Mithilfe von Kindern im Haushalt

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Ein Mädchen zieht der kleinen Schwester Strümpfe und Schuhe an. Ölgemälde von Theophil-Emmanuel Duvenger, um 1900.

Die Mithilfe von Kindern im Haushalt erfolgt dem Alter und den Fähigkeiten des Kindes entsprechend und bildet ein wichtiges Element der Arbeitsteilung in der Familie und der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. Im Gegensatz zu Kinderarbeit ist sie in der westlichen Welt nicht nur legal, sondern gilt auch als erzieherisch sinnvoll.

Mithilfe von Kindern im Haushalt im 21. Jahrhundert[Bearbeiten]

Die Mithilfe von Kindern im Haushalt ist in Deutschland durch das Bürgerliche Gesetzbuch geregelt:

§ 1619 – Dienstleistungen in Haus und Geschäft
Das Kind ist, solange es dem elterlichen Hausstand angehört und von den Eltern erzogen oder unterhalten wird, verpflichtet, in einer seinen Kräften und seiner Lebensstellung entsprechenden Weise den Eltern in ihrem Hauswesen und Geschäft Dienste zu leisten.“

– Bürgerliches Gesetzbuch[1]

Anders als im englischsprachigen Raum, wo seit den 1990er Jahren zahlreiche einschlägige Erziehungsratgeber erschienen sind, die das Thema „Mithilfe von Kindern im Haushalt“ im Titel tragen,[2] fehlt eine entsprechende Literatur im deutschsprachigen Raum bisher.[3] Umfangreich wird das Thema jedoch auf vielen Internetseiten behandelt.

Der Katalog der Tätigkeiten, die Kindern sinnvollerweise übertragen werden können, umfasst nicht nur die Mithilfe bei Hausarbeiten, sondern auch Selbstversorgungs- und Selbstpflegeaufgaben wie z. B. das Zähneputzen, das selbstständige An- und Ausziehen, das Waschen und das Kämmen. Selbstversorgungs- und Selbstpflegeaufgaben bilden tatsächlich den Ausgangspunkt der Erziehung zum Helfen und werden erst nach und nach durch solche Tätigkeiten ergänzt, von denen auch andere Familienmitglieder profitieren.[4]

Ein zentrales Thema auf Internetseiten zum Thema „Mithilfe von Kindern im Haushalt“ sind die Stolpersteine, die Eltern daran hindern, ihr Kind im Haushalt mithelfen zu lassen:

  • Kinder verrichten die aufgetragenen Arbeiten langsamer und weniger gründlich, als die Eltern dies tun würden oder erwarten, sodass diese oft entnervt darauf verzichten, sich helfen zu lassen.[5]
  • Kinder widersetzen sich dem elterlichen Wunsch nach Mithilfe und entwickeln z. B. Verzögerungs- oder Vergessenstaktiken, was für die Eltern so nervenaufreibend sein kann, dass sie ebenfalls darauf verzichten, sich helfen zu lassen.[6]

Es werden jedoch auch zahlreiche Gründe genannt, die dafür sprechen, Kinder dennoch im Haushalt mithelfen zu lassen: Die Mithilfe des Kindes im Haushalt…

  • …mache das Kind selbstständig und bereite es auf das weitere Leben vor.[7]
  • …lehre das Kind, Verantwortung zu übernehmen.[6]
  • …lehre das Kind Selbstüberwindung.[8]
  • …stärke das Selbstbewusstsein des Kindes, das auf seine Leistung stolz sei.[9]
  • …stärke den Gemeinsinn des Kindes.[10]
  • Die Mutter sei glücklicher, weil sie nicht mehr zur „Putzfrau der Familie“ verkomme.[8]

Umstritten ist, ob Kinder für ihre Mithilfe belohnt werden sollten, z. B. durch Fleißpunkte. Der Familientherapeut Klaus Fischer etwa hält das für zweckmäßig.[11] Der Erziehungsbuchautor Jan-Uwe Rogge dagegen argumentiert, dass Mithilfe für Kinder selbstverständlich sein und von Eltern darum nicht als belohnenswerte Sonderleistung behandelt werden sollte.[12]

Einzelne erzieherische Konzepte: Wendy Mogel[Bearbeiten]

Auch die persönliche Hygiene des Kindes wird im englischen Sprachraum als Chore verstanden.

