Mentales Kontrastieren

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Mentale Kontrastierung (englisch: Mental Contrasting, MC) ist eine motivationale Technik und Problemlösestrategie, die eine gezielte Verhaltensänderung bewirken soll.[1] Entwickelt und vorgestellt wurde die mentale Kontrastierung von Gabriele Oettingen, Professorin für Psychologie an der New York University und der Universität Hamburg im Jahr 2001.

Verfahren[Bearbeiten]

Bei der mentalen Kontrastierung stellen sich Personen zunächst eine erwünschte, positive Zukunft vor (z.B. die Lösung eines zwischenmenschlichen Konflikts) und identifizieren anschließend die persönlichen Hindernisse in der gegenwärtigen Realität, die der Realisierung der erwünschten Zukunft im Wege stehen (z.B. die eigene Schüchternheit). Indem sich zunächst die Zukunft und anschließend Hindernisse der gegenwärtigen Realität gedanklich vorgestellt werden, wird offenbar, dass für das Erreichen der erwünschten Zukunft aktives Handeln in der gegenwärtigen Realität erforderlich ist (z.B. muss man, um den zwischenmenschlichen Konflikt zu lösen, die eigene Schüchternheit überwinden). Infolgedessen bestimmen die persönlichen Erwartungen, das Hindernis überwinden und die erwünschte Zukunft erreichen zu können, das eigene Verhalten: Hohe Erwartungen führen zu mehr Anstrengung und größerem Erfolg in der Erreichung der erwünschten Zukunft, während niedrige Erwartungen zu weniger Anstrengung und geringerem Erfolg führen. Bei sehr geringen Erwartungen ist auch eine Loslösung von (unrealistischen) Wünschen und damit das Bewahren von Ressourcen möglich.

Mentale Kontrastierung: Mechanismen[Bearbeiten]

Umfassende experimentelle Forschung hat drei Arten von Mechanismen isoliert, die für die Effekte der mentalen Kontrastierung auf die Verhaltensänderung verantwortlich sind: kognitive Mechanismen, motivationale Mechanismen und der Umgang mit Rückschlägen (z.B. negativer Rückmeldung).

Kognitive Mechanismen: Mentale Kontrastierung führt bei hohen Erwartungen zu einer stärkeren und bei niedrigen Erwartungen zu einer schwächeren Verknüpfung von Zukunft und Realität[2]. Zudem verstärkt die mentale Kontrastierung die Verknüpfung von Realität und instrumentellem Verhalten, mit dem die gegenwärtigen Hindernisse überwunden werden können. Darüber hinaus bewirkt die mentale Kontrastierung eine veränderte Bedeutung der Realität: So wird die Realität bei hohen Erwartungen als Hindernis wahrgenommen (die Party am Wochenende wird beispielsweise nicht als spaßiges Ereignis empfunden, sondern als Hindernis, eine gute Note zu erreichen)[3][4][5].

Motivationale Mechanismen: Personen mit hohen Erwartungen fühlen sich nach der Anwendung der mentalen Kontrastierung stärker energetisiert, auch steigt ihr Blutdruck. Der Anstieg der Energetisierung wurde in Studien durch Selbstbericht sowie durch physiologische Paramater (Blutdruck) nachgewiesen. Personen mit niedrigen Erwartungen dagegen fühlen sich weniger energetisiert und ihr Blutdruck sinkt. Andere Arten, über die Zukunft nachzudenken, bewirken demgegenüber keine Veränderungen. Die Energetisierung mediiert die Effekte der mentalen Kontrastierung auf die Verhaltensänderung[6][7][8].

Umgang mit negativem Feedback: Mentale Kontrastierung von machbaren Wünschen führt zu einer Verarbeitung nützlichen Informationen, die oft angesichts negativer Rückmeldung übersehen wird. Dieser Umgang mit Rückschlägen hilft dann dabei, Pläne zu erstellen, um eine Verhaltensänderung in die Tat umzusetzen. Darüber hinaus wird durch die mentale Kontrastierung eine positive Sicht auf die eigene Kompetenz auch bei negativem Feedback bewahrt und eine optimistische Attribution negativen Feedbacks erleichtert[9].

