Freigeistige Landesgemeinschaft Nordrhein-Westfalen
Zu Beginn der NS-Zeit versuchten die Freireligiösen durch Namenswechsel und dubiosen Koalitionen dem Verbot zu entgehen, doch wurden dann 1934 Verbote ausgesprochen. 1937 oder 38 wurden die Gemeinden in Nordrhein-Westfalen aber unter Auflagen wieder zugelassen. Sofort nach Kriegsende nahmen die Gemeinden wieder den Namen Freireligiöse Gemeinden an. Mit der Etablierung der Bundesrepublik und ihrer Länder wurde daraus die Freireligiöse Landesgemeinde (oder Gemeinschaft) NRW. Wann diese sich in Freigeistige Landesgemeinschaft umbenannte, muss noch geklärt werden. 1993 erfolgte die Umbenennung in HVD-NRW Humanistischer Verband Nordrhein-Westfalen, Mitglied im Humanistischer Verband Deutschlands.
Inhaltsverzeichnis
[Verbergen]Bund Freireligiöser Gemeinden Deutschlands[Bearbeiten]
Die Verbotszeit (1934 - 1935)[Bearbeiten]
Am 20. November 1934 wurde der Bund freireligiöser Gemeinden Deutschlands durch den preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring verboten. In Sachsen konnten die Gemeinden noch einige wenige Monate weiterbestehen, ehe der dortige Gauleiter Mutschmann ebenfalls den Bund verbot und auflöste. Damit war die Taktik der Bundesleitung, den Bund durch inhaltliche und personelle Kompromisse zu erhalten, vorerst gescheitert. Trotzdem gelang es in der Folgezeit illegal die organisatorischen Strukturen einigermaßen aufrecht zu erhalten. Hierbei ging die Initiative besonders von dem Bundesgeschäftsführer Karl Peter und einigen Vorstandsmitgliedern aus, die untereinander brieflichen Kontakt hielten. Eine weitere wichtige Rolle übernahm der ehemalige Vizevorsitzende Prof. Dr. E. Bergmann. Bergmann war in der Zeit der versuchten Anpassung 1933 aus dem rechten Spektrum zum Bund gestoßen. Während sich der zeitweilige Bundesvorsitzende und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Deutschen Glaubens Prof. Hauer sich vom Bund bald distanzierte, stellte sich Bergmann in den Dienst des Bundes. Hilfreich waren dabei auch die persönlich guten Beziehungen, die Peter und einige Vorstandsmitglieder zu ihm entwickelt hatten. Bergmanns Person und seine Beziehungen zu NS-Kreisen waren bei späteren Legalisierung 1937 von mitbestimmender Bedeutung.
Anfangs konnten die noch nicht verbotenen Gemeinden als legaler Arm funktionieren. Als diese Möglichkeit wegfiel hielt man die Kontakte durch privaten Schriftverkehr aufrecht. Begründen konnte man die andauernden Kontakte auch durch die langwierige Abwicklung von Vermögensfragen. Insbesondere der Versicherungsbereich, die Überleitung der Bestattungskasse der freireligiösen (deutsch-kath.) Gemeinde Leipzig, deren Versicherungskundschaft vielfach mit der Mitgliedschaft des Bundes identisch war, in die Neue Deutsche Bestattungskasse, bot die Begründung zu einem umfangreichen Schriftverkehr.
Zentrales Organisationsmittel wurde aber der Fahrenkrog-Verlag und die Zeitschrift "Deutsches Werden", die Carl Peter 1935 erwarb. Als ehemaliges Blatt der Gesellschaft für nordische Kultur bot die Zeitung nach außen genügend Tarnung, um nicht mit dem Bund in Verbindung gebracht zu werden. Redaktionell und inhaltlich - natürlich mit den entsprechenden Zugeständnissen an die politische Entwicklung - gestaltete Peter die Zeitung so um, dass sie faktisch die Funktion eines Zentralorgans des verbotenen Bundes übernahm. Von den insgeheim noch aktiven Funktionären wurde die Verbreitung der Zeitung unter den ehemaligen Mitgliedern und Versicherungskunden der Bestattungskasse der Leipziger Gemeinde stark gefördert, so dass sich sein Abonnentenstamm wohl überwiegend aus ehemaligen Bundesmitgliedern zusammensetzte. Offiziell übernahm Prof. Bergmann die verantwortliche Schriftleitung. Bereits nach kurzer Zeit signalisierten auch die Behörden, dass sie gegen eine Wiederaufnahme der "Deutschen Glaubenswarte" unter verändertem Titel und neuer Schriftleitung keine Einwände hatten.