Zu den Apologeten des systematischen Übertragens von Aufgaben an Kinder zählt die Familientherapeutin Wendy Mogel, die diesen Standpunkt in ihrem 2001 erschienenen Buch The Blessings of a Skinned Knee sowohl ethisch als auch pädagogisch begründet hat:

Das Judentum, aus dem sie die Grundlagen für ihr Erziehungskonzept gewinnt, veranschlagt den Wert von Handlungen und guten Taten höher als den des Glaubens. Mogel argumentiert, dass das Mithelfen in der Familie der erste Schritt des Kindes zu den guten Taten darstellen, die sein gesamtes Leben ausfüllen sollten.[13]

Pädagogisch begründet sie die Mithilfe des Kindes aus der Notwendigkeit, das Kind Kompetenzen erwerben zu lassen, auf die es in seinem erwachsenen Leben nicht wird verzichten können, etwa auf den Gebieten der Körperpflege, der Haushaltsführung oder der Versorgung von Familienmitgliedern.[14] Weil ein Kind, das in der Familie mithilft, alltäglich hautnah erfährt, dass es nicht nur geliebt, sondern auch gebraucht wird, heben die Chores (engl. für: „Haushalts-“, „Routineaufgaben“) auch sein Selbstwertgefühl.[14]

Routineaufgaben lehren das Kind nicht nur Familiensinn („family citizenship“), Selbstständigkeit und Verantwortung, sondern bilden nach Mogels Überzeugung „das Fundament des Charakters und der geistigen Gesundheit unserer Kinder“.[15] Sie ist ein wesentlicher Teil der Charaktererziehung. Kinder verdienen, so argumentiert Mogel, mehr als Liebe und Hingabe; sie verdienen es nämlich auch, dass man ihnen beibringt, wie sie sich um sich selber kümmern und zur Gesellschaft beitragen können. Chores sind insofern kein optionales Beiwerk der Erziehung, sondern deren Grundlage.[16]

Aufgaben, die Kinder ‒ ihrem Alter und ihren Fähigkeiten entsprechend ‒ übernehmen können und sollten, umfassen:

  • Selbstpflegeaufgaben wie z. B. das selbstständige Zähneputzen oder Kämmen des Kindes
  • Selbsthilfeaufgaben wie das selbstständige Anziehen oder das Aufräumen eigener Spielsachen
  • Familienaufgaben wie das Helfen bei der Essenzubereitung oder das Tischdecken
  • Leistungen für andere Familienmitglieder, wie die Mitbetreuung jüngerer Geschwister. Eltern können, wie Mogel betont, erwarten, dass Kinder an geeigneter Stelle auch für sie einmal mitarbeiten (z. B. nach einer Mahlzeit den Teller der Mutter mit abräumen); Kinder haben schließlich nur sehr begrenzte Möglichkeiten, sich bei ihren Eltern für erwiesene Gefälligkeiten zu revanchieren.[17]

Selbstpflege- und Selbsthilfeaufgaben bilden den Ausgangspunkt der Erziehung zum Mithelfen; Gemeinschaftsaufgaben werden erst später eingeführt.[18] Für grundlegend wichtig hält Mogel es, dass dem Kind zusammen mit der Verantwortung auch Autorität verliehen wird, d. h. etwa die Freiheit, die zugewiesene Aufgabe auf die eigene, persönliche Weise zu erledigen.[19] Die Mitarbeit des Kindes im Haushalt kann durch Privilegien belohnt werden.[20]

Aus ihrer Berufspraxis als Familientherapeutin weiß Mogel, dass die Erziehung des Kindes zum Mithelfen eine der ermüdendsten Aufgaben ist, der Eltern sich stellen können. Sie erfordert Einsatz, Konsequenz und oftmals ständige Zwangsvollstreckung gegen den Willen eines chronisch sich widersetzenden Kindes.[21] Da Kinder eingearbeitet werden müssen, erfordert sie überdies Arbeitsaufwand, den Eltern oft scheuen.[22] Viele Eltern verausgaben sich mit ihren Kräften auch, weil sie glauben, dass das Kind die Aufgabe mögen müsse, und es bei guter Laune zu halten versuchen.[23] Da die im Haushalt anfallenden Aufgaben sich historisch wandeln, fehlt manchmal schlichtweg das Wissen, welche Aufgaben Kinder sinnvollerweise übernehmen können.[24] Manche Eltern unterschätzen systematisch die Fähigkeiten ihres Kindes,[25] oder zweifeln daran, ob die Mithilfe erzieherisch überhaupt soviel wert sei, dass sie dem Kind, das durch Hausaufgaben und ähnliches eventuell schon stark belastet ist, zugemutet werden dürfe.[26] Wieder andere haben, z. B. weil sie Beruf und Familie vereinbaren müssen, Zweifel, ob sie für ihre Kinder genug tun.[27] Manchen Eltern gewährleistet der ständige Einsatz für ein hilfloses Kind auch versteckte Vorteile wie z. B. eine Aufwertung der eigenen Person.[27]

