Identität in Südtirol

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Die Südtiroler Identität ist aufgrund der politischen und ethnischen Diversität in Südtirol in mehrere Strömungen unterteilt, wobei die Identifikationsfaktoren grundsätzlich von der Zugehörigkeit zu einer Sprachgruppe und vom Bildungsgrad des Einzelnen abhängig sind. Bindungen der Südtiroler finden sich insbesondere zu Österreich und zu Bayern. Dies schlägt sich im Reiseverkehr, und zum Teil in beruflichen Ortswechsel in den vorgenannt Regionen nieder.

Das Wappen von Südtirol führt den roten Tiroler Adler, wie er in ähnlicher Form im Wappen des österreichischen Bundeslandes Tirol vorkommt.
Das historische Tirol, das heute die Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino bildet
Protestplakate der Süd-Tiroler Freiheit mit dem Titel „Süd-Tirol ist nicht Italien“ am Brenner

Geschichte[Bearbeiten]

Die Region die heute als Südtirol bekannt ist, war im Lauf der Geschichte (auch in verschiedenen Teilgebieten) Bestandteil etlicher Staatsgebilde. Die Geschichte dieser Region ist gut erforscht. Näheres dazu findet sich im Hauptartikel Tirol sowie im Artikel Geschichte Südtirols. Die Geschichte Südtirols nach dem Zweiten Weltkrieg bezüglich der Identität Südtirols ist von Autonomiebestrebungen gekennzeichnet, die durch das Südtirol-Paket 1972 anerkannt und gefestigt wurden.

Sprache[Bearbeiten]

Heute gibt es in der Region mehrere Amtssprachen. Neben Italienisch und Deutsch ist Ladinisch (eine romanische Sprache) die dritte offizielle Amtssprache.[1] Bedingt durch die Geschichte hat es in der Region etliche Spracheinflüsse gegeben. Dies ist eng mit der Geschichte Tirols verbunden. Die Ladiner werden als eigene Volksgruppe der Südtiroler betrachtet denen durch das 2. Autonomiestatut in diesem Gebiet Minderheitenrechte zugestanden wurden. Deutsche Dialekte in Tirol sind verbreitet und zählen zu den Dialektgruppen Bairisch und Alemannisch. Rätoromanische Spracheinflüsse sowie furlanische und zimbrische Sprachinseln wurden ebenfalls im Rahmen der Erforschungen des Tiroler Sprachraums festgestellt. Die Mehrsprachigkeit in Tirol führt dazu, dass Bewerber für den öffentlichen Dienst in Südtirol die sogenannte Zweisprachigkeitsprüfung ablegen müssen.

Gesellschaft[Bearbeiten]

Neben den nationalstaatlichen Identifikationsansätzen existieren aber auch noch regionale, überregionale und transnationale Identitäten, denen gemäß sich einige Angehörige der Minderheit in erster Linie als Südtiroler, Tiroler oder Europäer betrachten. Diese treten in Südtirol mittlerweile in den Vordergrund.[2] So meinte der bekannte Südtiroler Alpinist, Autor und Europapolitiker Reinhold Messner in einem Interview:

„Muttersprache ist natürlich die Sprache, die man zu Hause bei seiner Mutter lernt. In meinem Fall ist sie Deutsch. Trotzdem bin ich stolz auf meine Doppelkultur. Ich spreche Deutsch und Italienisch, beides fast gleich gut. […] Das Vaterland gibt es für uns Südtiroler nicht mehr. Wir haben so lange Zeit bei Italien verbracht, dass es nicht mehr Österreich sein kann. Mittlerweile haben wir Südtiroler ein lokales, aber kein nationales Zugehörigkeitsgefühl. […] ich fühle mich nicht als Deutscher, Italiener oder Österreicher, sondern als Europäer und Südtiroler.[3]

In solchen und ähnlichen Statements wird eine durchaus neue Gruppenidentität artikuliert, die politikwissenschaftlich und soziologisch als Prozess der Nationsbildung auf regionaler Ebene beschrieben werden kann. In diesem Vorgang bricht sich auch die Tendenz zu sprachlich-identitärer Segregation Bahn, die sich zum einen auf die Selbstbehauptung in einem grundsätzlich „fremden“ Staatsgefüge und die erfolgreiche Bewältigung interethnischer Spannungen, zum anderen auf ein stark ausgeprägtes sprachliches Sondergefühl berufen kann.[4]

Besonders bei deutschsprachigen Jugendlichen ist das Land Südtirol als Hauptidentifikationsfaktor mittlerweile vorherrschend. Im Zuge einer Sozialstudie aus dem Jahr 1999 gaben über 79 % der befragten deutschsprachigen Jugendlichen an sich in erster Linie als Südtiroler zu fühlen, bei den italienischsprachigen lag dieser Anteil nur bei etwa 11 %. Bei der Frage mit welchem Gebiet sie sich am stärksten verbunden fühlten nannten 40,6 % der Jugendlichen mit deutscher Muttersprache Südtirol, 6,6 % Italien, 1,4 % Europa und nur 0,4 % Österreich.[5]

