Liebensteiner Romantik

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Datei:Ansicht von Bad Liebenstein 1834.jpg
Carl Wagner (1796-1867), Ansicht von Bad Liebenstein, Öl auf Leinwand, 70 x 56 cm, 1834

Als Liebensteiner Romantik wird die Epoche zwischen 1800 und 1914 im Kurort Bad Liebenstein im Thüringer Wald bezeichnet. Der Begriff wurde erstmals am 12. November 2012 auf einer kulturhistorischen Podiumsdiskussion im Palais Weimar in Bad Liebenstein gebraucht.

Seit 1800 prägte das Herzoghaus von Sachsen-Meiningen die Entwicklung des Kurortes Bad Liebenstein. Durch die nahegelegene Sommerresidenz Schloss Altenstein und die damit einhergehende hohe Frequenz von adligen Badegästen und Künstlern aus ganz Europa entwickelte sich dieser Ort im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem mondänen Modebad. Die Herzogsfamilie von Sachsen-Meiningen investierte in die Kurinfrastruktur sowie in Villen, Theater, Parkanlagen, Palais, Gästehäuser und kulturelle Veranstaltungen, die wiederum weiteres Publikum anlockten.

Das erhaltene historische Kurviertel mit Brunnentempel, Theater, Palais Weimar, Wandelhalle, Langem Bau, dem Kurhotel Kaiserhof, dem ehemaligen Hotel Herzogin Charlotte, dem Haus Sophie und der Villa Feodora wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts angelegt und bebaut und ist bis heute stadtbildprägend.

Begriff[Bearbeiten]

Der Begriff der Liebensteiner Romantik ist kulturhistorisch noch nicht etabliert, wird aber zunehmend in Bad Liebenstein selbst zur Bezeichnung einer den Ort prägenden städtebaulichen und kulturhistorischen Epoche - im Sinne eines erweiterten Romantik-Begriffs - verwendet. In Beschreibungen des Bades Liebenstein insbesondere aus dem 19. Jahrhundert werden das Bad, seine geografische Lage am Südhang des Thüringer Waldes und seine Sehenswürigkeiten mit romantisierenden Begrifflichkeiten beschrieben:

"Noch romantischer ist die angränzende Gegend des Altensteines. Der Herzog von Meiningen hielt sich im vor[igen] J[ahr] zum erstenmal auf seinem dortigen Lustschlosse auf, weil seine Gemahlin den Liebensteiner Brunnen brauchte. Hier lernte er selbst erst ganz die Schönheiten und Reize dieser Gegend kennen, spähte jede interessante Partie des Altensteins aus, entwarf den Plan zur Verschönerung dieses natürlichen Parks und führte ihn mit seinem Unternehmungsgeist, seiner Liebe fürs Schöne und seinem Kunstgeschmack so schnell aus, daß man zum Theil in Anlagen, die schon eine Reihe von Jahren alt wären, zu kommen glaubt."[1]

"Von welcher Straße her du auch gekommen seyn magst [...], von jeder Seite her stehst du froh betrachtend still, um das unter Fruchtbäumen halbversteckte, am Fuße eines waldigen Hügels ruhende Dorf zum ersten Mal zu grüßen."[2]

"Wer von unsern Lesern in Liebenstein gewesen ist, der kennt gewiß die unter den riesigen Dolomitfelsen des Altensteins sich hinziehende große Glücksbrunner-Höhle mit ihren labyrinthischen Gängen, eine der sehenswerthesten Merkwürdigkeiten, – nicht blos dieser Gegend, sondern Deutschlands – und erinnert sich auch des wahrhaft zauberhaften Eindrucks, den diese Höhle besonders dann macht, wenn sie an Sonntagen von tausend leuchtenden Flämmchen funkelt und strahlt und durch diese Erleuchtung zu einem Feentempel mit hohen, schimmernden Zaubergewölben verklärt ist, wenn dann die unterirdischen Wasser rauschen, wenn leise Töne durch die weiten gewundenen Gänge ziehen, und sanftes Echo antwortet und die Klänge sich gleichsam suchen wie sehnende Menschenherzen, bis sie sich in treuinniger Liebe gefunden haben.“[3]

Zudem haben Persönlichkeiten aus Literatur, Pädagogik, Politik, bildender Kunst und Musik den Ort besucht, hier mehrere Jahre gelebt und/oder die Region künstlerisch beschrieben oder festgehalten.

