Ergonomie in der Schule
Ergonomie in der Schule betrifft die Ausstattung der Arbeitsplätze, die Auswahl geeigneter Möbel, den Schul- und Klassenraum, die Raumluftqualität, und sie stellt Bezüge her zu den vielfältigen Möglichkeiten moderner Didaktik. Die ergonomischen Bedingungen in der Schule stehen in einem deutlichen Zusammenhang zum Lernerfolg.
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[Verbergen]Ergonomie und Lernerfolg[Bearbeiten]
Der Zusammenhang zwischen Ergonomie und Lernerfolg wurde wissenschaftlich untersucht. Der Umfang der Studien ist bisher sicherlich unbefriedigend. Trotzdem sprechen die Untersuchungen eine deutliche Sprache: Die ergonomischen Voraussetzungen sind bedeutungsvoll für den Lernerfolg. Eine Studie der Maximilian Universität München kommt bei einer Untersuchung zu learning spaces zu dem Ergebnis, dass das Arbeiten im Stehen zu einem wesentlich größeren Lernerfolg führt, als das übliche Arbeiten im Sitzen. Learning spaces sind Arbeitsräume, in denen Studenten der Universität frei arbeiten können. Sie sind mit WLAN und entsprechendem Mobiliar ausgestattet. Ein Raum wurde als Labor genutzt und Pädagogikstundenten wurden bei ihrer Arbeit beobachtet. Der Raum wurde mit Mobiliar ausgestattet, der das Arbeiten im sitzen und im Stehen ermöglicht. Die erste Beobachtung aus dieser Studie ist, dass sich die Studenten gemäß ihrer Kognitiven scripts verhielten und die Möglichkeiten der Möbel nicht nutzten: Einige saßen auf dem Boden oder schrieben an der Wand. Studenten, die eine Einführung zu den Möbeln bekamen und den Auftrag, die Möglichkeiten zu nutzen, erzielten deutlich bessere Ergebnisse, auch wenn sie sich während der Arbeit unwohler fühlten. Die Kognitiven scripts ließen sich durch eine „intelligente Gebrauchsanweisung“ überdecken. Eine Gruppenarbeit wurde von 10% der Studenten gelöst, die ohne den ergonomischen Vorteil arbeiteten. Die Gruppenarbeit wurde von 50% der Studenten gelöst, die im Stehen arbeiteten. Auch die Arbeit im schulischen Alltag einer Hauptschule zeigt, dass ergonomische Möbel eine deutliche Leistungssteigerung bewirken können. An der Anne Frank-Schule in Hamm werden seit Januar 2010 ergonomische Arbeitsplätze für 21 Schüler angeboten. Der Einsatz dieser Arbeitsplätze erfolgt nach unterschiedlichen Prinzipien. Zum Teil arbeiten Schüler, deren persönliches Profil die Arbeit an einem ergonomischen Arbeitsplatz erfordert. Insbesondere Schüler mit einem ADHS können ihre motorische Unruhe weitgehend ausagieren und dem Unterricht konzentriert folgen. In andern Klassen wechseln sich Schüler nach einer möglichst gerechten Reihenfolge ab. Dabei zeigt sich, dass es nicht alle begeistert an den ergonomischen Arbeitsplätzen arbeiten - dennoch unter der Perspektive der Leistungsfähigkeit erfolgreicher im Vergleich mit den herkömmlichen Schulmöbeln.
Schülerarbeitsplätze[Bearbeiten]
Der Standard der Schülerarbeitsplätze in Deutschland ist seit vielen Jahren: Es gibt unterschiedlich hohe Einzel- und Doppeltische und unterschiedlich hohe Stühle, die in der Regel durch farbliche Punkte gekennzeichnet sind. In der Regel soll mindestens einmal im Jahr überprüft werden, ob die Schüler an dem Tisch arbeiten können. Die Körpergröße der Schüler wird in Relation zu einem farbigen Punkt in einer Tabelle gesetzt. Bereits die unterschiedlichen Proportionen (Sitzriese etc.) werden bei dieser Betrachtung der Schüler vernachlässigt. Spontane Größenzuwächse von Schülern werden nur bedingt Rechnung getragen und es obliegt häufig der persönlichen Sorgfalt von Lehrern, ob Schüler an Arbeitsplätzen arbeiten, die ihrer Körpergröße entsprechen.