Politik[Bearbeiten]

Südtirol[Bearbeiten]

Der Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder bejahte in der ORF-Sendung „Pressestunde“ die Zugehörigkeit der deutschsprachigen Bevölkerung Südtirols zu den Österreichern. Die Südtiroler sind für ihn „eine österreichische Minderheit, die in Italien lebt“.[6]

Im Grundsatzprogramm der Südtiroler Volkspartei (SVP), die im Südtiroler Landtag zur Zeit über eine absolute Mehrheit verfügt[7], wird festgehalten, dass die deutschsprachige Bevölkerung Südtirols „einen Anspruch auf die geistige und kulturelle Zugehörigkeit Südtirols zum Vaterland Österreich“ habe.[8] Im SVP-Wahlprogramm von 2008 wird Italien als „fremdnationaler Staat“ bezeichnet.[9] Der Grüne Europaabgeordnete Sepp Kusstatscher nannte die Südtiroler in einer Rede vor dem Europaparlament „ethnische Österreicher“.[10] Der ehemalige italienische Staatspräsident Francesco Cossiga erregte 2006 mit der Aussage Aufsehen, die deutschsprachigen Südtiroler seien eine deutsche, keine österreichische Minderheit und dass es eine österreichische Nation ebenso wenig wie eine österreichische Literatur oder Musik gebe.[11]

Von den im Südtiroler Landtag vertretenden Parteien fordern die Freiheitlichen (14,3 % bei den Landtagswahlen 2008), die Süd-Tiroler Freiheit (4,9 %) und die Union für Südtirol (2,3 %) die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes durch eine Volksabstimmung über die staatliche Zukunft Südtirols. Gemeinsam erhielten diese Parteien bei den Wahlen 2008 damit über 21,5 % der Stimmen und 8 von 35 Landtagsmandaten.

Österreich[Bearbeiten]

Auf den gleichen Standpunkt wie Durnwalder stellt sich auch der gebürtige Südtiroler, ÖVP-Politiker und ehemalige Nationalratspräsident Andreas Khol, der in diesem Zusammenhang auch von „österreichischen Südtirolern“ spricht.[12] Politisch hat Österreich, gemäß dem Gruber-De-Gasperi-Abkommen, eine Schutzmachtfunktion über die deutschsprachige Minderheit in Südtirol inne. Das österreichische Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten spricht in diesem Zusammenhang von den Südtirolern als einer österreichischen Minderheit.[13] Bundespräsident Heinz Fischer sprach einmal von der deutschen Minderheit,[14] zwei andere Male aber von der österreichischen Minderheit in Italien.[15][16] Das Beispiel zeigt, dass Begriffe wie „deutsche“, „deutschsprachige“ und „österreichische Minderheit“ auch synonym verwendet werden.

Siehe auch[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Beispiel für dreisprachigkeit in der Öffentlichkeit Südtirols
  2. Roland Wankenhut: Ethnische Identität und Jugend. Eine Vergleichende Untersuchung zu den drei Südtiroler Sprachgruppen., Opladen 1999, ISBN 3-8100-2280-2
  3. Südtiroler Sprachbarometer
  4. Kristian Naglo: Multilingualität und Identitäten in Europa. Eine theoretische Annäherung anhand der Beispiele Luxemburg und Südtirol.[1] In: Ferenc Glatz (Hrsg.): Innerhalb der Europäischen Union (Begegnungen. Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest 22), Budapest 2004, ISBN 9632164288, S. 303-326.
  5. Roland Wankenhut: Ethnische Identität und Jugend. Eine Vergleichende Untersuchung zu den drei Südtiroler Sprachgruppen., Opladen 1999, ISBN 3-8100-2280-2, S. 106.
  6. tirol.orf.at
  7. ORF: „SVP hält absolute Mandatsmehrheit“
  8. SVP-Grundsatzprogramm – 4. Südtirol und Österreich
  9. SVP-Wahlprogramm 2008 (PDF)
  10. Europaparlament CRE(2006)01-18
  11. „Von Quoten und Grenzen“, derStandard.at vom 27. Februar 2006
  12. diepresse.com - Quergeschrieben Andreas Khol
  13. BMEIA - Nachbarschaftspolitik Südtirol
  14. Rede des Bundespräsidenten
  15. Interview des Bundespräsidenten mit der Tiroler Tageszeitung „Ein sorgsamer Blick nach Südtirol“
  16. Der Bundespräsident über die Aufnahme der Schutzfunktion über Südtirol in das B-VG

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