Glykämische Masse
Die Glykämische Masse (Abkürzung GM, Formelzeichen ) zeigt die Blutzuckerbelastung von kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln als Glucoseäquivalenz. Sie leitet sich vom Glykämischen Index (GI) und der Glykämischen Last (GL) ab. Durch die Berechnung der Glykämischen Masse ist es möglich, die Blutzuckerbelastung einer Portion unterschiedlicher zucker- und stärkehaltigen Mahlzeiten darzustellen.
Den Begriff der Glykämischen Masse führte Klaus Wührer 2015 ein [1], um die Blutzuckerbelastung von zucker- und stärkehaltigen Nahrungsmitteln vergleichen und bildhaft aufzeigen zu können.
Inhaltsverzeichnis
[Verbergen]Bestimmung[Bearbeiten]
Um die Zuckermenge der Mahlzeit und die daraus resultierende Belastung für den Organismus einschätzen zu können, sind folgende Daten wichtig:
- Glykämischer Index des Nahrungsmittels
- Kohlenhydratdichte (g KH/100 g NM) des Nahrungsmittels (NM) zur Bestimmung der Glykämischen Last GL
- Portionsgröße (Gewicht in g) des Nahrungsmittels
Glykämischer Index[Bearbeiten]
Der Glykämische Index (GI, Formelzeichen ) beschreibt den Blutzuckeranstieg nach Konsum einer Portionsgröße eines Nahrungsmittels, die eine Kohlenhydratmenge von 50 g enthält, z. B. 50 g Zucker oder 100 g Brot oder 1600 g Paprika. Durch die gleichen Kohlenhydratmengen der Mahlzeiten lässt sich die Dynamik der Blutzuckerveränderung unterschiedlicher Kohlenhydratarten und Nahrungsmittel vergleichen. Der Blutzuckerverlauf wird prozentual zum entsprechenden Blutzuckeranstieg von reiner Glucose (= Traubenzucker) berechnet. Diese Messungen des Glykämischen Index wurden erstmals von David J. A. Jenkins[2] veröffentlicht. Mittlerweile gibt es sehr ausführliche Tabellen[3][4] die den Glykämischen Index der unterschiedlichsten Nahrungsmittel darstellen. Nachdem die gemessenen Werte für den Glykämischen Index eines Nahrungsmittels kleine Variationen[5] aufweisen, sind im Folgenden - der Übersicht wegen - gerundete Mittelwerte angegeben. Für die Vergleichbarkeit und die Betrachtung der Blutzuckerbelastung durch zucker- und stärkehaltigen Nahrungsmittel reicht dieses Vorgehen aus.
Nahrungsmittel | Portionsgröße | Kohlenhydratmenge | Kohlenhydratart | Glykämischer Index |
---|---|---|---|---|
Traubenzucker | 50 g | 50 g | Glucose | GI 100 |
Weißbrot | 100 g | 50 g | Stärke | GI 90 |
Vollkornbrot, fein gemahlen | 100 g | 50 g | Stärke | GI 70 |
Haushaltzucker | 50 g | 50 g | Saccharose | GI 65 |
Vollmilchschokolade | 100 g | 50 g | Saccharose | GI 60 |
Milcheis | 200 g | 50 g | Saccharose | GI 60 |
Apfel | 500 g | 50 g | Glucose + Fructose | GI 35 |
Paprika | 1600 g | 50 g | Glucose + Fructose | GI 15 |
Ein Glykämischer Index von 70 von fein gemahlenem Vollkornbrot bedeutet, dass 50 g Stärke aus Vollkornbrot einen Blutzuckeranstieg nach sich ziehen, der 70 % von 50 g Glucose (= Traubenzucker) ausmacht.
Glykämische Last[Bearbeiten]
Die Glykämische Last (GL, Formelzeichen ) beschreibt den Blutzuckeranstieg nach Konsum von 100 g Nahrungsmittel im Vergleich zu reiner Glucose. Da kein Mensch 1.600 g Paprika auf einmal isst, reicht der Glykämische Index alleine nicht aus, um die Zuckerbelastung eines Nahrungsmittels zu bestimmen. Deshalb wird mit der Glykämischen Last der GI auf 100 g des Nahrungsmittels bestimmt. Hierbei verrechnet man den Glykämischen Index eines Nahrungsmittels mit seiner Kohlenhydratdichte (g KH/100 g NM). Diese Blutzuckerbelastung pro 100 g Nahrungsmittel wird als Glykämische Last bezeichnet und wie folgt berechnet:
- Formel
-
- Beispiele
- Vollkornbrot (50 g KH/100 g):
- Paprika (3 g KH/100 g):
- Fazit
- 100 g Vollkornbrot hat eine Glykämische Last von 35, d. h. die gleiche Wirkung auf den Blutzucker wie 35 g Glucose. 100 g Paprika hingegen haben eine GL von 0,5 g, also die Wirkung von 0,5 g Glucose.
