Leichenschmaus – Ethische Gründe für eine vegetarische Ernährung
Leichenschmaus – Ethische Gründe für eine vegetarische Ernährung ist das fünfte und bekannteste Sachbuch des österreichischen Tierrechte-Autors Helmut F. Kaplan. Es erschien 1993 im Rowohlt Verlag (dritte Auflage 2002) und wurde auch ins Französische und Japanische übersetzt. 2011 erschien eine Neuauflage.
Inhaltsverzeichnis
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Stil[Bearbeiten]
Während Kaplans vorherige Bücher einen wissenschaftlichen Stil aufweisen, ist dieses Buch allgemeinverständlich.
Teil eins des Buchs trägt den Namen Philosophische Aspekte der Mensch-Tier-Beziehung, im Teil zwei Einwände gegen den Vegetarismus und ihre Beantwortung wird versucht, Gegenargumente in Bezug auf den Vegetarismus zu widerlegen. Es werden Philosophen und Wissenschaftler zitiert, insbesondere Peter Singer, vor allem aus dessen Buch Animal Liberation (deutsch: Befreiung der Tiere)
Teilweise wird Kaplan sarkastisch, wenn er seinen Unmut über ein Flugblatt des Pelz-Informationszentrums in Wien ausdrückt, in dem argumentiert wird:
„Jetzt dämmert's wohl auch dem stumpfsinnigsten Tierschützer, daß man diesen Wesen das Fell über die Ohren ziehen muß! […] Was werden uns die Mörder im Dienste von Lust und Luxus als nächstes ans Herz legen? Vielleicht: «Wenn du Lust hast, jemanden umzubringen, entscheide doch selbst. Bewahren wir uns diese Freiheit»“
Im Kapitel Einwände gegen den Vegetarismus und ihre Beantwortung hält er dem Argument «Man könnte die Tiere auch leidensfrei aufziehen und töten» entgegen: „Wer sein konkretes Fleischessen mit einer prinzipiellen Möglichkeit, Tiere leidensfrei aufzuziehen und zu töten, rechtfertigt, der handelt wie der, der kleine Kinder als Heizmaterial verwendet und sich dabei damit rechtfertigt, daß er auch Holz nehmen könnte.“[3][2]
Einleitung[Bearbeiten]
Einzelne Kapitel überschneiden sich inhaltlich. Einige sind in sich abgeschlossene Texte, was unter anderem daran deutlich wird, dass jedes Kapitel ein eigenes Quellenverzeichnis hat. Im Vorwort begründet Kaplan dies folgendermaßen:
„Bei einem Teil der Beiträge dieses Buches kommt es zu inhaltlichen Überschneidungen. Diese wurden absichtlich nicht beseitigt, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens stellen die einzelnen Texte jeweils einheitliche Gebilde dar, die zumeist in kurzer Zeit, quasi «in einem Zug» geschrieben wurden. Daraus resultiert eine stilistische Homogenität der einzelnen Beiträge, die durch nachträgliche inhaltliche Eingriffe zerstört würde. Zweitens stellen alle Texte, so wie sie jetzt abgedruckt werden, jeweils ein inhaltlich abgeschlossenen Ganzes dar, so daß sie ohne weiteres auch unabhängig voneinander und in beliebiger Reihenfolge gelesen werden können. Schließlich, drittens, betreffen sämtliche Überschneidungen wichtige Themen und Aspekte, so daß es nur von Vorteil ist, wenn diese aus unterschiedlichen Perspektiven gesehen und auf unterschiedlichen Abstraktionsniveau behandelt werden.“
Nach dem Vorwort folgt die Einführung Es gibt kein Zurück mehr… In ihm schildert Kaplan subjektiv seine Situation als Jugendlicher in Bezug auf Vegetarismus und zwischenzeitliche Fortschritte hinsichtlich dieser Thematik.
„Das Schlimmste zu jener Zeit aber war nicht die Ohnmacht, die Verbrechen gegenüber Tieren zu verhindern, sondern das Gefühl, der einzige zu sein, der diese Verbrechen überhaupt sieht […] Ich kam mir vor wie der sprichwörtliche Rufer in der Wüste, mehr noch: wie der einzige Gesunde in einer Nervenanstalt, in der nicht nur die Patienten, sondern auch die Ärzte geisteskrank sind. Ich wünschte mir nichts so sehr wie eine Situation, ein geistiges Klima, in dem die Menschen zumindest die Probleme in Zusammenhang mit dem Fleischessen erkennen“
Argumentation[Bearbeiten]
Kaplan argumentiert, dass Tiere Eigenschaften wie Schmerz, Leiden, Intelligenz, Sozialleben und moralanaloges Verhalten besäßen, die allesamt gegen die Unterdrückung von Tieren und somit auch für den Vegetarismus sprächen. Der Konsum von Fleisch habe für den Menschen Hunger, Umwelt- und Regenwaldzerstörung sowie gesundheitliche Schäden zur Folge.
