Linkslibertarismus

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Der Begriff Libertarismus wurde von linken Anhängern von Michail Bakunin erfunden, um ihre eigene, antistaatliche Version des Sozialismus zu beschreiben. In vielen Ländern hat der Begriff noch immer diese Bedeutung. Im deutschsprachigen Raum wird darunter vermehrt, ähnlich wie in den USA seit der Gründung der United States Libertarian Party 1971, eine radikale freimarktwirtschaftliche Ideologie verstanden. Dieser Artikel beschreibt zwei unterschiedliche Bewegungen, die sich aus dem Libertarismus der amerikanischen Nachkriegszeit entwickelten und sich beide als linkslibertär bezeichnen.

Die erste Gruppe hat ihre Ursprünge in den dissidentischen Teilen der United States Libertarian Party und in antikorporatistischen Anhängern von Murray Rothbard und könnte daher als "antikorporatistischer Linkslibertarismus" bezeichnet werden. Dieser ist insofern "links", als dass er die Kritik der US-amerikanischen New Left am Imperialismus, an der Macht des Staats und der Kapitalgesellschaften, und am geistigen Eigentum beinhaltet.

Die zweite Gruppe beinhaltet akademische politische Philosophen wie Peter Vallentyne, Hillel Steiner und Michael Otsuka. Sie ist insofern "links", als dass sie für den gemeinsamen Besitz der natürlichen Ressourcen und für die Kompensation für die Einzäunung dieser Ressourcen eintritt. Weil ihre Ursprünge in der akademischen Philosophie liegen, kann diese Gruppe als "philosophischer Linkslibertarismus" bezeichnet werden.

Antikorporatistischer Linkslibertarismus[Bearbeiten]

Der erste Versuch einer Annäherung zwischen der libertären Bewegung der Nachkriegszeit und der Linken geschah in den 1960ern, als Murray Rothbard, ein Ökonom der Österreichischen Schule der Volkswirtschaft im Lichte des Vietnamkriegs die traditionelle Allianz des Libertarismus mit der Rechten zu hinterfragen begann. Während dieser Zeit trat Rothbard für eine strategische Allianz mit der amerikanischen New Left bei solchen Themen wie der Wehrpflicht oder der Black Power ein.

Rothbard arbeitete mit Radikalen wie Ronald Radosh zusammen und behauptete, dass das verbreitete Bild der Wirtschaftsgeschichte komplett falsch sei, welches besagt, dass die Regierung sich in der Vergangenheit als ausgleichende Kraft in die Wirtschaft einschaltete. Er sagte, dass es vielmehr so sei, dass die staatlichen Interventionen in die Wirtschaft zum massiven Vorteil der etablierten Parteien zu Ungunsten von marginalisierten Gruppen und sowohl zum Nachteil der Freiheit als auch der Gleichheit gewesen sei. Außerdem sei die "Robber-Baron-Periode", die als Verkörperung des Laissez-faire von der Rechten gelobt und von der Linken verachtet wird, überhaupt nicht laissez-faire sondern eine Zeit von Gewährung massiven Kapitalprivilegs durch den Staat.

Obwohl Rothbard schließlich wieder zu der US-amerikanischen Old Right zurückdriftete, wurde sein ursprünglicher linker Impuls von Karl Hess aufrecht erhalten und von Aktivisten wie Samuel Edward Konkin III (dem Gründer der Movement of the Libertarian Left) und Roderick Long aufgenommen. Diese Linkslibertären sagen, dass der momentan existierende Kapitalismus nicht einmal vage dem freien Markt gleiche und dass die momentan existierenden Kapitalgesellschaften die Nutzniesser und stärksten Anhänger des Etatismus seien. Aufgrund dieser Schlussfolgerung sollte der Libertarismus gemeinsame Sache mit der antikorporatistischen Linken machen.

Die Annäherung mit der Linken hat viele Linkslibertäre dazu gebracht, einige traditionell libertäre Ansichten zu verwerfen, wie etwa die Feindschaft gegenüber Gewerkschaften und die Unterstützung von geistigem Eigentum, oder sogar die gültige Eigentumsrechte auf Grund und Boden auf Nutzung und Bewohnen einzuschränken.

