Interdisziplinäre Naturwissenschaften
Interdisziplinäre Naturwissenschaften ist ein Studiengang, welcher am Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften (D-CHAB) der ETH Zürich angeboten wird. Das Studium endet mit dem Erwerb des Diploms "Naturwissenschaftler ETH" bzw. neu "Bachelor/Master of Science ETH in Interdisciplinary Sciences".
Allgemein versteht man unter interdisziplinären Naturwissenschaften auch sich untereinander überlappende klassische Wissenschaftsdisziplinen. Beispiele hierfür sind Biophysik, Physikalische Chemie oder Bioinformatik.
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[Verbergen]Geschichte des Studiengangs[Bearbeiten]
Die Entstehung des Studiengangs geht auf die frühere Abteilung X (Naturwissenschaften) der ETH Zürich zurück, wo traditionell eine entsprechende Fachrichtung fachübergreifend im Zentrum der verschiedenen Fachbereiche existierte, auf der Basis verschiedener Curricula, die alle mit dem gleichen Titel Dipl.Natw. ETH abschlossen (Bioverfahrenstechnik, Physik-Mathematik, Chemie-Biochemie). Bereits Prof. A. Eschenmoser, von 1961 bis 1993 renommierter Professor für Organische Chemie an der ETH, erhielt 1949 sein Diplom als Naturwissenschafter ETH; noch kurz nach seiner Emeritierung 1993, schloss eine Dipl.Natw. ETH ihre Promotionsarbeit bei Prof. Eschenmoser ab. Charakteristisch für das ETH Konzept war und ist, dass die Absolventen fachübergreifend die Fachveranstaltungen verschiedener Departement absolvieren, mit den gleichen Prüfungsstandards wie Hauptfachstudenten.
Nach Auflösung der alten Abteilung X 1991 und deren Aufspaltung in diverse neue Unterabteilungen (u.a. Geologie, Biologie) bestand zunächst über mehrere Jahre hinweg Unsicherheit über die Zukunft der "Fachrichtung N"; wurde Sie zunächst an der Abteilung für Biologie angesiedelt - was zu einem gewissen Laissez-faire von Seiten der Abteilungsleitung D-Biol betreffend die Ableistung von Prüfungen und Praktika in den Nachbardisziplinen Chemie und Physik, aufgrund der dort herrschenden hohen fachlichen Anforderungen, führte - fand Sie nach dem Jahr 2002 ihre endgültige Heimat am ETH Departement für Chemie (heute einschließlich Angewandte Biowissenschaften - D-CHAB) fand. Seither sind die Zahlen der Studierenden wieder gewachsen und der Studiengang befindet sich in stetigem Aufwind.
Leidtragenden der Entwicklung von 1991 bis 2002 sind die Absolventen dieser Zeit, da bereits die 1991 noch im Studium befindlichen Studenten ungefragt ein Diplom nicht mehr von der Abtlg. (XA) für Naturwissenschaften und noch nicht ein Diplom von der Abtlg. für Chemie, sondern par ordre de Mufti von der Abteilung für Biologie ausgestellt bekamen. Selbst in der Schweiz wurden viele dieser Absolventen einfach als eine Art moderner Biologe angesehen, denen der Zugang zu Stellen mit eher chemischen oder physikalischem Hintergrund verwehrt war, entgegen ihrer Ausbildung. Nicht wenige haben daraufhin ein Zweitstudium absolviert. Es ist erfreulich, dass das Departement für Chemie hier Ende der 1990er Jahre dringenden Handlungsbedarf sah und der "Fachrichtung N" eine neue Heimat gab.
Aufbau des Studiums[Bearbeiten]
Der Studiengang "Interdisziplinäre Naturwissenschaften" bietet eine an der ETH Zürich und auch im Vergleich mit anderen Universitäten weltweit einzigartige Möglichkeit zum fachübergreifenden Studium in allen Grundlagenbereichen der Naturwissenschaften. Das Studium erfordert ein hohes Maß an Selbstständigkeit und Einsatzbereitschaft. Es bietet dafür einen idealen Einstieg in viele Bereiche naturwissenschaftlicher Forschung und Lehre. Die Studierenden haben am Anfang die Auswahl aus einem Studiengang mit Schwerpunkt in der Chemie und Physik (Physikalisch-Chemische Richtung) und einem mit Schwerpunkt in der Chemie und Biologie mit zusätzlicher erweiterter Ausbildung in Physikalischer Chemie sowie Physik (Biochemisch-Physikalische Richtung).
Das Grundstudium[Bearbeiten]
Das Grundstudium vermittelt die propädeutische Ausbildung in Mathematik, Physik, Biologie und Informatik. Es gliedert sich in eine physikalisch-chemische und eine biochemisch-physikalische Fachrichtung, wovon eine gewählt werden muss. Die Wahl der Fachrichtung geschieht im Hinblick auf das zu wählende Fächerpaket im späteren Fachstudium. Im zweiten Jahr des Grundstudiums besteht dabei schon teilweise eine freie Fächerwahl, die eine spezifische Ausrichtung des Fachstudiums vorbereitet.
Das Fachstudium[Bearbeiten]
Im Fachstudium wählt man ein Fächerpaket aus. Dieses Paket muss aus mindestens vier im Schlussdiplom prüfbaren Fächern bestehen. Beispiele für solche Fächerpakete sind:
physikalisch-chemische Richtung: Festkörperphysik, Quantenelektronik, Theoretische Physik, Physikalische Chemie
biochemisch-physikalische Richtung: Molekularbiologie - Biophysik, Physikalische Chemie, Biochemie,Organische Chemie
HINWEIS: Um Missverständnisse zu vermeiden - Das Fach und Institut für Molekularbiologie der ETH Zürich beschäftigt sich vornehmlich mit der Strukturanalyse von Biopolymeren, vornehmlich von Proteinen, mit Hilfe chemischer und physikalischer Methoden. Bekanntester Lehrstuhlinhaber ist Prof. K. Wüthrich, Nobelpreis 2004, der die von Prof. R. Ernst (auch ETH Zürich, auch Nobelpreisträger) entwickelte NMR Technik zur 2-Dimensionalen NMR Analyse zunächst von Peptiden und später ganzen Proteinen weiterentwickelte, als Ergänzung zur klassischen Röntgendiffraktion. Weitere Themen sind die chemische Peptidsynthese, und die Aufreinigung und chemisch-physikalische Charakterisierung von Polymeren. - Das Institut wurde 1963 auf Betreiben von Prof. V. Prelog (Organische Chemie) gegründet, als Molekularbiologie `chemischer Richtung` in Ergänzung der an der ETH traditionell starken Naturstoffchemie. Die heute unter dem Begriff Molekularbiologie allgemein verstandene Gentechnik/Molekulargenetik in ihrer heutigen Form war damals unbekannt; insofern ist die Fachbezeichnung an der ETH heute ein lebendiger Anachronismus. Der erste Lehrstuhlinhaber war Prof. Schweizer, der wichtige Beiträge zur chemischen Peptidsynthese geleistet hat und Anfang der 1960er Jahre das weltweit erste zugelassene, kommerzielle Peptidpharmazeutikum (ein Peptidhormon) bei Ciba-Geigy entwickelt hatte (vgl. Wissenschaftsgeschichten, in: 150 Jahre ETH)