Der Speziesismus, dessen ausgeprägteste Praktik das Fleischessen sei, befände sich moralisch auf der gleichen Stufe wie Rassismus und Sexismus. Beim Speziesismus sei die Verletzung des Gleichheitsprinzips sogar noch größer als bei den anderen beiden Praktiken: Während bei Rassismus und Sexismus lediglich ähnliche Interessen verletzt würden, würden hierbei sogar größere Interessen der Tiere verletzt werden. So stehe beispielsweise das Interesse des Tieres, nicht für einen Pelzmantel umgebracht zu werden, in keinem Verhältnis zu dem menschlichen Interesse, ein solches Kleidungsstück zu tragen.
Im Kapitel „Märchen vom humanen Schlachten“ geht Kaplan auf die Frage ein, ob es möglich sei, Nutztiere ohne jegliche Leiden zu züchten und zu schlachten. Er verneint dies mit der Begründung, dass dies finanziell nicht realisierbar sei. In Bezug auf artgerechte Haltung wendet er ein, dass diese für die betroffenen Tiere zwar ein besseres Schicksal bedeute, dies allerdings auch keinen Tod ohne Leid mit sich brächte, da der Unterschied in der Tierhaltung und nicht in der Schlachtung liege. Die Motivation, eine solche Tierzucht zu betreiben, sei keine ethische, sondern eine ökonomische, da für Bio-Fleisch auch ein Markt existiere. Außerdem hätten entsprechende Bauern früher „normale Tierzucht“ betrieben beziehungsweise praktizierten dies nach wie vor parallel dazu.
Wirkungsgeschichte[Bearbeiten]
Im Magazin Focus wurde das Buch ironisch als „Bibel der Radikalvegetarier und Tierbefreier“ bezeichnet. Kaplan lehnt eine solche Charakterisierung aber eher ab, da er Religion und Ethik strikt voneinander getrennt sehen will. „Religiöse Überzeugungen sind private Glaubenshaltungen. Tierrechte aber sind – ebenso wie Menschenrechte – allgemeinverbindliche Moral-, Rechts- und Gerechtigkeitspositionen.“, so Kaplan.[6]
Leichenschmaus – Ethische Gründe für eine vegetarische Ernährung gilt als bekanntestes Buch über Tierrechte im deutschsprachigen Raum. Das Wort Leichenschmaus ging dort in der Folgezeit in den Sprachgebrauch der Tierrechtsszene ein. So benannte beispielsweise der Tierrechtsmusiker Harry Harper sein Anfang 2004 erschienenes Album mit Leichenschmaus. Der Rapper und Tierrechtler Albino hatte bereits 2000 auf seinem ersten Album Vertuscht und verschleiert mit Ohne Rechte ein Stück veröffentlicht, dass sich thematisch mit Tierrechten auseinandersetzt und in dem die Zeile „Kein Leichenschmaus mehr für mich, will kein wandelndes Grab sein“ enthalten ist.[7]
Am 20. März 2005 erschien das Buch unter dem Titel Shitai no bansan (jap. 死体の晩餐) in japanischer Übersetzung. Übersetzerin war die japanische Tierrechtlerin Lydia Tanabe von SASA Japan, von der dabei die Initiative ausging. Grund hierfür war die Tatsache, dass es zum einen bis dahin keine Tierrechtsliteratur in Japan gab und zum anderen die dortige Tierrechtsbewegung im Gegensatz zu der der westlichen Industriestaaten noch in den Anfängen steckte.[8] 2008 erschien die französische Übersetzung bei L´Harmattan (Paris): "Fondements éthiques pour une alimentacion végétarienne."
Angesichts der anhaltenden Nachfrage nach der seit Jahren vergriffenen deutschen Ausgabe und der mittlerweile historischen Bedeutung des Buches entschloss sich der Autor zu einer aktualisierten Neuauflage. In deren Vorwort geht er auch kritisch auf die Entwicklung seit der Erstauflage ein:
„Als dieses Buch geschrieben und 1993 erstmals veröffentlicht wurde, war die Welt für Tierrechtler insofern noch in Ordnung, als zwar wie heute Tierleid, Tierfolter und Tiermord an der Tagesordnung waren, man sich aber sicher war, den richtigen Weg zur Befreiung der Tiere zu kennen. ( ... ) Inzwischen ist diesem Bewußtsein teilweise Ernüchterung und Verunsicherung gewichen: Die Tierrechtsbewegung ist zerstritten und gespalten und viele stellen sich bange die Frage: Wann werden wir unser Ziel endlich erreichen? Oder gar: Werden wir unser Ziel überhaupt je erreichen?“ Aber um diese Ernüchterung und Verunsicherung sollte es, so Kaplan weiter, hier gerade nicht gehen – „sondern um die historische Aufbruchstimmung und um die Wucht der Argumente, die für die Befreiung der Tiere sprechen.“
Quellen[Bearbeiten]
- Hochspringen ↑ S. 148f
- ↑ Hochspringen nach: 2,0 2,1 2,2 Das Buch ist noch nach den alten Rechtschreibregeln verfasst. Um die Zitate nicht zu verfälschen, wurden diese hier übernommen
- Hochspringen ↑ S. 197
- Hochspringen ↑ S. 12f
- Hochspringen ↑ S. 17
- Hochspringen ↑ Mit Plutarch und „Leichenschmaus“ für die Rechte der Tiere
- Hochspringen ↑ youtube.com
- Hochspringen ↑ tierrechte-kaplan.org