Da Kinder ein hochempfindliches eingebautes „Barometer“ für elterliche Ambivalenzgefühle haben, erfolgt gegen elterliche Versuche, Aufgaben zu erteilen, an solchen Stellen sofort massiver kindlicher Widerstand.[28] Um Chores ernst zu nehmen, müssen Kinder – so schreibt Mogel – merken, dass es auch den Eltern ernst damit ist.[16]

Literatur[Bearbeiten]

  • Sabine Metzing: Kinder und Jugendliche als pflegende Angehörige, Bern: Huber, 2007, ISBN 3456845499

Anmerkungen und Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Gesetzestext; Erziehung per Klageandrohung Die Zeit, 13. August 2003
  2. Beispiele: Jason J. Cowan, Ann Cowan: The Chore Solution: Making Families Better by Working Together, Xlibris Corporation, 2010, ISBN 1453554475; Lynn Lott, Riki Intner: Chores Without Wars: Turning Housework into Teamwork, Taylor Trade Publishing, 2005, ISBN 1589792629; Jennifer Steward: Choreganizers: The Visual Way to Organize Household Chores, Noble Books, 1995, ISBN 1568570023; James Thornton: Chore Wars: How Households Can Share the Work & Keep the Peace, Conari Press, 1997, ISBN 1573240540; Susan Tordella: Raising Able: How chores empower families, Black Eyed Susan Publications, 2. Aufl. 2010, ISBN 0982697309
  3. Eine Ausnahme bildet eine Broschüre des DDR-Verlags Volk und Wissen aus dem Jahre 1961: Kinder helfen im Haushalt, VEB Verlag Volk und Wissen, Schriftenreihe Elternhaus und Schule, 1961
  4. Kinder: Im Haushalt helfen?
  5. Das können Kinder im Haushalt helfen; Kinder im Haushalt helfen lassen; Kinder und im Haushalt helfen? Aber sicher doch!; Wie können Kinder im Haushalt helfen?
  6. 6,0 6,1 Das können Kinder im Haushalt helfen; «Mach ich später»: Aufgaben mit Kindern klar absprechen
  7. Kinder: Im Haushalt helfen?; «Mach ich später»: Aufgaben mit Kindern klar absprechen
  8. 8,0 8,1 Das können Kinder im Haushalt helfen
  9. Das können Kinder im Haushalt helfen; Kinder: Im Haushalt helfen?; «Mach ich später»: Aufgaben mit Kindern klar absprechen
  10. Das können Kinder im Haushalt helfen; Kinder: Im Haushalt helfen?
  11. «Mach ich später»: Aufgaben mit Kindern klar absprechen
  12. Kinder im Haushalt helfen lassen
  13. Wendy Mogel: The Blessings of a Skinned Knee: Using Jewish Teachings to Raise Self-Reliant Children, New York, London, Toronto, Sydney, Singapore: Scribner, 2001, ISBN 0-684-86297-2, S. 135 (gebundene Ausgabe; eingeschränkte Online-Version in der Google-Buchsuche-USA)
  14. 14,0 14,1 The Blessings of a Skinned Knee, S. 135
  15. The Blessings of a Skinned Knee, S. 135, 157
  16. 16,0 16,1 The Blessings of a Skinned Knee, S. 141
  17. The Blessings of a Skinned Knee, S. 74f
  18. The Blessings of a Skinned Knee, S. 143, 153
  19. The Blessings of a Skinned Knee, S. 146f
  20. The Blessings of a Skinned Knee, S. 205
  21. The Blessings of a Skinned Knee, S. 136f, 151
  22. The Blessings of a Skinned Knee, S. 140
  23. The Blessings of a Skinned Knee, S. 137, 150f
  24. The Blessings of a Skinned Knee, S. 142f
  25. The Blessings of a Skinned Knee, S. 145f
  26. The Blessings of a Skinned Knee, S. 137‒139
  27. 27,0 27,1 The Blessings of a Skinned Knee, S. 139
  28. The Blessings of a Skinned Knee, S. 138
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