Ideal (Philosophie)

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Das Ideal oder auch adjektivisch ideal (von gr. idéa, Gestalt, Urbild vgl. auch Eidos) ist ein Fachausdruck der Philosophie, insbesondere der Ästhetik, der Ethik und der Metaphysik. Mit einem Ideal wird eine Vollkommenheit angestrebt.

Begriffsbestimmungen und Abgrenzungen[Bearbeiten]

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Der Begriff Ideal hat ein breites Bedeutungsspektrum. Schwer ist die begriffliche Abgrenzung zu Idee:

  • Abgrenzend wird einerseits Ideal oft auf seine ästhetischen Aspekte begrenzt, andererseits wird
  • manchmal ein konstruktives ideales Anstreben einer vorgefundenen Idee gegenübergestellt.

In diesem Artikel wird jedenfalls abgrenzend auf den Begriff der Idee einer Sache im Unterschied zur Sache selbst, die an dieser Idee teilhat, nicht weiter eingegangen. Auch Abstraktionstheorien werden hier nicht dargestellt.

Beim Gebrauch der Ausdrücke Ideal oder ideal ist darauf zu achten, worauf man sich bezieht, um Missverständnissen vorzubeugen:

  • Geht es um etwas, was man vorfindet und nicht selber herstellt? Beispiel: "Dies ist eine ideale Umgebung, um sich zu erholen."
  • Geht es um erbauende Ideale, die bilden sollen? Beispiele: Lyrik, Kunstwerke oder Architekturen.
  • Geht es um etwas, was man verbessern will und kann? Beispiel: "Diese geschnitzte Pfeife ist noch nicht ideal."
  • Geht es um etwas, was man zwar anstreben kann, aber was man nie erreicht wie bei einer Approximation?
  • Geht es um etwas Gedachtes, Vorgestelltes? Beispiele sind etwa geometrische Figuren oder Träume.
  • Geht es um ein ideales menschliches Vorbild, Menschen, die ideale Ansprüche an sich (und andere) stellen? Als Beispiel wird gelegentlich etwa Mutter Teresa genannt.
  • Geht es um die Erscheinung von etwas oder geht es einfach nur um Wunschdenken, insbesondere in der Gegenüberstellung ideal/real?

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Begriff Ideal sehr vielfältig bestimmt und verwendet wird, was auch bei dem folgenden Durchgang durch die Geschichte beachtet werden sollte.

Geschichtliche Entwicklung[Bearbeiten]

Trotz der Herausforderungen die die Begriffsbestimmung des Ideals darstellt, lässt sich ein Weg nachvollziehen, wie der Begriff Ideal in der Geschichte der Philosophie gedacht wurde. Dies ist oft auch ein Weg vom Ideal in der Kunst und Mathematik zum guten Handeln der Menschen.

Von der Geometrie zur Gerechtigkeit[Bearbeiten]

In dem Buch der Staat entwickelt der klassische Philosoph Platon eine Ideenlehre. Im sechsten Buch schreibt er dazu über die Mathematiker:

Duality Dodek-Iso.png
Ikosaeder im Dodekaeder
"… Sie behelfen sich mit sichtbaren Figuren und untersuchen sie, denken aber dabei nicht an die Figuren, sondern an die Urbilder, denen sie gleichen; so untersuchen sie das Viereck an sich und seine Diagonale, aber nicht die gezeichnete, und ähnlich bei allem anderen; die Gebilde, die sie formen und zeichnen, von denen es wieder Schatten und Abbilder im Wasser gibt, diese gebrauchen sie nur als Abbilder und suchen die Urbilder an sich zu erkennen, die man nur durch das reine Denken erkennt." (Übersetzung Karl Vretska, Buch VI, 510 d+e)

Die gedachten mathematischen Formen der Dinge sind die Ideale sowohl im Gegensatz zu den Zeichnungen als auch zu den Dingen selbst. Platon will im ganzen Zusammenhang des Buches der Staat darauf hinaus, dass die ideale Tugend der Gerechtigkeit am besten dadurch verwirklicht werden kann, dass die Philosophen den Staat regieren.

Platon spricht auch von bestimmten idealen dreidimensionalen Platonische Körper genannten Körpern. Schon im Dialog Timaios beschrieb Platon solche Körper als ein in sich geschlossenenes und geordnetes schönes Ganzes.

Von der Minne zur Unübertrefflichkeit Gottes[Bearbeiten]

Das Mittelalter kannte das Ideal der höfischen Minne, eine Art Liebesbeziehung des Ritters zu seiner adligen Dame. Philosophisch besonders relevant sind die idealen Gottesdefinitionen: Anselm von Canterbury spricht etwa im ontologischen Gottesbeweis von Gott als etwas, über dem Größeres nicht gedacht werden kann. Diese Unübertrefflichkeit führt im Mittelalter nicht notwendig zu dem Gegensatz ideal/real. Im Gegenteil: Würde es Gott nicht in Wirklichkeit (latein: res, in re) geben, so wäre er nicht ideal, argumentiert Anselm. Der im Mittelalter seit der Hochscholastik bevorzugte antike Philosoph Aristoteles gab schon ähnliche Bestimmungen: Ideal ist "das, außerhalb dessen sich auch nicht ein einziger Teil finden läßt" (Metaph. 4,16,1021bsq.).

