Jüdische Heimstatt

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Juden an Bord der Exodus

Eine Jüdische Heimstatt, d.h. eine Heimstätte für das in vielen Ländern ansässige jüdische Volk war eine Vision, die im 19. Jahrhundert im Zuge des wachsenden Antisemitismus und Nationalismus aufkam.

Palästina-Befürworter vs. Territorialisten[Bearbeiten]

Unter den möglichen Regionen einer jüdischen Heimstatt war Palästina nur eine unter anderen Optionen gewesen.[1] Die zionistische Subideologie, die ein jüdisches autonomes Gemeinwesen auch außerhalb Palastinas für denkbar hielt, wird als Territorialismus bezeichnet.[2] Die Territorialisten wurden durch die Jewish Territorial Organization vertreten.

Leo Pinsker definierte in seinem Werk Autoemanzipation keinen bestimmten Ort für einen jüdischen Staat, nannte aber Palästina, Syrien, Nordamerika und Argentinien als Möglichkeiten, obwohl die Idee Palästina wenig aussrichtsreich sei. Später änderte er jedoch seine Meinung und befürwortete Palästina trotz der Schwierigkeiten, die er immer noch sah.

Es wurden zwei Lösungen diskutiert. Auf der eine Seite die kulturelle Integration, wie sie z.B. von von Moses Mendelssohn mit der Haskala schon im 18. Jahrhundert propagiert im wurde. Demgegenüber stand der von Theodor Herzl mit begründete moderne politische Zionismus. Eine jüdische Heimstatt sollte nichts anderes gewährleisten als den physischen Schutz für die bedrohte und diskriminierte jüdische Bevölkerung.[1][3] Herzel forderte in seinem Buch Der Judenstaat einen jüdischen Staat und eine Heimat für das jüdische Volk. Bis zu seinem Tod 1904 versuchte er durch diplomatische Initiativen eine völkerrechtlich anerkannte jüdische Heimstatt zu erwirken. Leute wie Martin Buber, ein heftiger Kritiker Herzls, forderten neben dem politischen Zionismus einen geistigen Zionismus. Religiöse Zionisten sahen in einer jüdischen Heimstatt eine Möglichkeit, einer Verwestlichung und Säkularisierung des Judentums vorzubeugen. Theodor Herzl begründete die Forderung nach einer jüdischen Heimstatt politisch.[4] Im Baseler Programm[5] artikulierte der erste Zionistische Kongress eine jüdische Heimstatt als Ziel des Zionismus: „Der Zionismus strebt die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte an für diejenigen Juden, die sich an ihren jetzigen Wohnorten nicht assimilieren können oder wollen.“[6]

Der britische Außenminister James Balfour betrachtete das Projekt der Gründung einer nationalen Heimstatt für das Jüdische Volk in Palästina mit Wohlwollen, wollte aber die bürgerlichen und religiöse Rechte bestehender nicht-jüdischer Gemeinden in Palästina geschützt wissen. Die Balfour-Deklaration von 1917 gilt als Selbstverpflichtung Großbritanniens, in seinem palästinensischen Mandatsgebiet eine jüdische Heimstatt zu errichten. Balfour benutzte die Formulierung „jüdische Heimstatt in Palästina“, von einem jüdischen Staat in Gesamtpalästina sprach Balfour - aus diplomatischer Vorsicht - nicht.

Alternativen zu Palästina[Bearbeiten]

Im Januar 1939 fasste der Jüdische Weltkongress in Genf Beiträge zum Studium jüdischer Siedlungsmöglichkeiten zusammen, die sich mit Weltteilen befassten wie Ceylon, Madagaskar, Alaska und Neukaledonien.

Der Alaska-Plan stammte von Emanuel Lasker und gilt als „Eintagsfliege“.[7][8]

Angola-Plan[Bearbeiten]

Angola wurde bereits vor dem Ersten Weltkrieg als jüdische Heimstatt in Erwägung gezogen worden. Ein Gesetzesentwurf zur Jüdischen Kolonisation im Jahr 1912 wurde vom Portugiesischen Abgeordnetenhaus einstimmig verabschiedet. Wegen des Kriegsausbruches und mangelnder Organisation wurde der Plan zunächst nicht weiterverfolgt. Doch noch 1939/40 fand die Option Angola bei der Regierung der USA Unterstützung.[9]

Britisch-Guayana-Projekt[Bearbeiten]

