Leichenbegängnis

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Ein Leichenbegängnis war bis ins 20. Jahrhundert hinein ein im Gegensatz[1] zum einfachen Begräbnis besonders feierlich[2] gestaltetes Bestattungsritual für hohe und verehrte Persönlichkeiten, dessen Kern ein besonders ausgestalteter, in seinem Aufbau einer strengen Hierarchie[3][4] folgender Trauerzug bildete.

Auch metaphorisch fand der Begriff Verwendung: So bezeichnete Otto von Bismarck seine Entlassung durch Wilhelm II. (1890) als „Leichenbegängnis erster Klasse“.[5] Samuel Butler gebrauchte die Metapher Leichenbegängnis der Natur für das Ende der Welt.[6]

Leichenbegängnisse in der Antike[Bearbeiten]

In der Antike, insbesondere im antiken Rom, galt das Leichenbegängnis als Statusdemonstration, in welchem anschaulich die Binnenorganisation der Aristokratie inszeniert wurde. Ränge und der Status des Toten wurden präzise abgebildet, nicht nur bei der Reihenfolge innerhalb des Trauerzuges, sondern beispielsweise auch in der Anzahl der begleitenden Liktoren, so dass die vorhandene Machtstruktur symbolisch ins Jenseits übergehen konnte.[7] Nach Meinung Ciceros stellte Gaius Iulius Caesars Leichenbegängnis (44 v. Chr.) eine Zäsur der römischen Geschichte dar.[8]

Über große Leichenbegängnisse aus der Antike berichtet unter anderem auch Homer, im 24. Gesang der Ilias beispielsweise über das Leichenbegängnis Hektors.[9] Im antiken Griechenland wurden als Trauer- und Klagelieder bei Leichenbegängnissen Threnoi gesungen, die sich zu einer eigenen Gattung der Poesie entwickelten.

Leichenbegängnisse der Neuzeit[Bearbeiten]

In der Neuzeit wurden zahlreiche abendländische Geistesgrößen mit staatsaktähnlichen Leichenbegängnissen geehrt: unter anderem Martin Luther[10] (1546) und Immanuel Kant (1804). Kants Leichenbegängnis wird als das größte in der Geschichte Königsbergs beschrieben.[11]

Beispiele für Leichenbegängnisse finden sich viele: Auch in Göttingen wurde der mit 42 Jahren gestorbene Rechtsgelehrte Johann Salomon Brunnquell 1735 mit einem großen Leichenbegängnis geehrt. 1821 wurde Napoleon Bonaparte auf St. Helena mit einem Leichenbegängnis zu Grabe getragen.[12] Sechs Jahre später folgte ganz Wien dem Trauerzug Ludwig van Beethovens.[13] Nach dem Industriellen August Borsig (1854) wurden die Monarchen Ludwig II. (1886) und Wilhelm I. (1888) mit großen Leichenbegängnissen geehrt.[14][15][16]

Noch im 20. Jahrhundert fanden vereinzelt Leichenbegängnisse statt. So wurde der verstorbene österreichische Reichstagsabgeordnete Franz Schuhmeier am 16. Februar 1913 mit einem Leichenbegängnis geehrt.[17]

Universitäre Leichenbegängnisse[Bearbeiten]

Leichenbegängnisse heute[Bearbeiten]

Nachdem der Brauch in seiner ursprünglichen Form abgeklungen ist, steht der Begriff heute nur noch für eine feierliche Beisetzung eines Toten.[18]

Nach österreichischem Versammlungsgesetz 1953 sind Leichenbegängnisse explizit gem. § 5 von den Bestimmungen dieses Gesetzes ausgenommen.[19][20]

Literatur[Bearbeiten]

Leichenbegängnisse in der Literatur[Bearbeiten]

Literatur über Leichenbegängnisse[Bearbeiten]

  • Wilhelm Dorow: Opferstätte und Grabhügel der Germanen und Römer am Rhein, Band 2. Wiesbaden 1821, darin insbesondere Kapitel Leichenbegängnisse bei den Römern. S. 73–86 und Kapitel Leichenbegängnisse bei den Teutschen. S. 87–92.
  • Heike Karg: Das Leichenbegängnis des Heinrich Posthumus Reuß 1636 – Ein Höhepunkt des protestantischen Funus. 2010.
  • Mathias Kotowski: Die öffentliche Universität. Veranstaltungskultur der Eberhard-Karls-Universität Tübingen in der Weimarer Republik. Stuttgart 1999, S. 130 ff.
  • Bericht über das akademische Leichenbegängnis von Anton Friedrich Justus Thibaut in Heidelberg am 1. April 1840: Frankfurter Konversationsblatt: Belletristische Beilage. Frankfurt am Main 1840, S. 388.

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Hochspringen Johann Christoph Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Band 2, Wien 1808, Spalte 2001.
  2. Hochspringen Samuel Friedrich Wilhelm Hoffmann: Vollständigstes Wörterbuch der deutschen Sprache. Band 3, Leipzig 1855, S. 683.
  3. Hochspringen Marian Füssel: Hierarchie in Bewegung. Die Freiburger Fronleichnamprozession als Medium sozialer Distinktion in der frühen Neuzeit. In: Patrick Schmidt, Horst Carl (Hrsg.): Stadtgemeinde und Ständegesellschaft. Formen der Integration und Distinktion in der frühneuzeitlichen Stadt. Berlin 2007, S. 32.
  4. Hochspringen Anna Margarete Schlegelmilch: Die Jugendjahre Karls V. Lebenswelt und Erziehung des burgundischen Prinzen. Köln Weimar Wien 2011, S. 360.
  5. Hochspringen Bismarck-Zitat
  6. Hochspringen Samuel Butler: Samuel Butlers Hudibras. Ein satyrisches Gedicht wider die Schwermer und Independenten zur Zeit Carls des Ersten in neun Gesängen. Hamburg und Leipzig 1765, S. 279.
  7. Hochspringen Egon Flaig: Die umkämpfte Zeit. Adlige Konkurrenz und Zeitknappheit in der römischen Republik. In: Zeit und Geschichte. Kulturgeschichtliche Perspektiven. Wien, München 2002, S. 77-84.
  8. Hochspringen K.-J. Hölkeskamp
  9. Hochspringen Vierundzwanzigster Gesang (Projekt Gutenberg)
  10. Hochspringen Adolf von Menzel: Luthers Leichenbegängnis
  11. Hochspringen Karl Vorländer: Kants Aufbahrung, Begräbnis und Trauerfeier (1924)
  12. Hochspringen Napoleon auf St. Helena
  13. Hochspringen Beethoven
  14. Hochspringen August Borsig
  15. Hochspringen Ludwig II.
  16. Hochspringen Kaiser Wilhelm I.
  17. Hochspringen Franz Schuhmeier
  18. Hochspringen http://www.duden.de/rechtschreibung/Leichenbegaengnis
  19. Hochspringen http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1953_98_0/1953_98_0.pdf
  20. Hochspringen http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000249
  21. Hochspringen Das Leichenbegängnis der Löwin
  22. Hochspringen Rückerts Gockel

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