Berechnung der Glykämische Masse[Bearbeiten]
Die Glykämische Masse (GM, Formelzeichen ) beschreibt den Blutzuckeranstieg nach einer beliebigen Portion eines Nahrungsmittels im Vergleich zu reiner Glucose. Um die Zuckerbelastung beim Essen aber wirklich vergleichen zu können, muss die Portionsgröße der Nahrungsmittel (NM) mit verrechnet werden, da eine Portion i.d.R nicht immer genau 100 g beträgt. Dies geschieht bei der Berechnung der Glykämischen Masse. Dabei werden der Glykämische Index GI, die Glykämischen Last GL und die Portionsgröße durch den Gewichtsfaktor GF (g NM/100,Formelzeichen ) berücksichtigt.
- Formel
- Berechnung mit Hilfe des Glykämischen Index (GI):
- oder
- Berechnung mit Hilfe der Glykämischen Last (GL):
- Beispiele
- Vollkornbrot (2 Scheiben, 120 g):
- Berechnung mit Hilfe des Glykämischen Index (GI):
- oder
- Vollkornbrot (2 Scheiben, 120 g):
- Berechnung mit Hilfe der Glykämischen Last (GL):
- Milcheis (2 Kugeln, 80 g):
- Berechnung mit Hilfe des Glykämischen Index (GI):
- Paprika (1 Stück, 150 g):
- Berechnung mit Hilfe des Glykämischen Index (GI):
Glucoseäquivalenz der Portion[Bearbeiten]
Die Glykämische Masse zeigt die Blutzuckerbelastung als Glucoseäquivalenz der Portion an. Das bedeutet, das 120 g Vollkornbrot (2 Scheiben) mit der GM 42 g den gleichen Blutzuckeranstieg wie 42 g reine Glucose bewirken.
Dagegen hat eine Portion Milcheis (2 Kugeln, 80 g) einen GM von 10 g und entspricht einer Zuckermenge von 10 g Glucose.
Eine Paprika hat sogar nur eine GM von 0,8 g und entspricht einer Zuckermenge von 0,8 g Glucose.
Bedeutung der Praxis[Bearbeiten]
Die Glykämische Masse (GM) ist eine große Hilfe für den Patienten, um die Blutzuckerbelastung der einzelnen Nahrungsmittel und Mahlzeiten vergleichen zu können. Dies ist v.a. für stärkehaltige Nahrungsmittel (Getreide, Reis, Kartoffeln, Hülsenfrüchte) interessant. Stärke ist ja auch ein Kohlenhydrat und besteht aus 200–4000 Traubenzuckermolekülen. Da Stärke nicht süß schmeckt kann die Zuckermenge von Stärke-Nahrungsmitteln nicht erahnt bzw. geschmeckt werden.
Da sowohl Zucker als auch Stärke und die daraus resultierenden Advancend Glycation Endproducts (AGEs)[6][7]Belastungen und Schäden auslösen, ist es für den Patienten wichtig, die Zuckerbelastung von zucker- und stärkehaltigen Lebensmitteln abschätzen zu können.
Um sich diese Blutzuckerbelastung von 120 g Vollkornbrot (GM 42 g) vorstellen zu können, kann mit der Formel der Glykämischen Masse umgekehrt auch die Nahrungsmittelmenge (g NM) berechnet werden, die nötig ist um z. B. aus Haushaltszucker, Eis oder Äpfeln diese GM von 42 g Glucose zu erhalten.
- Formel
- Berechnung mit Hilfe des Glykämischen Index (GI):
- oder
- Berechnung mit Hilfe der Glykämischen Last (GL):
- Beispiele
- Vollkornbrot (2 Scheiben, 120 g) GM 42 g in Haushaltszucker (GI 65):
- Berechnung mit Hilfe des Glykämischen Index (GI):
- oder
- Vollkornbrot (2 Scheiben, 120 g) GM 42 g in Haushaltszucker (GI 65):
- Berechnung mit Hilfe der Glykämischen Last (GL):
- Fazit
- 2 Scheiben Vollkorn (120 g) = GM 42 = 65 g Haushaltszucker
Vergleich der Glykämischen Masse[Bearbeiten]
Vollkornbrot und Schokolade[Bearbeiten]
65 g Haushaltszucker (13 TL) haben die Wenigsten schon einmal gegessen, deshalb kann man sich diese Blutzuckerbelastung auch nicht vorstellen. Aus diesem Grund macht es Sinn, die GM in eine vorstellbare „Währung“ umzurechnen – z. B. in Vollmilchschokolade. Eine ganze Tafel Schokolade hat fast jeder schon mal gegessen, deshalb kann man sich so diese GM von Vollkornbrot schon eher vorstellen.
