Landschaftsverschandelung

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Landschaftsverschandelung ist ein Politisches Schlagwort, das insbesondere beim Ausbau von Infrastruktur oder Industrieanlagen häufig benutzt wird, um eine tatsächliche oder vermeintliche negative Veränderung des Landschaftsbildes zu betonen. Als Landschaftsbild wird „das vom Menschen wahrnehmbare Erscheinungsbild der Landschaft“ verstanden, das v.a. durch optische Eindrücke wahrgenommen wird.[1]

Begriff[Bearbeiten]

Gelegentlich wird auch von „Landschaftszerstörung“ gesprochen. Das Schlagwort wird dabei zumeist auf stark abwertende Weise gebraucht. Auch wenn sich die Nutzung prinzipiell sich auf alle möglichen Bereiche der Infrastruktur erstrecken kann, wird der Begriff häufig im Verkehrswesen sowie der Energiewirtschaft verwendet. Der Begriff wird auch im Bezug auf andere bauliche Anlagen verwendet wie bspw. bei einem geplanten Schweinestall[2] oder einen hölzernen „Strandburg“[3].

In Bezug auf Windenergie wird häufig von einer Verspargelung[1] und bei Energiemais von einer Vermaisung[4] der Landschaft gesprochen.

Geschichte[Bearbeiten]

Die Thematisierung einer Verschlechterung der Landschaftsästhetik ist dabei keine allzu neue Erscheinung. So wurde bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Verschandelung der Landschaft durch den neu aufkommenden Ausbau der Eisenbahninfrastruktur kritisiert.[5] So warnte z.B. der Freiherr von Gagern davor, den „Rheingau und die Rheingegend überhaupt in ihrer Pracht mit Verachtung des schönen Naturweges des Rheins ..., gleichsam durch eine sich hindurchwindende wilde Klapperschlange verwüsten“ zu lassen.[6]

Annette von Droste-Hülshoff beschreibt die Veränderungen im Landschaftbild 1842 kritisch:

„So war die Physiognomie des Landes bis heute, und so wird es nach vierzig Jahren nimmer sein. - Bevölkerung und Luxus wachsen sichtlich, mit ihnen Bedürfnisse und Industrie. Die kleinen malerischen Heiden werden geteilt; die Kultur des langsam wachsenden Laubwaldes wird vernachlässigt, um sich im Nadelholze einen schnellern Ertrag zu sichern, und bald werden auch hier Fichtenwälder und endlose Getreideseen den Charakter der Landschaft teilweise umgestaltet haben, wie auch ihre Bewohner von den uralten Sitten und Gebräuchen mehr und mehr ablassen; fassen wir deshalb das Vorhandene noch zuletzt in seiner Eigentümlichkeit auf, ehe die schlüpferige Decke, die allmählich Europa überfließt, auch diesen stillen Erdwinkel überleimt hat.“[7]

Die landschaftlichen Veränderungen im 19. Jahrhundert lassen sich auf einzelne Felder eingrenzen:

  • Im Bereich der Landwirtschaft wurden größere Feldeinheiten zur effizienteren Bewirtschaftung gebildet, wobei geradlinige Wege angelegt, Bäche begradigt und verrohrt sowie Waldwiesen entfernt wurden.
  • Um der großen Holznachfrage gerecht zu werden, wurden Fichtenmonokulturen angelegt und Feuchtgebiete trocken gelegt.
  • Mit dem Bevölkerungswachstum und der Industrialisierung kam es zu einem Wachstum der Städte in die umgebende Landschaft.
  • Lokale Baustile verschwanden im Zuge einer Industrialisierung der Bauwirtschaft, sodass neue Siedlungen gleich aussahen.
  • Die Vegetation wurde durch die industrielle Emissionen teilweise geschädigt.
  • Die Mobilisierung des Verkehrs führte zu einer verkehrsgerechten Gestaltung der Landschaft.[7]

Nach Rolf Peter Sieferle wurde im Verlauf des 19. Jahrhunderts zunehmend die Bedrohung der Kulturlandschaft thematisiert. Dies begründet sich in einer zunehmenden „Entzauberung“ der Landschaft, da „die ländliche Heimat beginnt, ihre Eigenart zu verlieren“. Dies führte nach 1900 zur Gründung der Heimatbewegung, welche den Verlust des Landschaftsbild beklagte.[7]

Energiewesen[Bearbeiten]

Durch die Energiewende, die mit einer Dezentralisierung der Energieversorgung einhergeht, sind mittlerweile deutlich mehr Menschen mit den negativen Auswirkungen der Energiebereitstellung konfrontiert. Erfolgte die Stromerzeugung in der Vergangenheit fast ausschließlich über größere Kraftwerke, die häufig in bestimmten Regionen wie dem Ruhrgebiet, dem Rheinischen Braunkohlerevier, dem Lausitzer Braunkohlerevier oder dem Mitteldeutschen Braunkohlerevier konzentriert waren, während weite Teile des Landes ausgespart waren, so erfolgt die Stromerzeugung durch Windenergie, Photovoltaik oder Biomasse mehr oder weniger stark in allen Teilen Deutschlands. Während damit in klassischen Bergbaurevieren die Belastungen durch die Energiegewinnung nachlassen, sehen sich nun mit Etablierung der Erneuerbaren Energien in der Landschaft Teile der Bevölkerung mit den Konsequenzen der Energiegewinnung konfrontiert, die zuvor kaum von den negativen Auswirkungen des Energieverbrauchs betroffen waren.[8] Neben weiteren Aspekten wird hierbei von manchen Menschen vor allen die Sichtbarkeit von erneuerbaren wie fossilen Energiegewinnungsanlagen, aber ebenso von Hochspannungsleitungen, negativ wahrgenommen und oft als Landschaftsverschandelung oder Landschaftszerstörung gebrandmarkt.