Gleichzeitig wird die Körpergröße zu einem pädagogisch relevanten Bestandteil des Unterrichts. Da die meisten Arbeitsplätze in der Schule aus Doppeltischen bestehen, können unterschiedlich große Schüler nicht gut zusammenarbeiten. Wenn ein großer Schüler an einem großen Tisch arbeitet, kann er nicht mit einem kleinen Partner zusammenarbeiten. Das Standard Mobiliar lässt kein aktives Sitzen zu. Die Stühle sind starr und passen sich der Körperhaltung der Schüler nicht an. Während ein Schüler nach hintengelehnt zuhört sitzt er auf dem selben Stuhl als wenn er nach vorn gebeugt schreibt. Im ersten Fall stöhrt die hart und unflexible Rückenlehne, die nach kurzer Zeit Unbehagen oder sogar Schmerzen verursacht. Im zweiten Fall wird der Kreislauf in den Oberschenkeln unterdrückt und dadurch auch die Versorgung des Hirns mit Sauerstoff beeinträchtigt. Im Ergebnis beginnen Schüler nicht selten damit zu kippeln. Diese Verhalten wird häufig als Störung des Unterrichts gewertet und nicht als notwendige Körperbewegung zum Ausgleich von unbequemen und ungeeigneten Möbeln. Schüler arbeiten an ihren Arbeitsplätzen bis zu acht Unterrichtsstunden pro Tag. Das legt einen Vergleich mit Büroarbeitplätzen nahe, an denen in der Mehrheit auch sitzende Tätigkeiten verrichtet werden. Kämen die Normen und Regeln für diesen Arbeitsbereich jedoch zur Anwendung gibt es nur wenige Schulen, die nicht in Kürze geschlossen werden müssten. Schülkerarbeitsplätze sollten unter ergnomoischen Gesichtspunkten einige Mindestanforderungen erfüllen:
- Die Möbel müssen sich schnell und einfach an den Körper eines Schüler anpassen können. Aufwendiges Kurbeln führt dazu, dass die Möbel nur sporadisch angepasst werden.
- Die Möbel müssen ein Höchstmaß an Flexibilität, vor allem auch das Arbeiten im Stehen ermöglichen.
- Ein guter Schülerarbeitplatz ist ein Einzelarbeitsplatz, der sich an jeden Schüler schnell und einfach (werkzeugfrei) anpassen lässt.
- Das Arbeiten im Stehen sollte nicht auf hartem Betonboden stattfinden. Mit Hilfe von geeigneten Matten erhöht sich der Stehkomfort wie die Leistungsfähigkeit.
- Die Arbeitsplätze sollten im Raum flexibel sein, um unterschiedliche Lernarrangements zu ermöglichen.
- Eine teilweise neigbare Arbeitsplatte erleichtert Schreibarbeiten.
Werden diese Anforderungen erfüllt, erhöhen sich die Kosten für die Schülerarbeitsplätze gegenüber den heute üblichen Möbeln wesentlich. Der Entscheidung für ergonomische Schülerarbeitsplätze stehen im Wesentlichen der höhere Finanzbedarf und die Kognitiven scripts von Lehrern entgegen, die Bewegung als Störung interpretieren.