Theoretischer Hintergrund[Bearbeiten]

Die Fantasy Realization Theory[10][11] beschreibt neben der mentalen Kontrastierung drei weitere Arten des Zukunftsdenkens: Das ausschließliche Fantasieren über die positive Zukunft (Schwelgen), das ausschließliche Nachdenken über gegenwärtige Hindernisse (Grübeln) und dem im Vergleich zur mentalen Kontrastierung umgekehrten Gegenüberstellen von Realität und Zukunft (reverse Kontrastierung). Beim Schwelgen über die erwünschte Zukunft werden gegenwärtige Hindernisse ignoriert und daher die Notwendigkeit des Handelns vernachlässigt. Wird dagegen nur über die gegenwärtigen Hindernisse gegrübelt, fehlt die klare Richtung (die erwünschte Zukunft), die angestrebt werden soll. Bei der reversen Kontrastierung schließlich entsteht durch die umgekehrte Reihenfolge keine Verknüpfung von Zukunft und Realität; die Zukunft dient nicht als Anker, und die Realität wird nicht als ein zu überwindendes Hindernis wahrgenommen. Im Gegensatz zur mentalen Kontrastierung kommt es daher bei den drei anderen Arten des Zukunftsdenkens zu keiner Verhaltensänderung. Das Verhalten bleibt unabhängig von den persönlichen Erfolgserwartungen.

Zahlreiche Studien zeigen die beschriebenen Effekte von mentaler Kontrastierung im Vergleich zu Schwelgen, Grübeln und reverser Kontrastierung sowie zu Kontrollgruppen welche keine spezifischen Instruktionen erhielten über ihre erwünschte Zukunft nachzudenken (no-treatment Kontrollbedingung). Beispielsweise notierten Studierende ihr wichtigstes zwischenmenschliches Anliegen und schätzten ihre Erwartungen ein, das Anliegen lösen zu können. Anschließend wurden sie einer von drei Versuchsbedingungen zufällig zugeordnet: Mentaler Kontrastierung, Schwelgen oder Grübeln. Im Anschluss an die Studie sowie zwei Wochen später wiesen diejenigen Studierenden, die mental kontrastiert hatten, bei hohen Erwartungen eine erhöhte Energetisierung auf und initiierten die erforderlichen Handlungen unverzüglich; bei geringen Erwartungen nahm die Energetisierung ab, und die Handlung wurde später initiiert. In den beiden anderen Bedingungen Schwelgen und Grübeln zeigte sich dagegen weder bei hohen noch geringen Erwartungen eine Änderung in der Energetisierung oder der Handlungsinitiierung[12]. Schwelgen und Grübeln führte also dazu, dass Personen sich zu wenig anstrengten, wenn die Erfolgsaussichten verhältnismäßig groß waren, und zu sehr anstrengten, obwohl die Erfolgsaussichten gering waren. Dieses Ergebnismuster wurde in einer Vielzahl von Studien in den unterschiedlichsten Lebensbereichen bestätigt (z.B. im zwischenmenschlichen, akademischen und gesundheitlichen Bereich), sowohl in Bezug auf kurzfristige als auch langfristige Anliegen (z.B. das Halten einer Rede, das Vereinbaren von Kindern und Beruf), für Menschen unterschiedlichen Alters und verschiedener Kulturen (z.B. Deutschland und USA) und mittels unterschiedlichen Maßen von Zielstreben (z.B. kognitiv, emotional und verhaltensorientiert; für eine Übersicht siehe Oettingen, 2012[13]).

Mentale Kontrastierung mit Wenn-Dann-Plänen[Bearbeiten]

Die mentale Kontrastierung verstärkt die Verknüpfung zwischen Realität und instrumentellem Verhalten sowie die resultierende Verhaltensänderung. Dennoch könnten Personen zusätzliche Unterstützung benötigen, um ihre erwünschte Zukunft zu erreichen. Daher kombinierten die Psychologiepfrofessoren Gabriele Oettingen und Peter M. Gollwitzer die mentale Kontrastierung mit Wenn-Dann-Plänen (englisch: Mental Contrasting with Implementation Intentions; MCII), um die Effekte der mentalen Kontrastierung auf das Verhalten zu verstärken. Vielfältige empirische Forschung demonstriert die enorme Wirksamkeit dieser kombinierten Strategie [14][15].

WOOP[Bearbeiten]

WOOP bezeichnet die vier Schritte von der Strategie, die mentale Kontrastierung mit Wenn-Dann-Plänen kombiniert: Wish (Wunsch), Outcome (das Schönste), Obstacle (Hindernis), Plan (Wenn-Dann-Plan)[16].