Wichtige Persönlichkeiten[Bearbeiten]

Im Laufe des 19. Jahrhunderts besuchten zahlreiche Künstler und Persönlichkeiten der Zeitgeschichte den Ort und hinterließen hier ihre Spuren. Zu diesen Personen zählen, neben den Vertretern europäischer Fürstenhäuser, Charlotte von Stein, Christian August Vulpius, Johann Matthäus Bechstein, Caroline von Wolzogen, Amalie von Imhoff, Jean Paul, Friedrich Mosengeil, August von Kotzebue, Adele Schopenhauer, Carl Wagner, die englische Königin Adelheid (eine Tochter von Georg I. von Sachsen-Meiningen), Friedrich Fröbel, Ludwig Bechstein, Franz Liszt, Richard Wagner, Anton Rubinstein, Henrik Ibsen, Josef Kainz, Johannes Brahms, Richard Strauss und Max Reger.

In die Kulturgeschichte der Stadt sind insbesondere das Wirken Carl Wagners, Ludwig Bechsteins, Friedrich Fröbels - der von 1849 bis zu seinem Tod 1852 in Schweina lebte und dort die erste deutsche Ausbildungsstätte für Kindergärtnerinnen begründete[4] - und Johannes Brahms' eingegangen. Auch die Mitglieder der Herzogsfamilie haben dem Ort künstlerisches Profil verschafft. Unter Herzog Georg I. von Sachsen-Meiningen wurden das Comödienhaus gebaut, der Altensteiner Park angelegt und die Altensteiner Höhle erschlossen. Seine Witwe Luise Eleonore setzte den Theaterbetrieb unter schwierigen politischen Bedingungen fort und sorgte für ein reges Musikleben. Herzog Bernhard II. von Sachsen-Meiningen ließ zahlreiche Kurgebäude errichten und seinen Hofmaler Carl Wagner mehrere Ansichten von Altenstein und Bad Liebenstein in Öl malen. Unter Herzog Georg II. gastierte das Meininger Hoftheater im Comödienhaus mit Proben zu den im September/Oktober beginnenden Europatourneen;[5] Mitglieder der renommierten Hofkapelle spielten regelmäßig in Bad Liebenstein. Die herzoglichen Sommeraufenthalte auf Schloss Altenstein und in Bad Liebenstein lockten zudem zahlreiche internationale Künstler/innen zu Kurzaufenthalten an, wie etwa Henrik Ibsen und Johannes Brahms. Letzterer führte im November 1894 seine beiden Klarinettensonaten op. 120 - noch vor ihrer öffentlichen Uraufführung - auf Schloss Altenstein im privaten Rahmen bei Herzog Georg II. auf.[6]

Literatur[Bearbeiten]

Das Bad Liebenstein und Schloss Altenstein mit seiner Parkanlage haben Einzug in einige literarische Werke und Beschreibungen gefunden. Zum großen Teil entstammen diese aus den Federn regionaler Autoren. Der Gothaer Hofarzt Friedrich Sickler veröffentlichte 1801 eine im Versmaß verfasste Beschreibung des Bades: Der Gesundbrunnen zu Liebenstein. Eine Schilderung (Gotha: Ettinger, 1801). Bereits ein Jahr später erschien eine Liedersammlung Lieder zur Erhöhung gesellschaftlicher Freuden vorzüglich im Bade zu Liebenstein (Meiningen: Hartmann, 1802), gesammelt und herausgegeben von Johann Matthäus Bechstein aus Meiningen. Sicklers Beschreibung folgte im Jahr 1804 eine ähnlich im Versmaß angelegte Schrift des Meininger Dramatikers und Schriftstellers Johann Caspar Ihling, Der Gesundbrunnen zu Liebenstein. Ein Gedicht (Meiningen: Hartmann, 1804). Friedrich Mosengeils beide Reiseführer über Liebenstein aus den Jahren 1815 und 1827 fanden weite Verbreitung: Das Bad Liebenstein und seine Umgebungen (Gotha: Ettinger, 1815) und Liebenstein und die neuen Arkadier (Frankfurt am Main: Wilmans, 1826). Und auch der Märchen- und Sagensammler und Schriftsteller Ludwig Bechstein hat sich mit dem Bad Liebenstein auseinandergesetzt und literarisch verewigt, zum Einen in Die Sagen des Kiffhäusers und der Güldenen Aue, des Werragrundes und von Liebenstein und Altenstein (Meiningen und Hildburghausen: Kesselring, 1838), zum Anderen in einem Reiseführer: Liebenstein und Altenstein. Ein Fremdenführer, der auch unter dem Titel Das Mineralbad Liebenstein, seine Kaltwasser-Heilanstalt und seine Umgebungen (Gotha: Verlags-Comptoir, 1842) erschienen ist.

