Minimal intervenierende Zahnheilkunde

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Minimal intervenierende Zahnheilkunde auch Minimalinterventions-Zahnheilkunde oder minimal-eingreifende Zahnheilkunde genannt, ist ein Behandlungskonzept, das darauf abzielt, möglichst viel der natürlichen Zahnsubstanz eines Patienten zu erhalten.

Das Aufhalten und die Heilung der meist chronischen Krankheit Karies steht im Fokus, nicht nur die mittelfristige Linderung von Symptomen. Neben Patientenberatung, Prophylaxe und Früherkennung soll nur in möglichst geringem Umfang operativ in die Zahnstruktur eingegriffen werden, beispielsweise sollen großflächige Füllungstherapien vermieden werden. Eine Reihe von Zahnsubstanz-unterstützender Mittel, Bakterien-bekämpfender Pharmazeutika, sowie technische Hilfsmittel für verbesserte Mundhygiene und Früherkennung werden genutzt.[1][2]

Handlungskonzept[Bearbeiten]

„Ohne Karieskrankheitsbekämpfung wird jeder Ersatz aufgrund von fortbestehende[r] Krankheitsaktivität seine Wirkung verfehlen.“[1] Ein minimal-intervenierender Zahnarzt bekämpft von Anfang an die Krankheitsursachen, indem er die bakterielle Aktivität eindämmt und er versucht reversible Kariesläsionen zu remineralisieren. Da sich diese Handlungsoptionen besonders in einem frühen Stadion der Karies bieten, wird viel Wert auf eine leistungsfähige Frühdiagnostik gelegt. Eingriffe in die Zahnsubstanz sollen nur dann stattfinden, wenn sie nicht vermeidbar sind. Dabei wird jedoch auf einen möglichst geringen Verlust natürlicher Zahnsubstanz geachtet. Weiterhin hält man eine ausgeprägte Prophylaxe zur Prävention zukünftiger Karies aufrecht.[1]

Methoden[Bearbeiten]

Diagnostik[Bearbeiten]

Wichtig für minimal-intervenierende Handlungsoptionen ist eine genaue Diagnostik, mit der Initialkaries bzw. Karies bereits in frühen Stadien entdeckt werden kann. Dies kann durch den Einsatz von klassischen Instrumenten wie Spiegel, Lichtquelle und Hakensonde, darüber hinaus aber auch durch Panorama- bzw. Bissflügelröntgenaufnahmen, vergrößernde Kameras und Fluoreszenzdetektion erfolgen.[1]

Risikoanalyse[Bearbeiten]

Die Diagnostik kann durch eine individuelle Risikoanalyse und eine entsprechende Beratung des Patienten abgerundet werden. Dies wird unter anderem durch Erfragen von Zahnhygiene- und Ernährungsgewohnheiten, Aufklären eines möglichen Fluoridmangels, Bestimmung von Eigenschaften des Speichels, wie Speichelfluss, pH-Pufferfähigkeit, und Zahnbelag-Tests (beispielsweise auf den Belastungsgrad durch Streptokokkus mutans) erstellt.[1]

Es kann daraufhin entsprechend mit Training der richtigen Mundhygiene, Beraten zu einer vorteilhaften Ernährungsweise, und zu fluoridhaltigen Mitteln, Erhöhung der Flüssigkeitszufuhr und Verwenden von Xylitol- haltigem Kaugummi entgegengesteuert werden.[1][2]

Aufhalten des Krankheitsverlaufes[Bearbeiten]

Eindämmen bakterieller Aktivität[Bearbeiten]

Der Mundraum eines nicht Karies-, Parodontose-, oder Gingivitis-gefährdeten Menschen weist eine ausgewogene bakterielle Besiedlung auf. Ein Gleichgewicht verschiedener Bakterien ist wichtig, da dies verhindert, dass wenige einzelne krankheitserregende Stämme eine dominante Besiedlung erzielen. Daher wird ein potentes Bakterien bekämpfendes Mittel üblicherweise erst dann eingesetzt, wenn das bakterielle Gleichgewicht bereits stellenweise gestört ist und sich Zahnprobleme ankündigen. Als Mittel kommen unter anderem medizinische Mundspüllösungen, Zahnpasten und Beschichtungen in Frage, welche die Bakteriozide und Bakteriostatika Chlorhexidin, Triclosan und Diamminsilberfluorid enthalten.[1]

Remineralisation[Bearbeiten]

Eine Remineralisierung kann durch Zahnpasta, die Caseinphosphopeptid, amorphes Kalziumphosphat oder Fluorid enthält, unterstützt werden. Glas-Ionomer-Zemente, welche Fluorid, Kalzium, Phosphat oder Strontium auch längerfristig an den Zahnschmelz abgeben, können in früheren Stadien eingesetzt werden.

