Europäische Küche
Die Europäische Küche ist ein Sammelbegriff der die regionalen Kochtraditionen des europäischen Kontinents zusammenfasst. Daneben lassen sich damit historisch gewachsene Ausprägungen gegenüber anderen Kochtraditionen und wechselseitige Beeinflussungen klarer definieren.
Im außereuropäischen Raum wird die europäische Kochtradition meist zusammen mit den von ihr abstammenden Küchen als Westliche Küche (engl. Western Cuisine) bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte[Bearbeiten]
Frühzeit[Bearbeiten]
Mit dem Ende der Spätantike beginnt auch die kulturelle Spaltung des Mittelmeerraumes. Während die weströmische Tradition, und damit auch deren Kochkultur, ihrem Ende zugeht bleibt die oströmisch-byzantinische noch viele Jahrhunderte erhalten.
Aus der Antike sind uns bis in die Gegenwart Namen wie Apicius oder Lukullus überliefert. Viele Backwaren aber auch die Nudelherstellung und selbst die Urform der Pizza haben ihren Ursprung in der Antike. Die Griechen und später die Römer bereicherten den europäischen Speiseplan mit ihren Importen (Gewürze, Huhn, Zuckerrohr, Reis, Aprikosen, Kirschen...).
Vieles davon überdauerte die Wirren der Völkerwanderungszeit, um in den italienischen Stadtstaaten neu aufzublühen. Der wesentlichste Beitrag dazu stammt sicherlich aus dem Byzantinischen Reich. Einerseits war der kulturelle Austausch mit Italien nie völlig abgerissen (Venedig gilt als byzantinische Stadtgründung), andererseits standen adlige byzantinische Frauen auf dem europäischen Heiratsmarkt hoch im Kurs. Mit ihrem Gefolge brachten sie manchmal auch ihre Köche und ihre Essgewohnheiten mit. So stammt die Speisegabel als Teil des Essbestecks aus Byzanz. Später sollte die byzantinische Kochtradition außerdem gemeinsam mit persischer und arabischer die Grundlage der Türkischen Küche bilden.
Neuzeit[Bearbeiten]
Im Jahr 1492 wurde die Neue Welt entdeckt und Kolumbus brachte zahlreiche neue Lebensmittel nach Europa, zum Beispiel Kakao, Vanille, Paprika und Chili, Kartoffeln, Mais, Sonnenblumen, Speisekürbis, Topinambur, Tomaten, Süßkartoffeln.
In Europa fand vieles davon zuerst seinen Weg auf die Tafeln der spanischen Aristokratie, daneben beherrschte Spanien damals den Handel mit Gewürzen. Schon bald folgten andere europäische Mächte wie England, die Niederlande und Frankreich nach.
Durch diesen Kulturtransfer wurden nicht nur die Produkte der Neuen Welt und der Kolonien nach Europa, wie auch in andere Kulturen, eingeführt (etwa die indonesische Reistafel in die Niederlande, oder Curry und Chutney nach England), auch jene der Alten Welt gelangten nach Amerika und bildeten so später eine der Grundlagen für dortige Küchen.
Kaufleute aus Venedig, Florenz und anderen Stadtstaaten importierten exotische Gewürze und Nahrungsmittel; die wohlhabenden Bürger, der römische Klerus und der Adel konnten sich eine teure Hofhaltung mit entsprechend repräsentativer Küche leisten. Vieles wurde schon damals an den anderen europäischen Höfen nachgeahmt (etwa der Salat als eigenständiges Gericht), die größte Bedeutung hatte aber angeblich die Hochzeit der Katharina von Medici aus Florenz mit dem französischen König Heinrich II. im Jahr 1533. Mit ihrem Gefolge kam italienische Esskultur nach Frankreich und veränderte die Französische Küche, heißt es.
1615 heiratete die spanische Prinzessin Anna von Österreich Ludwig XIII. und brachte u.a. die Trinkschokolade an den französischen Hof.
Im 17. Jahrhundert verbreiteten sich Kakao, Tee und Kaffee in Europa.