Anwendungsbereiche[Bearbeiten]

Eine Vielzahl von Studien zeigen, dass Personen mentale Kontrastierung leicht erlernen und selbstständig anwenden können. Dabei kann die mentale Kontrastierung für inhaltlich unterschiedliche Anliegen aus ganz verschiedenen Lebensbereichen (z.B. akademisch, zwischenmenschlich, gesundheitlich) genutzt werden. Zudem kann die Strategie über die gesamte Lebensspanne hinweg und unabhängig von sozioökonomischem Status oder kulturellem Hintergrund angewendet werden. Indem sie verdeutlicht, welche Ziele man erreichen möchte und von welchen man sich besser lösen sollte, hilft die mentale Kontrastierung sowohl bei kurzfristigen als auch bei langfristigen Anliegen und Wünschen. So verhalf die mentale Kontrastierung beispielsweise Berufstätigen aus dem Gesundheitssystem zu einer erfolgreichen Organisation ihres Alltags[17], benachteiligten Grund- und Mittelschülern zu besseren Schulleistungen [18], an Diabetes II leidenden Patienten zu besserer Fürsorge[19] und übergewichtigen Fischern mittleren Alters und eines geringen sozioökonomischen Status zu mehr körperlicher Aktivität[20]. In einem dyadischen Verhandlungsspiel, gelang es mental kontrastierenden Versuchspersonen, mehr integrative Lösungen zu finden und sich fairer zu verhalten als schwelgende, grübelnde und Kontroll-Versuchspersonen[21]. Bemerkenswert ist zudem, dass die Anwendung mentaler Kontrastierung in einem Lebensbereich auch zu einer Verhaltensänderung in anderen Bereichen führt. So nahmen Studierende, die in Bezug auf kalorienärmere Ernährung mental kontrastierten, nicht nur weniger Kalorien zu sich, sondern erhöhten außerdem auch ihre körperliche Aktivität[22].

Neben der empirischen Überprüfung der theoretisch entwickelten Theorie findet das Mentale Kontrastieren in Kombination mit den Wenn-Dann-Plänen (WOOP) immer stärker seinen Weg in die praktische Anwendung[23][24] und wird in der allgemeinen Presse diskutiert[25][26][27]. Im September 2013 wurde die mobile App WOOP to and through college[28] veröffentlicht[29][30]. Die App führt Schüler und Schülerinnen in die Strategie ein und hilft Ziele effektiv zu setzen und zu verfolgen[31].

Literatur[Bearbeiten]

  • Oettingen, G. (2014). Rethinking positive thinking: Inside the new science of motivation. New York: Penguin Random House.
  • Gabriele Oettingen: Future thought and behaviour change. In: European Review of Social Psychology. Band 23, Nr. 1, März 2012, ISSN 1046-3283, S. 1–63, doi:10.1080/10463283.2011.643698 ([1]).
  • Gabriele Oettingen, Doris Mayer: The motivating function of thinking about the future: Expectations versus fantasies. In: Journal of Personality and Social Psychology. Band 83, Nr. 5, 2002, ISSN 0022-3514, S. 1198–1212, doi:10.1037/0022-3514.83.5.1198 ([2]).
  • Gabriele Oettingen, Hyeon-ju Pak, Karoline Schnetter: Self-regulation of goal-setting: Turning free fantasies about the future into binding goals. In: Journal of Personality and Social Psychology. Band 80, Nr. 5, 2001, ISSN 0022-3514, S. 736–753, doi:10.1037/0022-3514.80.5.736 ([3]).

