Hagelprozession (Ostbevern)

Aus MARJORIE-WIKI
Wechseln zu: Navigation, Suche
Die Hagelprozession in Ostbevern an der Marienkapelle

Die Hagelprozession in Ostbevern ist eine traditionelle große Flurprozession, die bis auf den heutigen Tag begangen wird.

Geschichtlicher Hintergrund[Bearbeiten]

Zu allen Zeiten haben die Menschen in den verschiedenen Kulturkreisen ihre Götter für günstiges Wetter angefleht. Es wird vermutet, dass die Germanen ihren Wettergott Thor oder auch Donar, anriefen. Man glaubte, er habe Macht über Winde und Wolken, über Blitz und Donner. Ihm zu Ehren wurden feierliche Flurumgänge veranstaltet und dabei die Felder mit Haselruten umsteckt, die dem Donar heilig waren, um sie vor Unwetter und besonders vor Hagel zu schützen. Nach der Christianisierung gab es neben den Flurprozessionen, deren erste urkundliche Erwähnung 1296 zu datieren ist, fanden auch Quellenprozessionen statt.

„In verschiedenen Gegenden Deutschlands werden nämlich nicht nur zu Ostern, sondern auch zu Pfingsten oder Johannis feierliche Prozessionen zu bestimmten Quellen abgehalten, wo mau dann aus dem Wasserstand die Fruchtbarkeit des Jahres, den günstigen oder ungünstigen Ausfall der Ernte weissagt oder Liebesorakel anstellt.“

Dr. Ulrich Jahn über die "Die Opfer bei der Hagelfeier"[1]

Die Termine waren regional unterschiedlich. Neben dem Pfingstumgang wie in Schildesche gab es ähnliche Prozessionen vor Ostern, vor Christi Himmelfahrt, zum Fronleichnamfest oder zum Johannistag am 24. Juni, der Sommersonnenwende. Gerade in der Eifel war der Johannistag ein außergewöhnlicher Tag, an dem Haus und Stall gegen Blitzschlag und die Felder gegen Hagel mit Brauchtumsriten geschützt wurden.[2] Auch am „Wetterherrentag“ (St. Peter und Paul) am 26. Juni wurden Wetterprozessionen durchgeführt. Dabei trug man jeweils eine große geweihte Schauerkerze mit, die üblicherweise an Lichtmess (2. Februar) geweiht und dann im Anschluss an die Prozession in der Kirche aufgestellt wurden.[3] Beim ursprünglichen Flurumgang gab es Segensstationen, kleine Kapellen, steinerne Bildstöcke, Wetterkreuze oder provisorische auf Holzpodesten aufgebaute Altäre, die mit Holzkreuz, Kerzen und Blumensträußen geschmückt waren. Die Kirchengemeine wanderte über viele Stunden mit Fahnen, dem Vortragekreuz und Heiligenbildern durch die Felder zu den vier Stationen, von wo der Geistliche den Segen in alle vier Richtungen spendete. Der Abschlusssegen erfolgte in der heimischen Kirche. Im frühen 15. Jahrhundert entstand in Deutschland der Brauch, neben Heiligenstatuen und Reliquien das „Allerheiligste“,eine in der Eucharistiefeier geweihte Oblate, mitzuführen.[4] Die Reformation trat der Hagelprozession mit Skepsis entgegen, doch konnte sie dieses Brauchtum anfangs nicht vollständig unterbinden. Der alte Brauch verrate ein Misstrauen gegen Gott, den man auf andere Weise, zum Beispiel durch Gebet, nicht gnädig stimmen wolle. Der evangelische Theologe Thomas Ebendorfer wandte sich gegen die Hagelprozession. Das Allerheiligste werde schändlich instrumentalisiert, es sei töricht das Wetter zu beschwören und all diese Riten seien eine Erfindung des Aberglaubens und der „eselhaften Weisheit“ [5]

„Wenn das Allerheiligste am Himmelfahrtstag durch die Felder und Weinberge getragen wird in dem Glauben, dass dann die Saaten vor Unheil bewahrt werden, so ist das unerlaubt und soll von kirchlicher Autorität verhindert werden.“

Thomas Ebendorfer 1453 [6]