Petit fours und Pralinen versüßten die Tafeln des Adels und das aufsteigende Bürgertum imitierte die gehobene Küche der Aristokraten. Ein bekannter französischer Koch dieser Epoche war Francois Vatel.
Mit Kartoffeln und Mais standen nun völlig neue Feldfrüchte zur Verfügung und ihr Anbau wurde in vielen europäischen Ländern gefördert, um der steigenden Zahl der Bevölkerung ein Ernährungsbasis zu bieten.
In diese Zeit fällt auch die Erfindung des Druckkochtopfs (zu Beginn nach seinem Erfinder Papin, papinscher Topf genannt).
siehe Artikel Esskultur der frühen Neuzeit
19. Jahrhundert[Bearbeiten]
Wurde bis dahin bei der Speisefolge auf den Effekt wert gelegt, so setzte sich das aus Russland stammende Service russe durch, die Gerichte wurden nicht mehr gleichzeitig aufgetragen (etwa wie bei einem Buffet), sondern in einer bestimmten Reihenfolge - den Gängen, bestehend aus Vorspeisen, Hauptgerichten und Nachspeisen, mit div. Zwischengängen.
Auch das Zeitalter Napoleons brachte einige Errungeschaften hervor, die ersten Konservendosen wurden für die französische Armee produziert, die Margarine als Butterersatz wurde erfunden, Apert gelang es 1804 die erste Kondensmilch herzustellen, und der Deutsche Justus von Liebig erfand den Fleischextrakt, den Vorläufer aller Fertigprodukte, wie auch den Kunstdünger, dessen Anwendung die Lebensmittelproduktion nachhaltig revolutionieren sollte.
Die russischen Soldaten stifteten die Restaurantbezeichnung Bistro in Frankreich, während auf dem Wiener Kongress nicht nur Europa politisch neu geordnet, sondern auch der Brie zum König der Käse gekürt wurde, und kurz darauf in Paris das erste Baguette aus der Backstube kam.
Der technisch-wissenschaftliche Fortschritt und die beginnende Industrielle Revolution hatten ihre ersten Auswirkungen auf die Landwirtschaft und die Lebensmittelproduktion.
Die Tierzucht wurde modernisiert, Rassestandards festgelegt und so der Ertrag und die Effizienz gesteigert. Zucker wurde zunehmend aus der Zuckerrübe gewonnen und was früher Luxus gewesen war wurde zum Alltagsgut - der Zuckerkonsum stieg drastisch an.
Ein immer größerer Teil der Bevölkerung wanderte in die Städte und Fabriken und wurde zum Endverbraucher von Fertigprodukten. Louis Pasteur entdeckte die Bedeutung der Mikroorganismen und revolutionierte damit auch die Lebensmittelproduktion, etwa jene von Wein, Bier und Käse (Pasteurisierung). Neue Konservierungsmethoden ermöglichten eine längere Haltbarkeit und gesündere Vorratshaltung. Als Beispiel sei hier die Erbswurst genannt (die erste Instantsuppe), die 1867 erfunden und kurz darauf als preußische Militärration Verwendung fand.
Die Lebensmittelindustrie entstand so nach und nach und Delikatessengeschäfte in den Städten belieferten das Bürgertum mit ihrer Warenvielfalt, die aufgrund der neuen Transportmöglichkeiten in alle Großstädte geliefert werden konnte (Sibirische Butter war einer der Spezialitäten dieser Zeit, welche mit der neuen Transsibirischen Eisenbahn transportiert wurde).
Daneben entstand die gehobene Gastronomie der klassischen französischen Küche, Auguste Escoffier gilt als ihr Begründer, jahrelang leitet er u.a. die Küchen des Moulin Rouge und des Ritz in Paris. Viele Gerichte gehen auf ihn zurück, etwa Pfirsich Melba.