Proportionsstudie nach Vitruv 1492

In seiner großen Hauptschrift Summa theologiae nennt Thomas von Aquin folgende ideale Bestimmungen von Schönheit, um dadurch theologische Gottesaussagen der frühen christlichen Kirche ästhetisch zu bestimmen:

  • Reinheit (integritas)
  • Vollkommenheit (perfectio)
  • Harmonie (consonantia)
  • Gleichmäßigkeit (commensuratio)
  • Übereinstimmung (convenientia)
  • Helligkeit/Klarheit (claritas)

In der Mystik finden Denker wie beispielsweise Cusanus oder Meister Eckhart die ideale Einheit von Gott und menschlicher Welt.

Vom Schönen zur Erziehung des Menschen[Bearbeiten]

In der Renaissance entdeckte man sowohl in der Kunst als auch in der Philosophie das Ideal der antiken Kultur wieder.

Am Ende des 18. Jahrhunderts knüpfte die Weimarer Klassik hieran an: Der deutsche Archäologe und Kunstschriftsteller Johann Joachim Winckelmann gab 1755 seine erste Schrift "Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauer-Kunst" heraus. Der Bewunderung der griechischen Werke entstammt seine Maxime Edle Einfalt, stille Größe:

Das allgemeine vorzügliche Kennzeichen der griechischen Meisterstücke ist endlich eine edle Einfalt und eine stille Größe, so wohl in der Stellung als im Ausdruck. so wie die Tiefe des Meers allzeit ruhig bleibt, die Oberfläche mag noch so wüten, eben so zeiget der Ausdruck in den Figuren der Griechen bei allen Leidenschaften eine große und gesetzte Seele.

Winckelmanns Ziel war eine Charakteristik des Idealschönen, das er in der griechischen Antike sah. Durch Nachahmung dient es der Erziehung des Menschen.

1790 veröffentlicht der Philosoph Immanuel Kant sein drittes Hauptwerk Kritik der Urteilskraft. Kant geht es um ein ästhetisches Urteil vom Schönen und Erhabenen. Dieses sieht er in der Verbindung von Sinnlichkeit und Vernunft. Während die Idee und das Geschmacksurteil rein subjektiv sind, ist das Ideal des Schönen etwas von Besonderheiten Bereinigtes, eine Normalidee. Im Gegensatz zum Schönen ist das Erhabene nicht an einen Gegenstand und seine Form gebunden. „Erhaben ist, was auch nur denken zu können ein Vermögen des Gemüths beweiset, das jeden Maßstab der Sinne übertrifft.“. Sowohl das Schöne als auch das Erhabene gefallen durch sich selbst. Aber nur das Erhabene erzeugt Bewunderung und Achtung und kein Gefühl der Lust wie das Schöne. - In der Vernunftethik der Kritik der praktischen Vernunft geht Kant von der idealen Maxime eines vom freien Willen geleiteten kategorischen Imperativ aus. In der Schrift Die Metaphysik der Sitten (1797) stellt er später die Tugendpflicht einem Imperativ der Rechtsgesetze gegenüber.

In der Briefreihe Über die ästhetische Erziehung des Menschen (1793/1794) entwickelte Friedrich Schiller die kantsche Ästhetik geschichtsphilosophisch weiter, versucht dabei aber den Weg zu vermeiden, den die Französische Revolution ging. Auch der Egoismus sei nicht der richtige Weg. Sondern der Mensch soll über die Schönheit zur Freiheit erzogen werden, das ideale Gute zu verwirklichen. Dieses geschieht, wenn der Wille das Gesetz der Notwendigkeit frei befolgt und bei allem Wechsel der Phantasie die Vernunft ihre Regel behauptet. (nach Sandkühler, Bd. 2, 568). Das Schöne entsteht aus der künstlerischen Idealisierung, indem aus der zufälligen Erscheinung ein Gebilde innerer Notwendigkeit geschaffen wird.

Schiller machte seine Vorstellungen über das Ideal auch in Gedichten und Balladen deutlich:

Schillerbüste von Th. Wagner (nach J.H.Dannecker)


Nur der Körper eignet jenen Mächten,
Die das dunkle Schicksal flechten;
Aber frei von jeder Zeitgewalt,
Die Gespielin seliger Naturen,
Wandelt oben in des Lichtes Fluren
Göttlich unter Göttern die Gestalt.
Wollt ihr hoch auf ihren Flügeln schweben,
Werft die Angst des Irdischen von euch!
Fliehet aus dem engen, dumpfen Leben
In des Idealen Reich!