Raumluftqualität[Bearbeiten]
Die Gesundheitsämter bezeichnen eine Raumluft, in der ein Anteil von mehr als 1500 ppm Kohlendioxyd (CO2) ist als Luft mit schlechter Qualität. Diese Grenze von 1500 ppm wird in einem durchschnittlichen Klassenraum mit 25 Schülern nach circa 30 Minuten erreicht. Der hohe CO2 Gehalt der Luft führt dazu, dass Schüler unkonzentriert werden und die Lernleistung des Gehirns organisch sinkt. Abhilfe ist dabei leicht zu schaffen: Nach spätestens 30 Minuten muss ein Klassenraum gelüftet werden. Auch die Art der Lüftung spielt eine wichtige Rolle: Die Kipplüftung führt (vor allem im Winter) dazu, dass die Raumwärme abgeleitet wird und der Raum im Bereich des Fensters gut gelüftet ist. Bereits in einem geringen Abstand findet kein effektiver Luftaustausch statt. Stoßlüftung bedeutet, dass möglichst viele Fenster möglichst weit für kurze Zeit geöffnet werden. Dabei werden etwa 2/3 der Raumluft ausgetauscht und der CO2-Gehalt der Luft wird wesentlich gesenkt. Zudem bleibt die Raumwärme im Wesentlichen erhalten. Querlüftung bedeutet, dass Lüftungsöffnungen so hergestellt werden, dass die Raumluft beispielsweise durch das Fenster einströmen kann und durch die Tür entweichen kann. Der Vorteil besteht in einem schnellen guten Lüftungsergebnis. Der Nachteil ist, anders als bei der Stoßlüftung, die Gefahr von Zugluft.
Pädagogische Konzepte[Bearbeiten]
Bewegter Unterricht[Bearbeiten]
Pädagogische Konzepte zielen seit langem darauf, Schüler in Bewegung zu versetzen. Sei es auf der Mikroebene im Laufdiktat oder in der Rhythmisierung von bewegungsintensiven Fächern (Sport) und den klassischen Lernfächern (Sprachen). Das Laufdiktat sieht vor, dass der Text auf einem Blatt am anderen Ende des Klassenraumes vorliegt und die Schüler aufstehen, den Text lesen und sich einen Abschnitt merken und diesen dann an ihrem Arbeitsplatz aufschreiben. Die Forderung, mindestens eine Stunde am Tag Sportunterricht für jeden Schüler zu erteilen, kommt von Prof. Grönemeier. Die logistischen Voraussetzungen sind dafür an den meisten Schulen nicht gegeben und das Interesse des Arztes Dr. Grönemeier liegt eher in den krummen Rücken der Schüler als in ihrer Lernleistung. Fachlich widerspricht dieser Forderung niemand.
Tagesrhythmus und Unterrichtseinheiten[Bearbeiten]
Der Schulalltag bedeutet eine Neuorientierung des Denkens auf Unterrichtsinhalte im 45 Minutenrhythmus. Diese Einteilung kommt aus einer Tradition, in der in jeder vollen Stunde eine Viertelstunde für das Gebet „freigehalten“ wurde - aus den Klosterschulen des Mittelalters. In der Folge der Säkularisierung wurden die Gebetszeit ersatzlos gestrichen. Einige Schulen in Nordrheinwestfalen haben inzwischen Unterrichtseinheiten von 60 Minuten eingeführt. Auch die hohe Akzeptanz durch Eltern, Schüler und Lehrer ist ein Hinweis darauf, dass die längeren Arbeitsphasen das Leben angenehmer und das Lernen erfolgreicher machen.
Ergonomie und Gesundheit[Bearbeiten]
Ergonomie wird oft ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Gesundheit betrachtet und ist an anderer Stelle ausführlich behandelt. Auch wenn die untere Gesundheitsbehörde in NRW für Schüler betriebsmedizinische Aufgaben wahrnehmen soll[1], wird dieses Thema oft ausgeblendet. Eine konkrete Verwaltungsordnung scheint es hier nicht zu geben.
Literatur[Bearbeiten]
- Unfallkasse Hessen: Frische Luft für frisches Denken. Frankfurt am Main, 2008
Weblinks[Bearbeiten]
- Angela Pecovicsa: Ergonomie in Schulen
- Ergonomie in Schulen, Ein Vergleich – Ergonomie in Österreich und in Deutschland
- Kultusministerkonferenz (Hrsg.)Sicherheit und Ergonomie
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- Hochspringen ↑ vergl.: Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst § 12