Hans-Christoph Glombitza
Hans-Christoph Glombitza (geboren 1951 oder 1952)[1] ist ein deutscher Polizeibeamter und ehemaliger Polizeidirektor von Dessau (Sachsen-Anhalt). 2007 musste er sich dem Vorwurf stellen, er habe auf drei Dessauer Staatsschützer eingewirkt, die stringend rechtsextreme Vorfälleuntersucht hatten.[2] Den Fall hatte ein Journalist des Tagesspiegel recherchiert. Durch die Dessauer Polizeiaffäre wurde Glombitza bundesweit bekannt.
Inhaltsverzeichnis
[Verbergen]Leben[Bearbeiten]
Glombitza war zunächst stellvertretender Polizeichef von Dessau und später Polizeidirektor der Dessauer Polizei.
Vorwurf der Einwirkung auf Ermittlungen des Staatschutzes Dessau[Bearbeiten]
Der Staatsschutz Dessau leitete 2006 rund 600 Ermittlungsverfahren ein. Mit einem Anstieg von über 60 Prozent auf 392 Delikte verzeichnete Dessau unter den sechs Polizeidirektionen in Sachsen-Anhalt den stärksten Zuwachs rechter Kriminalität.[3]
Am 5. Februar 2007 liefen der Chef des Fachkommissariats Staatschutz Sven Grattzik, sein Stellvertreter Ennulat und Polizeikomissar Kappert zu einem Treffen mit dem Leitenden Polizeidirektor Hans-Christoph Glombitza in dessen Büro auf. Thema des Gesprächs war u.a. die enorme Arbeitsbelastung der Staatsschützer, die mit einer hohen Zahl rechter Straftaten konfrontiert wurden. Nach diesem Gedächtnisprotokoll der Statsschützer äußert sich Glombitza missbilligend über die Internetrecherchen der Abteilung und warnte angesichts der hohen Zahl von Ermittlungsverfahren der Direktion Dessau gegen rechte Straftäter vor einem Schaden für „das Ansehen unseres Landes“ und "dass darüber niemand glücklich sei. Das Innenministerium ist nicht glücklich, das Landeskriminalamt ist nicht glücklich und die übrigen PD'en sind ebenfalls über diesen Anstieg nicht glücklich"[4] Laut diesen Beamten soll er auf versucht haben, auf sie in der Weise einzuwirken, dass Delikte aus der Rechtsradikalen Szene keine so starke Rolle bei den Ermittlungen spielen sollten. Bei Ermittlungen gegen Rechts „müsse man nicht alles sehen“, weil sonst das Ansehen des Landes „nachhaltig geschädigt werden könnte“ soll Glombitza gesagt haben. Laut Staatsschützern soll ein Teil der Polizei-Spitze von dem Gespräch informiert worden sein und hätte also handeln können.
Die drei Staatsschützer, der Leiter der Abteilung Kriminalrat Sven Gratzik (damals 37) und dessen Stellvertreter Swen Ennullat (damals 31) und Christian Kapperts wurden im Mai 2007 versetzt. Der Beamte Christian Kappert wehrte sich und begründete seinen Widerspruch damit, dass nicht er sich falsch verhalten habe, sondern Glombitza, dessen Aussagen möglicherweise sogar Straftatbestände seien. Ennullat wollte eine Polizeihochschule besuchen. Dies wurde ihm zunächst verwehrt. Mit einer einstweiligen Verfügung des Verwaltungsgerichts konnte er sich zunächst gegen die Polizeidirektion durchsetzen.
Die damalige Polizeipräsidentin Brigitte Scherber-Schmidt bat die Staatsanwaltschaft um Prüfung des Verdachts auf Strafvereitelung im Amt. Oberstaatsanwalt Folker Bittmann sah keinen Grund zu ermitteln. Laut Bittmann habe Glombitza „alles andere bezweckt, nur nicht, Ermittlungen gegen Straftäter mit rechtsradikalen Hintergrund zu behindern“.[3]
Ermittlungen gegen Christian Kappert[Bearbeiten]
Gegen den polizisten Christian Kappert wurde von der Staatsanwaltschaft Dessau 2007 wegen des Verdachts auf Strafvereitelung im Amt ermittelt. „Wenn Herr Kappert die Äußerungen (Anm. von Glombitza) für strafrechtlich relevant gehalten hat, hätte er als Polizist Ermittlungen einleiten müssen“, sagt damals der Leitende Oberstaatsanwalt Folker Bittmann. Unerheblich sei dabei, dass die Staatsanwaltschaft selbst in Glombitzas Aussagen keinen Verdacht auf eine Straftat sehe. In der Landesregierung in Magdeburg lösten die ermittlungen gegen Kappert Kritik aus. „Die Vorwürfe sind an den Haaren herbeigezogen“[5], sagte FDP-Innenexperte Guido Kosmehl.
