Geisterschiffe im Mittelmeer

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Zum „Geisterschiff“ gemachte Blue Sky M: 2014 übernahm die Italienische Küstenwache das Schiiff auf offener stürmischer See. Der Kapitän mischte sich unter die Flüchtlinge.

Der Begriff Geisterschiffe im Mittelmeer bezeichnet ein Phänomen, nachdem Frachtschiffe mit Flüchtlingen an Bord vor der Küste eines EU-Landes von Schleusern zurückgelassen werden. Dabei spekulieren die Schleuser darauf, dass die Schiffe mit den Flüchtlingen von der Küstenwache gefunden und geborgen werden.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsklärung[Bearbeiten]

Bei den Schiffen handelt es sich in allen bekannt gewordenen Fällen nicht um eigentliche Geisterschiffe. Als Geisterschiffe werden in der Regel Schiffe bezeichnet, die verlassen auf See aufgefunden wurden oder, eigentlich schon verloren geglaubt, unter mysteriösen Umständen wieder auftauchen oder gesichtet werden. Bei den Methoden der Schleuserbanden werden Schiffe mit teilweise hunderten Menschen an Bord vorsätzlich aufgegeben und damit die Passagiere ihrem Schicksal, d.h. möglichen Tod, überlassen.

Der Begriff „Geisterschiff“ wurde vor allem von deutschen Medien eingeführt, für die beschriebene Praxis der Schleuser eingeführt.

Hintergrund[Bearbeiten]

Im Verlaufe mehrerer Fluchtversuche über das Mittelmeer wurde das Phänomen erstmals Ende 2014 als solches von den Medien aufgegriffen. Das schwerste Schiffsunglück im Mittelmeer, die Flüchtlingsboot-Havarie im Dezember 2014, über dessen Verlauf und Hintergründe kaum etwas bekannt ist, kam auf diese Weise zustande. Dabei ertranken mehr als 480 Menschen. Meist kommen die Küstenwachen der Mittelmeerländer, vor allem die griechische und italienische Küstenwache zum Einsatz, um die Schiffe unter Kontrolle zu bringen. Dies geschah zunächst im Rahmen der italienischen Operation Mare Nostrum bis Ende 2014. Die Operation Triton bezieht sich nur auf den Abschnitt 30 sm von der jeweiligen Küste. Die meisten Rettungsaktionen finden daher nicht im Rahmen irgendeiner Mission, sondern als humanitäre Rettungsaktion in der Seefahrt statt.

Flüchtlinge aus Syrien wurden im November 2014 mit dem Frachtschiff Baris nach Ierapetra und Anfang Dezember 2014 mit dem aufgebrachten togolesischen Frachter Sandy nach Crotone eingeschleppt.

Anfang 2015 übernahm die italienische Küstenwache einen Frachter mit Hunderten Flüchtlingen. Ende 2015 waren fast 800 Bootsflüchtlinge auf einem führerlosem Frachter vor Süditalien knapp einer Kollision mit der Küste entgangen. Das Schiff Blue Sky M mit 768 Migranten an Bord war auf die Küste der Region Apulien zugesteuert, konnte jedoch von der Küstenwache unter Kontrolle gebracht werden.

Ein anderes Schiff, die unter der Flagge Sierra Leones fahrende Ezadeen, wurde in den Hafen der kalabrischen Küstenstadt Corigliano Calabro geschleppt. Eigentlich sollte der normalerweise für Viehtransporte vorgesehene Frachter den französischen Mittelmeerhafen Sète ansteuern.[1] Der Frachter war mit 450 Flüchtlingen an Bord ohne Besatzung auf die italienische Küste zugetrieben. Dem Schiff war der Treibstoff ausgegangen. Den Flüchtlingen sei es daraufhin gelungen, einen Notruf abzusetzen.

Reaktionen[Bearbeiten]

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex nannte diese Technik „einen neuen Grad der Grausamkeit“. „Das ist eine neue Erscheinung dieses Winters“, sagte die Frontex-Pressesprecherin in Warschau. Zwar hätten die internationalen Schleuserbanden schon immer rücksichtslose und menschenverachtende Techniken angewandt und hätten den Tod von Flüchtlingen auf Booten von Afrika nach Europa in Kauf genommen, aber „wenn ein nicht seetüchtiges Schiff, das völlig überladen ist, in Seenot gerät, haben die im Lagerraum eingeschlossenen Menschen keine Chance.“[2]

„Medien berichten von einer neuen Qualität. Dabei hat sich an der Grausamkeit und der Profitgier der Schlepper rein gar nichts geändert. Schon lange stopfen sie die Boote voll, ohne auf das einzelne Leben zu achten. Schon lange machen sie sich mitten auf dem Meer aus dem Staub und nehmen Katastrophen in Kauf. Vielleicht waren die Flüchtlingsboote, die man in den Hafenstädten Süditaliens besichtigen kann, bisher etwas kleiner und wurden näher an der Küste von den Schlepperbanden verlassen. Aber im Prinzip hat sich nichts geändert. Und gleichgeblieben ist auch das Versagen Europas.“

Jan-Christoph Kitzler in einem Kommentar für den Deutschlandfunk[3]

Einzelnachweise[Bearbeiten]