Fall Paul B.

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Der Fall Paul B. ist ein Vorfall von Gewalt durch die Polizei Berlin gegen einen Demonstranten bei einer Anti-NPD-Demonstration in Berlin 2006.

Paul B. hatte bei seiner Verhaftung einen Schädelbasisbruch erlitten und wurde später wegen schweren Landesfriedensbruch und versuchter Körperverletzung zu einem Jahr und fünf Monate Haft auf Bewährung verurteilt. Ein Videobeweis tauchte erst später auf, der belegt, dass Paul B. weder vermumt gewesen war, keinen Stein geworfen hat und sich bei der Verhaftung nicht zur Wehr gesetzt hat, wie die Polizisten behaupteten. Erst damit konnte nachgewiesen werden, dass die massive Gewalt von den drei beteiligten Polizisten der Hundertschaft ausging.

Hintergrund[Bearbeiten]

Am 19. August 2006 demonstrierte die NPD in Berlin Pankow. Der Diplom-Physiker Paul B. war zum Zeitpunkt 27 Jahre alt und Student. Er beteiligte sich an der Gegendemonstration. Im Einsatz war u.a. die 12. Einsatzhundertschaft der Polizei Berlin.

Hergang[Bearbeiten]

Am 19. August 2006 demonstrierte ein breites Bündnis von Organisationen gegen einen NPD-Aufmarsch in der Wisbyer Straße in Berlin-Pankow. In der Gegendemonstration entstand plötzlich Unruhe; ein Trupp behelmter Polizisten in Schutzanzügen stürmte durch die Menge und stürzte sich auf Paul B.. Ein Polizist packte ihn am Hals, zwei weitere hielten ihn fest. Paul B. wehrt sich nicht und konnte sich nicht bewegen. Trotzdem schlug ihm ein Polizist die Faust ins Gesicht. Dann wurde er zu Boden gedrückt und ein Polizist kniet auf seinem Oberkörper. Auf dem Straßenpflaster war Blut zu sehen.[1]

Gesundheitliche Folgen[Bearbeiten]

Im Krankenhaus wurde ein Schädelbasisbruch bei Paul B. diagnostiziert. Er trägt seit dem bis heute Implantate im Gesichtsbereich.

Rechtliche Folgen[Bearbeiten]

Die Polizei Berlin zeigte Paul B. an. Die drei Polizisten gaben bei ihren Zeugenaussagen an, Paul B. sei vermummt gewesen, habe einen Stein in der Hand gehabt und sich bei der Festnahme heftig gewehrt.

In der Verhandlung wurde ein Polizeivideo von der Demonstration gezeigt. Auch darauf sieht man den losstürmenden Polizeitrupp von der 12. Berliner Einsatzhundertschaft auf der Wisbyer Straße. Zur Festnahme schwenkt die Kamera aber nicht. Erst als Paul B. am Boden festgehalten wird, geht der Kameramann zu ihm hin. Ob der Student vorher einen Stein in der Hand hatte oder sich zur Wehr setzte, ist auf dem Video nicht zu erkennen.

Paul B. wurde bei der Gerichtsverhandlung im Juli 2007 wegen besonders schwerem Landfriedensbruch und versuchter Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt. Seine Anzeige gegen die Beamten wegen schwerer Körperverletzung blieb folgenlos.

2010 tauchte auf dem Internetportal Indymedia ein zweites Video auf, dass die Festnahme dokumentierte. Ein Journalist, der anonym bleiben will, hatte die Anti-NPD-Demo gefilmt. Laut Berliner Zeitung hatte er eine ganze Reihe von polizeilichen Übergriffen dokumentiert.[2] Auf dem Video ist Paul B. zu sehen, weder vermummt, noch mit einem Stein in der Hand. Er wehrt sich nicht, als sich die Beamten auf ihn stürzen.

Das Video widerlegt die Angaben der Beamten der Einsatzhundertschaft. Die Zeugenaussagen der Polizisten waren bereits bei der Verhandlung widersprüchlich. Zwei Zivilbeamte, die das Geschehen auf der Wisbyer Straße beobachteten, sagten aus, sie hätten bei B. keinen Stein gesehen. Während die drei Beamten, die Paul B. überwältigten, bei ihrer Aussage blieben. Das Gericht hielt sie damals für glaubwürdiger, da sie keinen Grund hätten, so der Richter damals, die Unwahrheit zu sagen. Jedoch hatte B. damals Anzeige erstattet wegen Körperverletzung. Das Verfahren gegen die Beamten wurde eingestellt.

Paul B. hatte sich in einem Brief hilfesuchend an die Senatsjustizverwaltung Berlin gewandt. Nach Wochen antwortete ihm die Staatsanwaltschaft: Es gebe "erhebliche Zweifel" an seiner Darstellung und der Satz: "Ich darf Sie vorsorglich darauf hinweisen, dass auch die falsche Verdächtigung von Polizeibeamten eine Straftat und auch einen Bewährungsbruch darstellen kann."[3] Paul B. sagte, er habe das als Drohung empfunden, die Sache endlich ruhen zu lassen, da er andernfalls eine Haft antreten müsste. Erst als das Video im Internet auftauchte, erstattete er Anzeige gegen die Beamten wegen Falschaussage.

Öffentlichkeit[Bearbeiten]

2006 hatte der damalige Berliner-Polizeipräsident Dieter Glietsch heftige Kritik an dem Einsatz zurückgewiesen: Ihm lägen keine Erkenntnisse über unverhältnismäßiges Einschreiten vonseiten der Polizei vor.

Amnesty International dokumentierte den Fall, unterstütze den Anwalt von Paul B. und forderte eine eindeutige Kennzeichnung der Beamten. Rücknummern, wie auf den Videos zu sehen, sind bei mehreren Beamten gleich, so dass eine nachträgliche Identifizierung der beteiligten Beamten oft nicht möglich ist.[1]

Udo Wolf, Vorsitzender der Linksfraktion, forderte 2010 eine schnelle Klärung des Vorfalls.[4]

Weblinks[Bearbeiten]

YouTube icon (2013-2017).svg Dokumentation des Vorfalls durch leftvison.de

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Hochspringen nach: 1,0 1,1 Paul B. - Videoaufnahmen einer mutmaßlichen Misshandlung eines Demonstranten. Amnesty International, 29. Juli 2010, abgerufen am 8. Mai 2014.
  2. Hochspringen Andreas Förster: Der Videobeweis. Ein jetzt aufgetauchter Film zeigt, wie ein Mann bei einer Demo von Polizisten misshandelt wird. In: Berliner Zeitung. 10. Juli 2010, abgerufen am 8. Mai 2014.
  3. Hochspringen Peter Mühlbauer: Antidot zu Korpsgeist-Omerta und Drohparagrafen. In: Telepolis. 19. Juli 2010, abgerufen am 8. Mai 2014.
  4. Hochspringen Video zeigt Polizeiübergriff. In: taz. 14. Juli 2010, abgerufen am 8. Mai 2014.
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