Politische Aufarbeitung[Bearbeiten]
Der Staatschützer Kapppert wandte sich an den Herbert Hartung, damals Landtagsabgeordneter der CDU und Mitglied des Petitionsauschusses. Ihm ging das Gedächtniss-Protokoll der drei Beamten am 25. April 2007 zu. Harttung hatte sich in seiner Funktion als „Petitionsabgeordneter“ mit Kappert noch am selben Tag unterhalten. Hartung gab das Protokoll noch in der selben Woche direkt an damaligen Innenminister Holger Hövelmann (SPD) weiter. Er sagte gegenüber Panorama zu diesem Vorgang: „Ich sehe es so, dass jetzt die Kleinen geschlachtet werden sollen, und die anderen lässt man laufen. Und das kann nicht sein, das kann einfach nicht sein.“[6]
Der Fall Glombitza war Thema im Innenausschuss des Landes Sachsen-Anhalt. Der Chef der Fachhochschule Polizei Sachsen-Anhalt in Aschersleben, Rainer Nitsche, erstellte einen Bericht für den Ausschuss, indem er bestätigte, dass Glombitzas Äußerungen gefallen sind. Sie seien aber aus dem Zusammenhang gerissen worden, denn ihm seien Sympathien für Rechte nicht vorzuwerfen. Im Fachkommissariat des Staatschutzes Dessau sei es bei so genannten Vorfeldermittlungen zu Übereifer gekommen. Deshalb habe Glombitza zu einer anderer „Prioritätensetzung“ aufgefordert. Das sogenannte Nitsche-Gutachten wurde nicht veröffentlicht.
Gegenüber einem Untersuchungsausschuss sagte Glombitza: „Wer hohe Fallzahlen hat, muss zwangsläufig damit leben, dass er im Bundesdurchschnitt schlecht dasteht. (...) Niemand ist damit glücklich. Wir nicht, das LKA nicht, das Land nicht.“[7]
Das Innenministerium hatte ein Disziplinarverfahren gegen Glombitza abgelehnt.
Reaktionen[Bearbeiten]
Nach dem Bericht von Nitsche könne man nicht länger von einem Polizeiskandal sprechen, erklärte Bernward Rothe (SPD). „Wenn die Landesregierung nicht endlich ein Zeichen setzt, dass sie an der Aufklärung der Vorwürfe gegen Glombitza interessiert ist, zwingt sie uns in einen Untersuchungsausschuss“, sagte der damalige Linke-Fraktionschef Wulf Gallert.
Weblinks[Bearbeiten]
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- Hochspringen ↑ [1]
- Hochspringen ↑ http://www.berliner-zeitung.de/archiv/sonderausschuss-legt-bericht-vor-und-die-linke-protestiert-persilschein-fuer-polizei-in-sachsen-anhalt,10810590,10769594.html
- ↑ Hochspringen nach: 3,0 3,1 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/polizei-affaere-warum-drei-erfolgreiche-neonazi-bekaempfer-ihre-jobs-verloren-a-491935.html
- Hochspringen ↑ http://www.anstageslicht.de/index.php?UP_ID=1&NAVZU_ID=16&STORY_ID=61&M_STORY_ID=417
- Hochspringen ↑ http://www.mz-web.de/mitteldeutschland/sachsen-anhalt-polizeiaffaere-erfaehrt-ueberraschende-wende,20641266,18768134.html
- Hochspringen ↑ Beitrag am 5. Mai 2007
- Hochspringen ↑ http://www.anstageslicht.de/index.php?UP_ID=1&NAVZU_ID=16&STORY_ID=61&M_STORY_ID=456