Mitte 1937 erklärten die staatlichen Stellen, dass sie auch gegen die Wiederbegründung des Bundes keine Einwände hätten, wenn von den alten Namen kein Gebrauch gemacht und nicht öffentlich geworben würde. Da viele der alten Strukturen noch erhalten waren, konnte die Gemeinschaft sich schon bald wieder neu konstituieren.
Die Bestände des Archivs stammen aus dem Nachlass von Carl Wüst. Entsprechend der illegalen Bedingungen wurden die unterschiedlichsten Begründungen, Bezeichnungen und Briefköpfe benutzt, um den Kontakt und damit die Organisation aufrecht zu erhalten, und in einem Schreiben die unterschiedlichsten Informationen untergebracht. So findet man in Verlagsschreiben nicht unbedingt nur Verlagsinformationen. Das Material ist naturgemäß recht lückenhaft, zeichnet in seiner Gesamtheit aber die damaligen Entwicklungslinien auf. (Bei der Erarbeitung selbst von Teilbereiche müsste aufgrund der Strukturlosigkeit des Materials, eine Sichtung des Gesamtbestandes vorgenommen werden.
Gemeinschaft Deutsche Volksreligion e.V. (1937 - 1945)[Bearbeiten]
Am 29. August 1937 wurde mit behördlicher Genehmigung die Gemeinschaft Deutsche Volksreligion gegründet und am 15. November d. J. in das Vereinsregister des Amtsgerichts Leipzig eingetragen. Mit dieser Gründung gelang es, den ehemaligen Bund für Geistesfreiheit bzw. Bund freireligiöser Gemeinden Deutschlands legal zu reaktivieren. Dies war nur durch strukturelle, personelle, namentliche und auch inhaltliche Zugeständnisse möglich. Die demokratische Satzung war durch eine Ordnung nach dem Führerprinzip ersetzt worden. Vorsteher der Gemeinschaft war der Universitätsprofessor Dr. Ernst Bergmann. Der ihm beigegebene Vorstand konnte offiziell nur beratende Funktionen wahrnehmen. Seinen Stellvertreter und Geschäftsführer bestimmt der Vorsteher selbst. Die Kontinuität wurde aber dadurch gewahrt, dass Carl Peter die Geschäftsführung übernahm oder eigentlich weiterführte. Die Gemeinschaft galt als Religionsgemeinschaft. Auf den alten Namen der Organisation u nd des Zentralorgans durfte nicht zurückgegriffen werden. Öffentliche Werbung sollte nicht erfolgen.
Schon bald hatten sich viele ehemalige Bundesmitglieder in der Gemeinschaft neu organisiert. Teilweise baute Aktivisten wieder große Ortsgemeinschaften auf. Das Gemeinschaftsleben wurde hauptsächlich von kulturellen Aktivitäten geprägt.
Gegen Ende der NS-Herrschaft bestand eine Organisation, die ohne große Schwierigkeiten zu ihrem alten Namen und den demokratischen Strukturen zurückkehren konnte.
Bei den Archivbeständen handelt es sich um, wie auch bei den vorhergehenden drei Beständen (II-IV) um die Altakten des Multifunktionärs Carl Wüst, der als Bundesvorstandsmitglied, regionaler und örtlicher Vertrauensmann, Halter der Versicherungsfiliale und späterer Landesgemeischaftsgeschäftsführer zur damaligen Zeit die Geschäfte von einem Büro in seiner Wohnung aus führte. Bei der Vielzahl der Funktionen sind die einzelnen Aktivitäten nicht immer genau zuzuweisen. In den Beständen sind die verschiedenen Tätigkeiten nicht immer eindeutig einer regionalen oder lokalen Organisation zuzuordnen, zumal oft mehrere Bezeichnungen parallel benutzt wurden und die Grenzen zwischen den einzelnen Bezirken und Ortsgemeinschaften nicht bekannt sind.