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Oettingen, G. (2012). Future thought and behaviour change. European Review of Social Psychology, 23, 1-63. doi:10.1080/10463283.2011.643698
  2. Oettingen, G. (2012). Future thought and behaviour change. European Review of Social Psychology, 23, 1-63. doi:10.1080/10463283.2011.643698
  3. Kappes, A., Singmann, H., & Oettingen, G. (2012). Mental contrasting instigates goal-pursuit by linking obstacles of reality with instrumental behavior. Journal of Experimental Social Psychology, 48, 811-818. doi:10.1016/j.jesp.2012.02.002
  4. Kappes, A., Wendt, M., Reinelt, T., & Oettingen (2013). Mental contrasting changes the meaning of reality. Journal of Experimental Social Psychology, 49, 797-810. doi:10.1016/j.jesp.2013.03.010
  5. Kappes, A., & Oettingen, G. (2014). The emergence of goal pursuit: Mental contrasting connects future and reality. Journal of Experimental Social Psychology, 54, 25-39. doi:10.1016/j.jesp.2014.03.014
  6. Oettingen, G., Mayer, D., Sevincer, A. T., Stephens, E. J., Pak, H., & Hagenah, M. (2009). Mental contrasting and goal commitment: The mediating role of energization. Personality and Social Psychology Bulletin, 35, 608-622. doi:10.1177/0146167208330856
  7. Sevincer, A. T., Busatta, P. D., & Oettingen, G. (2014). Mental contrasting and transfer of energization. Personality and Social Psychology Bulletin, 40, 139-152. doi:10.1177/0146167213507088
  8. Sevincer, A. T., & Oettingen, G. (2014). Future thought and the self-regulation of energization. In G. H. E. Gendolla, M. Tops, & S. Koole (Eds.), Biobehavioral approaches to self-regulation (pp. 315-329). New York: Springer.
  9. Kappes, A., Oettingen, G., & Pak, H. (2012). Mental contrasting and the self-regulation of responding to negative feedback. Personality and Social Psychology Bulletin, 38, 845-857. doi:10.1177/0146167212446833
  10. Oettingen, G. (2000). Expectancy effects on behavior depend on self-regulatory thought. Social Cognition, 18, 101-129. doi:10.1521/soco.2000.18.2.101
  11. Oettingen, G. (2012). Future thought and behaviour change. European Review of Social Psychology, 23, 1-63. doi:10.1080/10463283.2011.643698
  12. Oettingen, G., Pak, H., & Schnetter, K. (2001). Self-regulation of goal setting: Turning free fantasies about the future into binding goals. Journal of Personality and Social Psychology, 80, 736-753. doi:10.1037/0022-3514.80.5.736
  13. Oettingen, G. (2012). Future thought and behaviour change. European Review of Social Psychology, 23, 1-63. doi:10.1080/10463283.2011.643698
  14. Adriaanse, M. A., De Ridder, D. T. D., & Voorneman, I. M. M. (2013). Improving diabetes self- management by mental contrasting. Psychology & Health, 28, 1-12.
  15. Kirk, D., Oettingen, G., & Gollwitzer, P. M. (2013). Promoting integrative bargaining: Mental contrasting with implementation intentions. International Journal of Conflict Management, 24, 148-165. doi:10.1108/10444061311316771
  16. http://www.woopmylife.org/
  17. Oettingen, G., Mayer, D., & Brinkmann, B. (2010). Mental contrasting of future and reality: Managing the demands of everyday life in health care professionals. Journal of Personnel Psychology, 9, 138-144. doi:10.1027/1866-5888/a000018
  18. Gollwitzer, A., Oettingen, G., Kirby, T., Duckworth, A., & Mayer, D. (2011). Mental contrasting facilitates academic performance in school children. Motivation and Emotion, 35, 403-412. doi:10.1007/s11031-011-9222-0
  19. Adriaanse, M. A., De Ridder, D. T. D., & Voorneman, I. M. M. (2013). Improving diabetes self- management by mental contrasting. Psychology & Health, 28, 1-12.
  20. Sheeran, P., Harris, P., Vaughan, J., Oettingen, G., & Gollwitzer, P. M. (2013). Gone exercising: Mental contrasting promotes physical activity among overweight, middle-aged, low-SES fishermen. Health Psychology, 32, 802-809. doi:10.1037/a0029293
  21. Kirk, D., Oettingen, G., & Gollwitzer, P. M. (2011). Mental contrasting promotes integrative bargaining. International Journal of Conflict Management, 22, 324-341. doi:10.1108/10444061111171341
  22. Johannessen, K. B., Oettingen, G., & Mayer, D. (2012). Mental contrasting of a dieting wish improves self-reported health behaviour. Psychology and Health, 27, 43–58. doi:10.1080/08870446.2011.626038
  23. http://characterlab.org/goal-setting/
  24. http://www.collegeknowledgechallenge.org/press/www.collegeAppMap.org
  25. http://www.nytimes.com/2014/10/26/opinion/sunday/the-problem-with-positive-thinking.html
  26. http://www.thetimes.co.uk/tto/health/mental-health/article4238710.ece
  27. http://www.thetimes.co.uk/tto/health/mental-health/article4238710.ece
  28. http://www.wooptoandthroughcollege.com/
  29. http://www.collegeknowledgechallenge.org/press/
  30. http://www.buffalonews.com/20130415/king_charter_students_test_new_app_for_getting_into_college.html
  31. http://www.wooptoandthroughcollege.com/
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