Im Zuge der Gegenreformation wurden die Hagelprozessionen von der katholischen Kirche in den ländlichen Gebieten, die ihr geblieben war, als pompöse, machtvolle Demonstration zelebriert. Die Aufklärung sah in der Hagelprozession einen überkommenen und daher obsoleten Volksglauben an, der durch den Vernunftgebrauch überwunden werden müsse. In dieser Zeit wurden die Hagelprozessionen im Allgemeinen weniger und die verbliebenen wurden weniger aufwendig gestaltet. In dieser Tendenz ist die Schadensabwehr ist im Hintergrund getreten. Stattdessen ist heute die Bitte um das tägliche Brot, Sorge um die Schöpfung betont. Dies mag auch der Grund sein, dass heute auch evangelische Christen an der Hagelprozession teilnehmen.[7]

Ablauf[Bearbeiten]

Ursprünglich wurde bei der Ostbeverner Hagelprozession, wie allgemein üblich, vier Segenstationen angelaufen. Diese waren:

Dabei nahm die Prozession ihren Weg von der Pfarrkirche St. Ambrosius kommend, zum Brinkjans Krüüs, der ersten Segensstation. Von hier zog man weiter zur Marienkapelle, der zweiten Segensstation, um dann bei der Annakapelle auf dem Lohkirchhof einen Stationsgottesdienst zu zelebrieren. Danach zog man auf dem Lienener Damm zurück, um an der Statue des Heiligen Donatus die vierte und letzte Segensstation halt zu machen. Von hier aus zog man zurück zur Pfarrkirche. In den 1970er Jahren wurden die Segenstationen aufgegeben und die Prozession zog reaktionslos an den Segensstationen vorüber. Nur der Stationsgottesdienst in der St.Anna-Kapelle blieb erhalten. Brinkjans Krüüs wurde durch eine Kopie ersetzt, die Marienkapelle wurde abgebrochen und der Heilige Donatus von der Straße auf den Hof Schwegmann zurückgesetzt. Die Prozession nimmt heute einem im Jahresverlauf alternierenden Verlauf. Wechselseitig beginnt sie auf dem Lienener Damm bzw. auf der Bahnhofstraße.

Zeit[Bearbeiten]

Die Hagelprozession findet in der Regel am dritten Sonntag nach Pfingsten statt.

Literatur[Bearbeiten]

  • Carl Andersen und Georg Denzler: Wörterbuch der Kirchengeschichte. München 1982.
  • Oskar Sengspiel: Die Bedeutung der Prozession für das geistliche Spiel des Mittelalters in Deutschland. Hildesheim 2001, ISBN 3487062194.
  • Dr. Ulrich Jahn; Die Deutschen Opferbräuche bei Ackerbau und Viehzucht, Ein Beitrag zur Deutschen Mythologie und Alterthumskunde; Breslau 1884
  • Monika Weyer, Rosa Rosinski, Verena Burhenne: Wetter: Verhext, gedeutet, erforscht. Katalog zur gleichnamigen Wanderausstellung des Westfälischen Museumsamtes (LWL) in Zusammenarbeit mit dem Bauernhaus-Museum Bielefeld, Landschaftsverband Westfalen-Lippe; Auflage: 1 (21. Mai 2006) ISBN 3927204641
  • Strotdrees, Gisbert: Wettergeschichte(n). Artikelserie zu Meteorlogie, Klimageschichte und Klimawandel. In: Landwirtschaftliches Wochenblatt Westfalen-Lippe, Folge 1 (1998) vom 2. Januar 1998 bis Folge 27 (2000) vom 6. Juli 2000
  • Weingärtner, Harald: Wenn die Schwalben niedrig fliegen. Vom Nutzen der Wetter und Bauernregeln. Mit einem immerwährenden Witterungskalender und zahlreichen Abbildungen. München/Zürich 2000
  • Wagner, Herbert: Hagelprozessionen früherer Zeit im heutigen Dekanat Hillesheim. Heimatjahrbuch Landkreis Daum. 1974

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Dr. Ulrich Jahn; Die Deutschen Opferbräuche bei Ackerbau und Viehzucht, Ein Beitrag zur Deutschen Mythologie und Alterthumskunde; Breslau 1884, S. 150
  2. Wagner 1974,S. 62
  3. Weingärtner 2000, S. 78
  4. Monika Weyer, Verhext, gedeutet, erforscht. Seite 21
  5. Strotdress 1998, Folge 23
  6. ebenda
  7. Theologische Realenzyklopädie 1997, S. 596


Info Sign.svg Dieser Wikipedia-Artikel wurde, gemäß GFDL, CC-by-sa mit der kompletten History importiert.