Bürgerliche Küche[Bearbeiten]
Neben der gehobenen Gastronomie bildete sich auch die Bürgerliche Küche mit ihrem nationalen Charakter im Lauf des 19. J.h. aus. Daneben hat natürlich auch heute noch jede Region Europas ihre eigene Prägung auf der Grundlage der jeweiligen kulturellen Tradition und der regionalen Gegebenheiten. Sei es ob es sich um Küstengebiete, Gebirge oder fruchtbare Flusstäler handelt; Ob Fischfang oder Viehhaltung betrieben wird, ob es sich um eine bäuerliche oder städtische Küche handelt - wie die Römische- oder die Wiener Küche.
siehe Hauptartikel Bürgerliche Küche
Charakteristika der heutigen Küchen[Bearbeiten]
Ausgehend von den vor allem im gehobenen Rahmen üblichen Voraussetzungen unterscheidet sich die Europäische Küche von jener anderer Kulturen unter anderem durch folgende Charakteristika:
- Man isst bei Tisch, und auch im privaten Rahmen sitzen alle Familienmitglieder beieinander. Dies entspricht nicht unbedingt den traditionellen Gepflogenheiten anderer Kulturen, wo man meist am Boden sitzt, wie etwa in Japan oder im arabischen Raum. Im vielen Kulturen ist außerdem eine Geschlechtertrennung üblich, Frauen und Männer sitzen separiert und die kleineren Kinder sitzen bei den Frauen.
- Den Gebrauch eines Essbestecks; bestehend aus Messer, Löffel und Gabel, dazu kommt noch eine Vielfalt von speziellen Essgeräten, wie Fischbesteck oder Dessertbesteck und die entsprechenden auf die Getränke abgestimmten Gläser. Gerade der Gebrauch der Gabel war lange Zeit eine europäische Besonderheit, in vielen Teilen der Welt wird entweder mit den Fingern und dem Löffel gegessen, oder mit Löffel und Essstäbchen. Auch zu den USA besteht ein Unterschied, da man dort nach dem Schneiden der Speisen das Messer beiseite legt und nur mit der Gabel isst (Zig-Zag-Methode).
- Die traditionelle Zubereitungsform der europäischen Küche weist einen hohen Fleischanteil auf (auch Wurstprodukte sind typisch, von den Salsicca und der Mortadella über die Chorizo und die Weißwurst bis zu den Frankfurtern), und relativ viel Zucker verwendet wird, etwa bei der großen Vielfalt an Backwaren. Typisch ist auch die Reihenfolge der Speisen. Suppe wird fast ausschließlich zu Beginn eines Mahles, und Süßes zum Abschluss aufgetragen. Auch bestimmte Kombinationen, die sich in anderen Küchen finden, sind eher untypisch; etwa Süßes und Fleisch, wie in den orientalischen Küchen.
- Ursprünglich rein europäische Zubereitungsarten sind etwa das Garen im Salzmantel und das Flambieren (z. B. Crepe Suzette oder flambierter Hummer), generell geht das Kochen mit Spirituosen auf die europäische Küche zurück, da sie in anderen Kulturen entweder unbekannt oder aus religiösen Gründen nicht erlaubt waren oder sind. Typisch ist auch die Verwendung von Schweineschmalz und Olivenöl als Kochfett.
Weblinks[Bearbeiten]
- Zu Tisch in... Regionalküchen und Rezepte, ARTE
- Physiker, Chemiker und Spitzenköche machen aus der Kochkunst eine Wissenschaft, die molekulare Gastronomie, Zeit Online
- Genuss trifft Wissenschaft – innovative Köche bedienen sich der Erkenntnisse aus Chemie und Physik, Online-Ausgabe der Allgemeinen Hotel- und Gastronomie-Zeitung
- Internationale Kommunikationskulturen; Kulturelle Faktoren: Essen, Trinken, Geselligkeit, Margarete Payer
Literatur[Bearbeiten]
- Gunther Hirschfelder: Europäische Esskultur, ISBN 3-593-36815-3
- Irmgard Bitsch: Ernährungsempfehlungen in mittelalterlichen Quellen und ihre Bedeutung aus heutiger Sicht, in: Haushalt und Familie im Mittelalter und früher Neuzeit, hrg. von Trude Ehlert, Sigmaringen 1991, S. 129-136