Neukonstituierung des Bundes Freireligiöser Gemeinden Deutschlands in der Nachkriegszeit (1945 - 1950)[Bearbeiten]
Nach dem Ende der NS-Zeit versuchten führende Funktionäre der freireligiösen und freigeistigen Bewegung inhaltlich und organisatorisch wieder an die Traditionen früherer Zeiten anzuknüpfen. Dabei konnten sie auf die bereits während der NS-Zeit im Rahmen der Gemeinschaft Deutsche Volksreligion geschaffenen Strukturen zurückgreifen. Insbesondere bemühte man sich umgehend, alle interessierten Kräfte zu erfassen und in einen nun wieder demokratisch strukturierten Reichsverband zusammenzuführen. Erheblich erschwert wurden die anlaufenden Diskussionen und die Arbeit durch die zusammengebrochenen bzw. mangelhaften Kommunikationswege und die begrenzten Reisemöglichkeiten. Die sich anbahnende und dann vollzogene deutsche Teilung in Ost und West wirkte sich ebenfalls aus. So waren die ersten Nachkriegsjahre eine Zeit vielfältiger Initiativen, die oft nebeneinander, miteinander und gegeneinander agierten. Bestimmend waren dabei oft nur wenige aktive Persönlichkeiten der Bewegung. Manchen Gründungen, Benennungen, Entscheidungen war nur eine kurze Lebensdauer vergönnt oder schliefen nach einiger Zeit einfach ein. Schon in der Frage, wie dieser Zentralverband nun heißen sollte, verdeutlicht die Schwierigkeiten der Zusammenarbeit. So führt das erste bekannte Rundschreiben der Leipziger Reichsgeschäftsstelle die drei Namen im Kopf: Gemeinschaft Deutsche Volksreligion; Bund freireligiöser Gemeinden Deutschlands, Volksbund für Geistesfreiheit.
Neben der staatlichen Trennung wirkten auch die traditionellen Meinungsunterschiede zwischen Süd und Nord auf das Geschehen ein. In den süddeutschen Verbänden wurde der freireligiöse Charakter in Inhalt und Form stärker betont, während im Norden mehr die freigeistige Richtung vertreten wurde.
Die zahlreichen Diskussionen und Tagungen führten schließlich dazu, dass sich in Westdeutschland unter dem Traditionsnamen Bund freireligiöser Gemeinden Deutschlands ein Dachverband bildete, dem sich die größten und einflussreichsten Landesverbände anschlossen.
Die Verbindungen zur ehemaligen Reichszentrale in Leipzig mit dem Geschäftsführer Carl Peter und den Landesverbänden im Osten wurden zwar auf freundschaftlicher Basis weitergeführt, aber seit 1948 war die organisatorische Trennung faktisch vollzogen. Im Laufe der Zeit ging dann der Kontakt fast vollständig verloren.
Bei den vorhandenen Beständen handelt es sich um Unterlagen aus dem Nachlass Karl Wüst bzw. Altakten der damaligen Landesgeschäftsstelle. Eine eindeutige Scheidung von privaten und Verbandsunterlagen ist dabei nicht vollziehbar. Besondere Aussagekraft kommt dabei dem Schriftverkehr Wüsts mit anderen leitenden Persönlichkeiten der Bewegung in dieser Phase zu. Da es sich bei diesem Personenkreis zumeist um Multifunktionäre handelte, die bis zu fünf unterschiedliche Briefköpfe verwendeten, ist eine eindeutige Scheidung der einzelnen Initiativen und Verbände, die sie vertraten, nicht immer möglich.
Humanistischer Verband Deutschlands (HVD)[Bearbeiten]
Der Humanistischer Verband Deutschlands (HVD) wurde 1993 von verschiedenen Landesorganisationen aus dem freigeistigen und freidenkerischen Spektrum gegründet.
Die Archivbestände umfassen z. Zt. nur die Papiere aus der Phase vor der Gründung.
BESTANDSGROSSGRUPPE C
Freireligiöse Landesgemeinde Nordrhein-Westfalen/Freigeistige Landesgemeinschaft Nordrhein-Westfalen
Quellen[Bearbeiten]
- Findbuch Freireligiöse Landesgemeinde (oder Gemeinschaft) NRW