Das Britisch-Guayana-Projekt sah vor, dass jährlich zehntausende Juden aus Deutschland nach Guayana emigrieren sollten. Charles William Gore empfand es als äußerst irritierend, dass die britische Regierung für Fremde, die nicht einmal in Großbritannien wohnten, eine Kolonie zur Verfügung stellen sollte. Ihm erschien es naheliegender, dass deutsche Politiker zur Regelung dieser Angelegenheit mit Vertretern des Weltjudentums Kontakt aufnähmen. Er wollte nicht einsehen, dass die britische Regierung 50 Prozent der Kosten einer solchen Aktion übernehmen sollte, wo doch die Juden die reichste Nation der Erde wären. Die britischen Steuerzahler müssten für die jüdischen Flüchtlinge insgesamt ca. 15 bis 20 Millionen Pfund aufbringen, und dies würde zu Lasten der Millionen Arbeitslosen in Großbritannien gehen. Da die Lage der Juden in den osteuropäischen Ländern noch viel schlechter wäre als die der deutschen Juden, erwartete Gore, dass auch sie sich in absehbarer Zeit zur Emigration gezwungen fühlen würden. Er befürchtete, dass man dann wieder an den britischen Steuerzahler herantreten würde, um ein ähnliches Projekt zu finanzieren. Die europäischen Juden nach Südafrika zu schicken, erschien Gore genauso unmöglich. Denn dort würde bereits eine große Zahl Juden leben, die großen Einfluss in Politik und Wirtschaft erlangt hätten. Diese würden sich sicherlich gegen den Zustrom mittelloser osteuropäischer Juden zur Wehr setzen.[10]

Der Plan für eine Ansiedlung in Britisch-Guayana führte nach langausgedehnten Verhandlungen dazu, dass schließlich eine erste Gruppe von 50 Personen für eine eine Einwanderung nach Britisch-Guayana vorgesehen war. Die Durchführung wurde jedoch durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verhindert.[11]

Noch im März 1940 wurde diese Option diskutiert. Die Britisch Regierung entschied, dass "the problem is at present too problematical to admit of the adoption of a definite policy and must be left for the decision of some future Government in years to come".[12]

Madagaskar-Plan[Bearbeiten]

Der Madagaskar-Plan war eine vom Deutschen Reich zu Beginn des Zweiten Weltkriegs verfolgte Überlegung, die europäischen Juden auf die Insel Madagaskar zwangsumzusiedeln.

Uganda-Plan[Bearbeiten]

Auf dem Zionistenkongress im Jahr 1905 spaltete sich die Bewegung zwischen den Anhängern einer jüdischen Heimstatt in Palästina und der Aussicht, von den Briten in Uganda Land zugeteilt zu bekommen. Viele Zionisten, darunter Herzl, wollten ein britisches Angebot annehmen, eine jüdische Besiedlung von Gebieten in Uganda voranzutreiben. Letztlich konnten sich auf dem Zionistenkongress 1905 die Befürworter eines Staates in Palästina durchsetzen.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 Siegfried Mattl/Werner Michael Schwarz: Felix Saltens »Neue Menschen auf alter Erde« – Eine Reise durch die Gedächtnislandschaft Palästina, in: Ramona Uritescu-Lombard; Klaus Müller-Richter (Hrsg.): Imaginäre Topografien: Migration und Verortung, transcript, Bielefeld 2007, S. 69-86, S. 72
  2. Marlies Bilz: Hovevei Zion in der Ära Leo Pinsker, LIT-Verlag, Münster 2007, S. 54
  3. Hovevei Zion in der Ära Leo Pinsker von Marlies Bilz
  4. Theologische Realenzyklopädie, Band 14 "Gottesdienst-Heimat", de Gruyter, Berlin/New York 1985, S. 780
  5. Die Geburt der modernen Welt: eine Globalgeschichte 1780-1914 von Christopher A. Bayly
  6. Theodor Herzl: Gesammelte zionistische Werke, Band 1, Jüdischer Verlag 1934, S. 189
  7. Michael Dreyer, Ulrich Sieg: Emanuel Lasker: Schach, Philosophie, Wissenschaft, Berlin/Wien 2001, S. 224
  8. Elke—Vera Kotowski, Susanna Poldauf, Paul Werner Wagner (Hrsg.): Emanuel Lasker. Homo ludens — homo politicus. Beiträge über sein Leben und Werk, Potsdam 2003, S. 37
  9. Theodor Venus/Alexandra-Eileen Wenck, Die Entziehung jüdischen Vermögens im Rahmen der Aktion Gildemeester. Bericht der Österreichischen Historikerkommission, Wien 2002, S. 456f
  10. Hans Jansen: Der Madagaskar-Plan, München 1997, S. 101
  11. Shalom Adler-Rudel: Jüdische Selbsthilfe unter dem Naziregime 1933 - 1939, S. 109
  12. Zionist Movement And The Foundation Of Israel 1839–1972, The - Archive Editions

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