Als bedeutendes literarisches Zeugnis gilt aber Jean Pauls Erzählung Dr. Katzenbergers Badereise aus den Jahren 1807/08, in dem das Bad Liebenstein als reelle Vorlage des fiktiven Badeortes Maulbronn literarisch verewigt wurde und zudem eine "mit Lampen erhellte Zauberhöhle des Orts - ähnlich der Höhle im Bade Liebenstein"[7] beschrieben wird.

Datei:Bad Liebenstein, Kurplatz Mitte 19. Jh.jpg
Brunnenplatz in Bad Liebenstein, kolorierte Litographie von C. W. Arldt, gedruckt in Dresden bei F. Franke, ca. 1850

Bildende Kunst[Bearbeiten]

Auch im Bereich der bildenden Kunst, insbesondere auf dem Gebiet der Lithographie und des Kupferstichs, ist die Liebensteiner Romantik für den Ort kulturhistorisch prägend. Die Anzahl der zwischen 1800 und 1900 entstandenen Stiche mit unterschiedlichen Motiven von Bad Liebenstein (oder Teilansichten), der Burgruine Liebenstein, Schloss Altenstein oder der Altensteiner Höhle beträgt über 50. Allein in den Beständen von Schloss Elisabethenburg in Meiningen befinden sich mehr als 30 kolorierte und Schwarz-Weiß-Ansichten der Region vornehmlich aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Der Meininger Hofmaler und romantische Landschaftsmaler Carl Wagner (1796-1867) hat sich vermutlich zwischen 1825 und 1860 Bad Liebenstein und dem Schloss und Schlosspark Altenstein malerisch gewidmet. Bislang sind fünf erhaltene Ölgemälde bekannt:

  1. Ansicht von Bad Liebenstein (bezeichnet als "Sommerlandschaft"[8]), Öl auf Leinwand, 70 x 56 cm, 1834, in Privatbesitz
  2. Landschaft bei Bad Liebenstein (früher fälschlicherweise bezeichnet als "Landschaft auf der Rhön"[9]), Öl auf Leinwand, 54 x 66 cm, zw. 1825 und 1860, Schloss Elisabethenburg Meiningen[10] (ehemalige Provenienz des Museums Georg Schäfer Schweinfurt)
  3. Ansicht von Schloss Altenstein (fälschlicherweise bezeichnet als "Rhönlandschaft"[9]), Öl auf Leinwand, 54 x 66,5 cm, zw. 1825 und 1860, Museum Georg Schäfer Schweinfurt
  4. Teufelsbrücke im Altensteiner Park (bezeichnet als "Blick von Teufelsbrücke auf Liebenstein"[9]), Öl auf Leinwand, 61,5 x 51,5 cm, zw. 1825 und 1860, Schloss Elisabethenburg Meiningen
  5. Blaufarbenwerk Glücksbrunn bei Schweina, Öl auf Leinwand, zw. 1835 und 1845, Museumslandschaft Hessen-Kassel[11]

Weitere Ölgemälde mit Bezug zu Bad Liebenstein oder Schloss Altenstein existieren insbesondere als Porträtgemälde der herzoglichen Familie von Sachsen-Meiningen, so ein Ganzkörperporträt von Herzog Georg I. von Sachsen-Meiningen auf Schloss Altenstein[12] (ca. 1800, Schloss Elisabethenburg Meiningen), ein Porträt von Herzog Bernhard II. von Sachsen-Meiningen mit der Burgruine Liebenstein im Hintergrund[13] (Samuel Diez zugeschrieben, ca. 1830-1840, Schloss Elisabethenburg Meiningen) sowie ein Familienporträt auf Schloss Altenstein mit dem jungen Erbprinz Georg[14] (von Samuel Diez, ca. 1835-40, Schloss Elisabethenburg Meiningen). Zudem hat der aus Barchfeld stammende Maler Johann Georg Sömmer (1811-1864) ein Bild mit dem Titel "Mädchen aus Liebenstein" in Öl gemalt, das sich heute in der Provenienz der Museumslandschaft Hessen-Kassel befindet.[15]

Datei:Schloss Altenstein, ca. 1860.jpg
Schloss Altenstein, kolorierter Stahlstich von Friedrich von Foltz, nach Rohbock, ca. 1860

Architektur und Landschaftsgestaltung[Bearbeiten]

Auf dem Gebiet der Architektur und Gartenkunst sind insbesondere die zahlreichen Kurgebäude wie das Comödienhaus, das Palais Weimar, die herzoglichen Villen, die Hotels der Stadt, der romantische Erdfall im historischen Kurpark sowie das Schloss und der Schlosspark Altenstein zu nennen. Letzterer wurde 1799 unter Herzog Georg I. von Sachsen-Meiningen als englischer Landschaftspark angelegt und 1846 auf Planungen von Hermann von Pückler-Muskau und dessen Schüler Eduard Petzold umgestaltet und erweitert.

