel beeinflusst. Wurden seit dem 12. Jahrhundert Hofnarren zur Belustigung der Herrscher bei Hofe gehalten, wurden sie bei Shakespeare zu weisen Ratgebern der Herrscher. „Höfliches“ Verhalten verbot, dem Herrscher die Wahrheit zu sagen – das konnte sich nur ein Narr erlauben, der eben dieses besondere Recht besaß. ... Diese uralten Reaktionen der Menschennatur hat das Brauchtum ehedem durch ein jährlich einmal geöffnetes Ventil beschwichtigen, wenn auch nicht aussöhnen können. Eben das wurde "Narrenfreiheit" geheißen.[5]

Zitat: Die ihrem ursprünglichen Wesen nach eigentlich »todernste« Einrichtung des Hofnarren wurde erst in der Renaissance pervertiert, weil die geistlichen wie weltlichen Herren ihre Narren nur noch zum Zeitvertreib beschäftigten und sie als Schaustücke oder gar Statussymbole betrachteten. So sehr sich die Rolle des Hofnarren im Laufe der Zeit auch gewandelt hatte, unangetastet blieb der soziale Status dieses ansonsten akzeptierten Berufstandes. Sie verfügten für die damaligen Verhältnisse über einen erstaunlich großen Handlungsspielraum, durften sich gegenüber ihren Herren auch ungestraft Kühnheiten erlauben, die anderen Mitgliedern des Hofstaates das Leben gekostet hätte. Durch ihre soziale Ausnahmestellung waren die Narren in ihrem Handeln an keinerlei Normen gebunden. Darauf beruht die bei Hofe wie in der übrigen Gesellschaft inzwischen sogar sprichwörtlich gewordene »Narrenfreiheit«.[6]

Narrenfreiheit im Arbeitsrecht[Bearbeiten]

Im modernen deutschen Arbeitsrecht ist eine spezielle Narrenfreiheit nicht einmal im Rahmen einer Karnevalsparty vorgesehen. Wer glaubt an Fastnacht seinem Vorgesetzten einmal seine Meinung sagen zu dürfen, irrt.[7]

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. 16 Bde. [in 32 Teilbänden]. Leipzig: S. Hirzel 1854-1960. -- Quellenverzeichnis 1971. (online)
  2. Katharina Rumpold: Kathartischer Arlecchino. Einsatz, Wirkung und Grenzen der Komik Roberto Benignis. ;Diplomarbeit an der Universität Wien, 2009. S.6. online
  3. Martin Carrier, Johannes Roggenhofer (Hrsg.): Wandel oder Niedergang?; transscript 2007, S. 40.
  4. Werner Wunderlich: Till Eulenspiegel, UTB, 1991. S.39
  5. Bernhard Martin, Reiner Hildebrandt: Sprache und Brauchtum; 1980.
  6. Iris Eggerdinger: Stoff - und motivgeschichtliche Untersuchungen zu Carl Orff s Kleinem Welttheater »Der Mond«, Diss. München 2004, S. 256. [(http://edoc.ub.uni-muenchen.de/2717/1/Eggerdinger_Iris.pdf online)] (abgefragt am 17. April 2010)
  7. Karneval und Arbeitsrecht 2010 (abgefragt am 17. April 2010)
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