- Vollkornbrot (2 Scheiben, 120 g) GM 42 g in Vollmilchschokolade (GI 60, GL 30):
- Berechnung mit Hilfe der Glykämischen Last (GL):
- Fazit
- 2 Scheiben Vollkorn (120 g) = GM 42 = 140 g Vollmilchschokolade
Stärke-Nahrungsmittel mit anderen Zuckerarten[Bearbeiten]
In der Übersicht ist die Glykämische Masse von stärkehaltigen Nahrungsmitteln (Getreide, Reis, Kartoffeln) im Vergleich zu Traubenzucker, Haushaltszucker, Schokolade, Eis und Äpfeln dargestellt, um sich mit Hilfe der GM die Blutzuckerbelastung einer Portion Stärke vorstellen zu können.
Portion Stärke-NM |
Glykämische Masse GM |
Traubenzucker GL 100 |
Haushaltszucker GL 65 |
Schokolade GL 30 |
Eis GL 12,5 |
Apfel GL 4 |
---|---|---|---|---|---|---|
1 Scheibe Vollronbrot 60 g | GM 21 g | 21 g | 32 g = 7 TL | 70 g = 3/4 Tafel | 170 g = Kugeln | 500 g = 3 Äpfel |
Kartoffeln 300 g |
GM 36 g | 36 g | 55 g = 11 TL | 120 g = 1 1/4 Tafeln | 290 g = 6 Kugeln | 900 g = 5 Äpfel |
2 Scheiben Vollkornbrot 120 g |
GM 42 g | 42 g | 65 g = 13 TL | 140 g = 1 1/2 Tafeln | 340 g = 8 Kugeln | 1050 g = 6 Äpfel |
Weblinks[Bearbeiten]
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- Hochspringen ↑ Klaus Wührer: Prophylaxe und Therapie durch Artgerechte Ernährung. Caveman, 2015, ISBN 978-3-9816200-0-9, S. 35–59.
- Hochspringen ↑ D. J. Jenkins u. a.: Glycemic index of foods: a physiological basis for carbohydrate exchange. In: The American Journal of Clinical Nutrition. Band 34, Nr. 3, 1981, S. 362–366, PMID 6259925.
- Hochspringen ↑ Janette Brand Miller: International tables of glycemic index. In: The American Journal of Clinical Nutrition. Band 62, Nr. 4, 1995, S. 869S–869S.
Kaye Foster-Powell, Susanna HA Holt, Janette C. Brand-Miller: International table of glycemic index and glycemic load values: 2002. In: The American Journal of Clinical Nutrition. Band 76, Nr. 1, 2002, S. 5–56, PMID 12081815.
Fiona S. Atkinson, Kaye Foster-Powell, Jennie C. Brand-Miller: International Tables of Glycemic Index and Glycemic Load Values: 2008. In: Diabetes Care. Band 31, Nr. 12, 2008, S. 2281–2283, doi:10.2337/dc08-1239, PMID 18835944. - Hochspringen ↑ F. Mangiameli, Dr. N. Worm, A. Knauer: Logi Guide. Tabellen mit über 500 Lebensmitteln, bewertet nach ihrem glykämischen Index und ihrer glykämischen Last. 1. Auflage der überarbeiteten Neuauflage, Systemed Verlag, Lüne 2011.
- Hochspringen ↑ Fiona S. Atkinson, Kaye Foster-Powell, Jennie C. Brand-Miller: International Tables of Glycemic Index and Glycemic Load Values: 2008. In: Diabetes Care. Band 31, Nr. 12, 2008, S. 2281–2283, doi:10.2337/dc08-1239, PMID 18835944.
- Hochspringen ↑ Christiane Ott, Kathleen Jacobs, Elisa Haucke, Anne Navarrete Santos, Tilman Grune, Andreas Simm: Role of advanced glycation end products in cellular signaling. In: Redox Biology. Band 2, 2014, S. 411–429, doi:10.1016/j.redox.2013.12.016.
- Hochspringen ↑ Sowmya Soman u. a.: A multicellular signal transduction network of AGE/RAGE signaling. In: Journal of Cell Communication and Signaling. Band 7, Nr. 1, 2012, S. 19–23, doi:10.1007/s12079-012-0181-3.