Jugendlich, von allen Erdenmalen
Frei, in der Vollendung Strahlen
Schwebet hier der Menschen Götterbild,
Wie des Lebens schweigende Phantome
Glänzend wandeln an dem styg'schen Strome,
Wie sie stand im himmlischen Gefild,
Ehe noch zum traur'gen Sarkophage
Die Unsterbliche herunter stieg.
Wenn im Leben noch des Kampfes Wage
Schwankt, erscheinet hier der Sieg.

(Zwei Verse aus dem Gedicht: Das Ideal und das Leben, Friedrich Schiller, 1795)

Von der Lyrik zur Entsprechung von Idee und Gestalt[Bearbeiten]

Im 19. Jahrhundert rücken die Begriffe Ideal und Idee durch die Strömung des Idealismus noch einmal besonders in den Fokus der Philosophie.

Der Dichter Hölderlin steht mit seiner frühen Lyrik noch ganz in der Tradition der Rousseauschen Zivilisationskritik. Doch in der Auseinandersetzung mit Fichte erkennt Hölderlin, dass rationales Denken die Ursache für die Subjekt-Objekt-Spaltung ist und nur ein Idealismus die gesuchte ideale Einheit der Philosophie vollbringen kann. Diesen Idealismus teilt er mit seinen Kommilitonen im Tübinger Stift, den später bekannten Philosophen Hegel und Schelling.

Hegel entfaltet später den Begriff Ideal in seinen Vorlesungen über die Ästhetik: Die Aufgabe der Kunst sei die sinnliche Darstellung der absoluten Idee als Ideal. Die Kunst ist die Entsprechung von Idee und Gestalt, die das Ideal ausmacht.

Von der Epsilontik zur Kommunikationsgemeinschaft[Bearbeiten]

Im 19. Jahrhundert gelang es dem französischen Mathematiker Augustin Louis Cauchy mit seiner Epsilontik die idealen Begriffe der mathematischen Analysis exakt zu definieren. Es ging darum, sprachlich etwas zu bestimmen was man nur (etwa bei der Konvergenz von Folgen) anstrebt oder annähert, aber nicht erreichen kann. Man wählt dafür die Ablaufzyklen des Anstrebens so in Abhängigkeit zur immer kleiner werdenden Toleranz des idealen Kriteriums, dass dies in jeder Ablaufphase erfüllt wird.

In der analytischen Sprachphilosophie wurde von Rudolf Carnap und anderen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts versucht, eine Idealsprache zu konstruieren. Diese sollte als Modellsprache um die Unklarheiten der natürlichen Umgangssprache bereinigt werden, um eine eindeutige Wissenschaftssprache zu schaffen. Mit der Orthosprache Paul Lorenzens wird etwas ähnliches versucht.

In der zeitgenössischen Protophysik wird untersucht, wie ideale Gegenstände, etwa ebene Oberflächen von Richtplatten oder genau gehende Uhren zu realisieren sind. Dabei werden operative Handlungsnormen für die Herstellungsverfahren aufgestellt und die Ideale gemäß diesen Normen bestimmt.

In ihrer Diskursethik und der Theorie des kommunikativen Handelns entwickelten Karl-Otto Apel und Jürgen Habermas Konzepte einer idealen Kommunikationsgemeinschaft und einer idealen Sprechsituation. Auch wenn das faktische Gespräch unter den Mängeln der realen Gegebenheiten stattfindet, so kann man doch bei Begründungen ideale Situationen oder Gemeinschaften antizipieren oder unterstellen.

Siehe auch[Bearbeiten]

 Wikiquote: Ideal – Zitate
 Wiktionary: Ideal – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Weblinks[Bearbeiten]

Schillers Gedicht: Das Ideal und das Leben bei Gutenberg/spiegel-online

Literatur[Bearbeiten]

  • Platon, Der Staat (Politeia), übersetzt und herausgegeben von Karl Vretska, Stuttgart (1958) 1982.
  • Johann Wolfgang von Goethe: Winckelmann und sein Jahrhundert. Tübingen 1805 (mit Beiträgen von Meyer and Wolf)
  • Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Ästhetik I, II und III, Eva Moldenhauer/Karl Markus Michel (Hrsg.) Werke in 20 Bänden und Register, Bd.13 - 15, Frankfurt am Main 1986
  • Esther Sophia Sünderhauf: Griechensehnsucht und Kulturkritik. Die deutsche Rezeption von Winckelmanns Antikenideal 1840-1945. Akademie-Verlag, Berlin 2004 ISBN 3-05-004100-5 (zugleich Dissertation der Humboldt-Universität Berlin, 2002)
  • Artikel: Erscheinung, Ideal, Idealisierung, Idealismus, Ideation, Idee (historisch) usw. in: Mittelstraß (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Stuttgart Weimar 2005
  • Artikel: Ideal, in: Hans Jörg Sandkühler (Hrsg.): Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften, Meiner, Hamburg 1990


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