Windkraft[Bearbeiten]

Da der Stromertrag mit zunehmender Nabenhöhe aufgrund der besseren Anströmung der Rotorblätter, höheren Windgeschwindigkeiten sowie niedrigen Turbulenzen zunimmt, ist bei Windkraftanlagen gerade im Binnenland ein Trend zu größeren Nabenhöhen zu erkennen. Derzeit werden Nabenhöhen bis etwa 140 Metern erreicht, womit sich bei Rotordurchmessern von 80- 120 Metern Gesamthöhen bis etwa 200 Metern ergeben. Beispielsweise waren im ersten Halbjahr 2011 über 60 % der neu errichteten Windkraftanlagen in Deutschland höher als 140 Meter, während über 50 % der Türme höher als 100 Metern aufwiesen.[9] Ältere Anlagen sind zumeist deutlich niedriger, überragen jedoch ebenfalls weitere potentiell als Vergleich dienende Landschaftsobjekte wie Bäume oder Kirchtürme deutlich.

Damit sind Windkraftanlagen besonders in offenen Landschaften kilometerweit wahrzunehmen und wirken alleine durch ihre Höhe sowie Gestalt automatisch landschaftsprägend.[1] Auch befinden sich windhöffige Standorte häufig in exponierter Lage.[10] Zudem können sie durch die Drehbewegung des Rotors die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Je höher die Umdrehungszahl des Rotors, desto stärker tritt dieser Einfluss auf. Hierbei existieren jedoch große Unterschiede zwischen verschiedenen Windkraftanlagentypen. So drehen sich große Rotoren deutlich langsamer als kleine Rotoren, da die Geschwindigkeit der Rotorblattspitzen beschränkt ist. Während z.B. die Rotordrehzahl der vergleichsweise kleinen Enercon E-33 mit 33 Metern Rotordurchmesser je nach Windgeschwindigkeit zwischen 18 und 45 U/min beträgt, liegt die Rotordrehzahl der Enercon E-126 mit 126 Metern Rotordurchmesser zwischen 5 und 11,7 U/min.[11] Anlagen mit niedrigeren Rotordrehzahlen wirken auf Betrachter ruhiger.[12]

Weitere optische Effekte entstehen durch Schattenwurf sowie die nächtliche Befeuerung der Anlagen, die ab Gesamthöhen von über 100 Metern vorgeschrieben ist.

Weblinks[Bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten]

  • Sören Schöbel-Rutschmann: Windenergie und Landschaftsästhetik: Zur landschaftsgerechten Anordnung von Windfarmen. Jovis, Berlin 2012, ISBN 978-3-86859-150-7 (158 S.).
  • Sabrina Braun, Simone Ziegler: Windlandschaft: Neue Landschaften mit Windenergieanlagen. Berlin 2006, ISBN 978-3-86573-226-2 (233 S.).

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Hochspringen nach: 1,0 1,1 1,2 Windenergieanlagen und Landschaftsbild. Zur Auswirkung von Windrädern auf das Landschaftsbild. (PDF) In: Deutscher Naturschutzring. Archiviert vom Original am 4. März 2016; abgerufen am 8. Mai 2012.
  2. Hochspringen Schweinemast-Bedenken: „Zu kleinräumig“. Abgerufen am 2. November 2017.
  3. Hochspringen Die »Panscho«-Burg – eine Amrumer Attraktion ging verloren! In: amrum-news.de. 26. April 2017, abgerufen am 2. November 2017.
  4. Hochspringen Das Thema Vermaisung im öffentlichen Diskurs. In: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Abgerufen am 26. Februar 2017.
  5. Hochspringen Ralf Roth, Das Jahrhundert der Eisenbahn. Die Herrschaft über Raum und Zeit 1800-1914, Ostfildern 2005, S. 52.
  6. Hochspringen Ludwig Brake, Die ersten Eisenbahnen in Hessen. Eisenbahnpolitik und Eisenbahnbau in Frankfurt, Hessen-Darmstadt, Kurhessen und Nassau bis 1866. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau LI, Wiesbaden 1991, S. 42.
  7. Hochspringen nach: 7,0 7,1 7,2 Rolf Sieferle: Heimatschutz und das Ende der romantischen Utopie. (PDF) In: ARCH+ 81: Vom landschaftsgebundenen zum ökologischen Bauen. 1. August 1985, abgerufen am 2. November 2017.
  8. Hochspringen Zwischenbericht der regionalen Bürgerkonferenz am 13. August 2011 in Hamburg. Bundesministerium für Bildung und Forschung. Abgerufen am 29. April 2012.
  9. Hochspringen Status der Windenergienutzung in Deutschland. Erstes Halbjahr 2011. DEWI. Abgerufen am 8. Mai 2012.
  10. Hochspringen Attraktivität der Erneuerbaren Energie am Beispiel der Windkraft. Diplomarbeit von Katrin Harder an der Fachhochschule Ludwigsburg. Abgerufen am 8. Mai 2012, S. 35.
  11. Hochspringen Enercon Produktübersicht. Internetseite von Enercon. Abgerufen am 8. Mai 2012.
  12. Hochspringen Jörg Böttcher, Handbuch Windenergie. Onshore-Projekte: Realisierung, Finanzierung, Recht und Technik. München 2012, S. 143
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