Linkslibertäre und Kulturpolitik[Bearbeiten]

Gegenwärtige Linkslibertäre haben auch deutlich größere Sympathien als Libertäre des Mainstreams oder Paläolibertäre für Bewegungen, die nichtstaatliche Machtrelationen hinterfragen. Die Linkslibertären Roderick Long und Charles Johnson haben beispielsweise dazu aufgerufen, die Allianz des 19. Jahrhunderts zwischen dem radikalen Liberalismus und dem Feminismus wiederherzustellen. Linkslibertäre haben eine Tendenz erkennbar linke Positionen bei solch unterschiedlichen Themen wie Feminismus, Gender und Sexualität, Rasse, Klasse, Immigration, Umweltschutz und Außenpolitik zu vertreten.

Heutige Autoren, die diesen Aspekt des Linkslibertarismus grundlegend beeinflusst oder untersucht haben, sind beispielsweise Chris Sciabarra, Roderick Long, Charles Johnson, Kevin Carson und Arthur Silber.

Philosophischer Linkslibertarismus[Bearbeiten]

Eine Zahl von britischen und amerikanischen politischen Philosophen haben eine etwas unterschiedliche Position entwickelt, die auch "Linkslibertarismus" genannt wird, die behauptet, dass einige Wohlfahrtsprogramme innerhalb des Kontext eines libertären Rechtssystems gerechtfertigt und nötig seien. Peter Vallentyne und Hillel Steiner haben ein Elementarbuch mit dem Titel The Origins of Left-Libertarianism : An Anthology of Historical Writings herausgegeben. Steiner selber schrieb An Essay on Rights, eine bahnbrechende Betrachtung des Rechts und der Gerechtigkeit aus einer linkslibertären Perspektive. Philippe Van Parijs hat ausführlich über den "echten Libertarismus" geschrieben, wie er einen Ansatz nenn, der dem Steiners und Otsukas ähnlich ist, und normalerweise in die Rubrik des Linkslibertarismus eingeteilt wird. Und kürzlich hat Michael Otsuka Libertarianism Without Inequality veröffentlicht, wo er für die Einbindung egalitärer Ideen in einen libertären Rechtsentwurf eintritt.

Obwohl sie selber keine Linkslibertäre sind, haben G. A. Cohen, John Roemer und Jon Elster auch ausführlich über die Idee des Selbsteigentums und der Gleichheit geschrieben, was als Basis für diese Art des Linkslibertarismus dient. Diese selbst ernannten Wurzeln des Linkslibertarismus in der Schule des analytischen Marxismus hat einige eher traditionelle Linke und Libertäre dazu gebracht, ihn zu hinterfragen.

Siehe auch[Bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten]

  • Peter Vallentyne, Hillel Steiner: The origins of left-libertarianism: an anthology of historical writings New York 2000. ISBN 0312235917
  • Peter Vallentyne, Hillel Steiner (Hrg.): Left-libertarianism and its critics : the contemporary debate Basingstoke 2000, 398 S. ISBN 0333794664
  • David Goodway: Anarchist seeds beneath the snow: left-libertarian thought and British writers from William Morris to Colin Ward. Liverpool University Press, 2006. ISBN 1846310253
  • Victor Koman: Death to the party! Movement of the Libertarian Left. Ultra Faction. Long Beach, CA 199? OCLC 49529444
  • Mathias Risse: Can there be "libertarianism without inequality"? : some worries about the coherence of left-libertarianism John F. Kennedy School of Government, Harvard University, 2003.
  • Barbara H Fried: Left-Libertarianism: A Review Essay in: Philosophy & Public Affairs, 32, no. 1 (2004): S. 66-92 (Blackwell Publishing)
  • Jean Pierre van Rossem: Libertijnse breekpunten : wat willen de Libertijnen? Schoten: De Prom, 1992. ISBN 9068013548

Weiterführende Links[Bearbeiten]

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