Einsatz von Fissurenversiegelung[Bearbeiten]

Seit 1985 wurden Versiegelungen von Zahnfissuren u.ä. eingesetzt[3] und wenn eine Langzeit-Qualitätskontrolle sichergestellt wird, werden die Erfahrungen dazu als überwiegend positiv eingeschätzt.[2]

Eingreifen[Bearbeiten]

Problematik des Ansatzes Prävention durch Extension[Bearbeiten]

Die Problematik einer herkömmlichen Füllungstherapie und im stärkeren Maß nach dem Ansatz „Prevention by Extention“ – also einem Vorbeugen erneuten Kariesbefalls durch großflächiges Ersetzen natürlicher Zahnsubstanz durch (eigentlich kariesresistente) Füllungsmaterialien entsteht durch deren begrenzte Haltbarkeit. Der Randbereich einer Füllung oder eines Inlays ist anfällig für eine wiederkehrende, sogenannte Sekudärkaries. Wird die Füllung ersetzt, muss erneut gebort werden und es geht noch mehr Zahnsubstanz verloren. Wird die ursächliche Kariesaktivität nicht reduziert, muss im Extremfall nach einigen Jahren wiederkehrender Behandlungen der ganze Zahn entfernt werden.[2]

Minimal intervenierende Behandlung fortgeschrittener Karies[Bearbeiten]

In dem minimal intervenierenden Ansatz versucht man daher eine Füllungstherapie zu umgehen, oder den damit verbundenen Verlust von Zahnsubstanz gering zu halten. Zahnsubstanz-sparenden Methoden um die Karies-Kavität für eine möglichst kleine Füllung vorzubereiten sind Luft-Abrasion (eine Art Sandstrahl-Methode), Laser- oder Sonoabrasion oder eine selektives Entfernen des kariös-infizierten Zahngewebes. Statt eine defekte Füllung zu ersetzen, wird diese wenn möglich repariert.[1]

Eine sehr vielversprechende Methode ist der Einsatz von stark an die Zahnsubstanz bindenden Materialien, wie Dental-Zemente oder –Komposite, teilweise unter Verwendung von Bindungshelfern. Damit kann man kleine kariöse Kavitäten von weiterer Zuckerzufuhr abschneiden, ohne dass der darunter liegende bakterielle Befall unter Opfern von Zahnsubstanz entfernt werden muss. In einer Vielzahl von Studien zeigte sich eine Verlangsamung, ein Stoppen oder sogar eine Verbesserung der Karies nach einigen Jahren. Wichtig ist jedoch eine intensive, auch instrumentell unterstützte langzeitige Qualitätskontrolle.[1][2][4]

Aufrechterhaltung der Kariesprophylaxe[Bearbeiten]

Weiterhin soll der Patient regelmäßig motiviert werden, eine korrekte Prophylaxe langfristig aufrecht zu erhalten.[1]

Gesundheitspolitische Aspekte[Bearbeiten]

Es wird gefordert, dass Zahnärzte für Maßnahmen, die der Karieserkrankung vorbeugen bzw. deren Krankheitsverlauf aufhalten entlohnt werden und nicht nur für ein wiederkehrendes Beseitigen von Symptomen einer lokal weit fortgeschrittenen Karies.[1]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Hochspringen nach: 1,00 1,01 1,02 1,03 1,04 1,05 1,06 1,07 1,08 1,09 1,10 Minimum Intervention (MI) in der Zahnmedizin- MI Kompendium der systematischen Reviews; Auflage 1.4 (2010); Midentistry; 210 S. „Kostenlose Verteilung„
  2. Hochspringen nach: 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 LJ Walsh, AM Brostek: Minimum intervention dentistry principles and objectives; Australian Dental Journal (2013) S. 3–16 ; 58 issn 00450421; doi:10.1111/adj.12045
  3. Hochspringen M Houpt , A Fukus , E Eidelman ; „The preventive resin (composite resin/sealant) restoration: nine-year results.” ; Quintessence Int (1994); 25: 155-9. PMID 8008812.
  4. Hochspringen C. Deery: Caries detection and diagnosis, sealants and management of the possibly carious fissure. In: BDJ. 214, Nr. 11, 2013, ISSN 0007-0610, S. 551–557. doi:10.1038/sj.bdj.2013.525.

Siehe auch[Bearbeiten]

Individualprophylaxe

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