Dem Historismus der Zeit folgend ließ Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen Schloss Altenstein zwischen 1888 und 1890 durch seinen Hofbaumeister Albert Neumeister im Stil der englischen Spätrenaissance umbauen.

Porzellangestaltung[Bearbeiten]

Zahlreiche Ansichtsporzellane aus der Biedermeier-Zeit mit Motiven des Ortes haben sich erhalten, darunter ein Set mit mindestens sechs goldumrandeten Tellern, möglicherweise aus der Gothaer Porzellanmanufaktur. Des Weiteren tauchen regelmäßig bei verschiedenen Auktionshäusern dekorativ bemalte Tassen und Teller, vornehmlich aus der Zeit um 1850 auf, die mit hoher künstlerischer Präzision bemalt wurden. So befinden sich im Auktionshaus Lempertz in Köln zwei Ansichtenteller mit durchbrochenem Rand mit Motiven von Liebenstein und Altenstein aus der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin (KPM) aus der Zeit um 1835.[16][17] Es ist davon auszugehen, dass diese Ansichtsporzellane Auftragswerke waren und als Geschenke in adligen und/oder großbürgerlichen Kreisen gegeben wurden.[18]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Hochspringen N.N.: Gesundbrunnen in Liebenstein. In: Journal des Luxus und der Moden. Band 7, Nr. 10. Bertuch, Weimar 1799, S. 498.
  2. Hochspringen Friedrich Mosengeil: Das Bad Liebenstein und seine Umgebungen. Ettinger'sche Buchhandlung, Gotha 1815, S. 7 f.
  3. Hochspringen August Wilhelm Müller: Die Feier des goldenen Maurer-Jubelfestes Seiner Hoheit des Herzogs Carl Bernhard zu Sachsen-Weimar-Eisenach im Bade Liebenstein. Sondershausen 1859, S. 30 f.
  4. Hochspringen Manfred Berger: Friedrich Berger - Sein Lebensweg und sein erzieherisches Wirken. Abgerufen am 23. Februar 2017.
  5. Hochspringen Vgl. Christian Storch: Georg II. und das Theater in Bad Liebenstein zwischen Kurbetrieb und dramatischem Anspruch. In: Maren Goltz, Werner Greiling, Johannes Mötsch (Hrsg.): Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen (1826-1914): Kultur als Behauptungsstrategie? Böhlau, Köln, Weimar und Wien 2015, ISBN 978-3-412-50151-8, S. 357–380.
  6. Hochspringen Renate und Kurt Hormann: Johannes Brahms auf Schloß Altenstein. Kamprad, Altenburg 2003, ISBN 3-930550-29-6.
  7. Hochspringen Christian Storch: Vom Comödienhaus zum KurTheater. Das Theater in Bad Liebenstein von 1800 bis heute. Böhlau, Köln, Weimar und Wien 2014, S. 45.
  8. Hochspringen Carl Wagner, Sommerlandschaft. Düsseldorfer Auktionshaus, 2013, abgerufen am 23. Januar 2017.
  9. Hochspringen nach: 9,0 9,1 9,2 Oskar Alfred König: Carl Wagner (1796-1867): der romantische Landschaftsmaler und Meininger Hofmaler. Carl-Wagner-Verlag, Crailsheim 1990, ISBN 3-9802532-1-X.
  10. Hochspringen Landschaft bei Bad Liebenstein. Museen in Thüringen, abgerufen am 23. Februar 2017.
  11. Hochspringen Carl Wagner: Blaufarbenwerk Glücksbrunn bei Schweina. , abgerufen am 23. Februar 2017.
  12. Hochspringen N.N.: Herzog Georg I. von Sachsen-Meiningen im Schlosspark Altenstein. , abgerufen am 23. Februar 2017.
  13. Hochspringen Samuel Diez (zugeschrieben): Herzog Bernhard II. von Sachsen-Meiningen. Museen in Thüringen, , abgerufen am 24. Februar 2017.
  14. Hochspringen Samuel Diez: Familie am Kaffeetisch. Museen in Thüringen, , abgerufen am 23. Februar 2017.
  15. Hochspringen Johann Georg Sömmer: Mädchen aus Liebenstein. , abgerufen am 23. Februar 2017.
  16. Hochspringen Ansichtenteller Liebenstein. Abgerufen am 23. Februar 2017.
  17. Hochspringen Ansichtenteller Altenstein. Abgerufen am 23. Februar 2017.
  18. Hochspringen Ute Däberitz (Stiftung Schloss Friedenstein Gotha): E-Mail an Dr. Christian Storch. 3. November 2016.
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